Bauwelt

Post – Rüstung – Wiederaufbau

Wilhelm-Wichtendahl-Retrospektive

Text: Bartels, Olaf, Hamburg

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Haus Josef Gartner, Grundelfingen (1962)
© Architektur- museum Schwaben, Nachlass Wichtendahl

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Haus Josef Gartner, Grundelfingen (1962)

© Architektur- museum Schwaben, Nachlass Wichtendahl


Post – Rüstung – Wiederaufbau

Wilhelm-Wichtendahl-Retrospektive

Text: Bartels, Olaf, Hamburg

Wilhelm Wichtendahl schrieb für Augsburg, Schwaben und Bayern ein Stück Heimatgeschichte – für das Architekturmuseum Schwaben, das seinen Nachlass aufbe­wahrt, allemal ein Grund, sein Œuvre zu erforschen, auszustellen und der Bevölkerung damit ein Stück regionaler Baukultur nahezubringen.
Eine durchaus typische deutsche Architektenkarriere des 20. Jahrhunderts: Wilhelm Wichtendahl (1902–1992) studierte an der Technischen Hochschule München, nach dem Diplom trat er in die von Robert Vorhoelzer geleitete Bauabteilung der Münchner Post ein; ab 1933 arbeitete er zunächst als freier Architekt, dann als Werksarchitekt für die Messerschmitt-Flugzeugwerke und für die M.A.N.; nach dem Krieg wirkte er entscheidend am Wiederaufbau in Augsburg mit, profilierte sich bayernweit im Schul- und Krankenhausbau; seit 1952 bekleidete er führende Ämter im Bund Deutscher Architekten, zunächst als Vorsitzender des BDA Augsburg-Schwaben, dann des BDA Bayern und schließlich als Bundesvorsitzender. Wichtendahl schrieb für Augsburg, Schwaben und Bayern ein Stück Heimatgeschichte – für das Architekturmuseum Schwaben, das seinen Nachlass aufbe­wahrt, allemal ein Grund, sein Œuvre zu erforschen, auszustellen und der Bevölkerung damit ein Stück regionaler Baukultur nahezubringen; andernorts ist das längst keine Selbstverständlichkeit.
Doch die Schau geht über Heimatkundliches hin­aus, schließlich zwingt jede Architektenkarriere, die eine aktive Arbeit während der NS-Zeit einschließt, zum genauen Hinsehen. Zu lange wurde der Verklärung Vorschub geleistet, hat man Architekten wie Wichtendahl, die im Rüstungsbau kriegswichtige Arbeit geleistet haben, eine Nischenexistenz bescheinigt oder sie gar zu Widerstandskämpfern für die Moderne stilisiert. In Augsburg werden auch solche Aspekte beleuchtet, und es wird deutlich: Die Architekten waren Teil des Herrschaftssystems, und ihre Architektur diente dessen Repräsentation. Wilhelm Wichtendahl konnte seinen Wirkungskreis ausweiten, er baute von Hamburg bis ins Ötztal. Dafür gewann er ab 1936 auch Bernhard Hermkes, der aus Frankfurt kommend zunächst bei Herbert Rimpl an den Heinkel-Flugzeugwerken in Oranienburg mitgearbeitet hatte und nun für Wichtendahl ein Messerschmitt-Werk in Regensburg und ab 1939 das M.A.N.-Schiffsmotorenwerk in Hamburg plante. Dort wurde er nach Kriegsende zu einem der führenden Wiederaufbauarchitekten – und strickte kräftig mit an der Legende von der „Zufluchtsstätte Industriebau“ für modern gesinnte Architekten; in der Ausstellung zeigt ein offenbar von Wichtendahl gedrehter Schmal­film Hermkes noch gemeinsam mit Kollegen im launigen Stechschritt über das Dach einer M.A.N.-Halle im Hamburger Hafen marschieren.
Die Ausstellung reflektiert auch die heftigen Dispute, die in den 80er Jahren zwischen den noch lebenden Protagonisten und Architekturforschern der nachfolgenden Generationen geführt wurden und die schließlich eine ehrlichere Sicht auf jenen Teil der deutsche Architekturgeschichte zuließen. Das macht Schau und Begleitbuch weit über Augsburg hinaus sehens- bzw. lesenswert.
Fakten
Architekten Wilhelm Wichtendahl (1902–1992)
aus Bauwelt 5.2011
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