Lehrmittel und Inspirationsquelle
125 Jahre Architekturmuseum der TU Berlin
Text: Wilke, Claudia, Berlin
Lehrmittel und Inspirationsquelle
125 Jahre Architekturmuseum der TU Berlin
Text: Wilke, Claudia, Berlin
Das Architekturmuseum der TU Berlin ist das älteste Architekturmuseum Deutschlands. Seit 125 Jahren sammelt man hier Tuschezeichnungen, Aquarelle, Radierungen, Fotografien, Lichtpausen und Modelle zeitgenössischer Architektur.
Um 1900 zählte das Museum an die 20.000 Objekte. Später wurde die Sammlung mehrfach geteilt, um- und ausgelagert, während des Zweiten Weltkrieges ging ein Großteil der Objekte verloren. Umso eifriger betrieb man den Wiederaufbau der Sammlung nach dem Krieg. Heute wird der Bestand auf 160.000 Objekte geschätzt.
2006 startete am Museum das Forschungsprojekt „Digiplan“. Mit Hilfe von Fördergeldern der deutschen Forschungsgemeinschaft wurde der gesamte Bildbestand digitalisiert und im Internet zugänglich gemacht. Der Abschluss der Digitalisierungskampagne und das Jubiläum waren dem Museum Anlass, mit einer Ausstellung zu den eigenen Wurzeln zurückzukehren: Im Mustersaal der Bauakademie am Schinkelplatz werden die 125 schönsten Arbeiten aus der Sammlung gezeigt.
Um dem vierachsigen, aus Rohziegeln gemauerten Musterraum ein wenig die Strenge zu nehmen, hat man grün gestrichene Wände, die einen Rhombus bilden, diagonal in den Raum gehängt und auf diese Weise überschaubare Nischen geschaffen (Entwurf: Charlotte Hopf). Die Hängung der Bilder erinnert an ein gutbürgerliches Wohnzimmer des frühen 20. Jahrhunderts, in dem man mit Stolz seine Errungenschaften präsentierte. Querformate hängen neben Hochformaten, verblasste Fotografien neben kräftigen Kreidezeichnungen: eine sympathische Art, den Bestand, der ganz überwiegend aus dem 19. und
20. Jahrhundert stammt, zu zeigen. Man kann Gruppen von Besuchern beobachten, die vor den Arbeiten stehen und sich ganz offensichtlich über das Gezeigte austauschen – ganz im Sinne von Museumsgründer Julius Carl Raschdorff, der in der Sammlung ein Lehrmittel für Architekturstudenten und eine Inspirationsquelle für den „reifen“ Architekten sah.
20. Jahrhundert stammt, zu zeigen. Man kann Gruppen von Besuchern beobachten, die vor den Arbeiten stehen und sich ganz offensichtlich über das Gezeigte austauschen – ganz im Sinne von Museumsgründer Julius Carl Raschdorff, der in der Sammlung ein Lehrmittel für Architekturstudenten und eine Inspirationsquelle für den „reifen“ Architekten sah.
Die Informationen zu den Handzeichnungen, Stichen und Fotografien sind, bis auf Angaben zu Machart und Entstehungsdaten, leider spärlich. Ausgewählte Arbeiten sind mit einem QR-Code versehen, mit dessen Hilfe der entsprechende Katalogtext auf ein Smartphone heruntergeladen werden kann. Doch das Herunterladen ist auf die Dauer anstrengend und lenkt ab. Und den Besuchern ohne Smartphone wird das Gefühl vermittelt, ihnen würde Wichtiges vorenthalten.
Raumgefasster Zeitwille
Zu sehen sind Arbeiten von Architekten, die hauptsächlich in Berlin und Umgebung gewirkt haben. Angefangen im 18. Jahrhundert mit Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff über Vertreter des 19. Jahrhunderts wie Carl Heinrich Eduard Knoblauch und Friedrich August Stüler sowie des 20. Jahrhunderts wie Hans Poelzig oder Schwebes & Schoszberger bis hin zu einigen wenigen Protagonisten von heute wie Jürgen Mayer H. Das Spektrum reicht von Handskizzen über sorgfältige Materialstudien, detaillierte Schnitte und Grundrisse bis zu beeindruckenden Perspektiven. All diesen Bildern gemein ist, dass sie den visionären Geist der Ideen samt der beim Entwerfen durchlebten Gefühlswelt ihrer Schöpfer widerzuspiegeln scheinen. Ein Aspekt, der im Zeitalter glattgebügelter Renderings völlig verschwunden ist.
Besonders beeindrucken die expressionistischen Arbeiten der 1920er und 30er Jahre: Während die einen das Technikzeitalter mit gigantischen Großprojekten feiern, kristallisieren sich bei anderen düstere Großstadtvisionen à la „Metropolis“ heraus. Doch der Vergleich mit älteren Arbeiten zeigt, der Hang zum Monumentalen setzte spätestens mit dem ausgehenden 19. Jahrhundert ein. Das macht diese Überblicksausstellung so besonders: Tendenzen und Einflüsse werden sichtbar – aber ganz deutlich tritt auch zutage, was die Epochen trennt. Mies van der Rohe hat letzteres Phänomen überaus treffend so zusammengefasst: „Baukunst ist raumgefasster Zeitwille. Lebendig. Wechselnd. Neu.“
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