Sammlungen im Umbruch
Design der 50er und 60er in Hannover
Text: Brosowsky, Bettina, Maria, Braunschweig
Sammlungen im Umbruch
Design der 50er und 60er in Hannover
Text: Brosowsky, Bettina, Maria, Braunschweig
Im Jahr 2011 hob der Rat für Formgebung aus Frankfurt im Rahmen eines Symposions in Berlin einmal die Idee eines Deutschen Design Museums auf die Tagesordnung. Ein solches Vorhaben hätte zweifelsohne Relevanz, denn neben der gebauten Umwelt stellt die Gebrauchsgüterkultur sicherlich die stärkste ästhetische Prägung unserer Lebenswirklichkeit dar.
So richtig Fahrt aufgenommen hat dieses Projekt, abgesehen von der Gründung einer Stiftung, bislang aber nicht.
Verschiedene Museen und Sammlungen in Deutschland pflegen das moderne hiesige Design und seinen internationalen Kontext. Beispielhaft ist sicherlich die nach eigenen Angaben weltweit größte und älteste derartige Institution, die Neue Sammlung in München. 1907 im Zuge der Werkbundgründung als moderne Vorbilder-Sammlung angelegt, präsentiert sie sich in der Pinakothek der Moderne – programmatisch im Zusammenspiel mit Kunst und Architektur. Die Sammlung betreut im Neuen Museum Nürnberg den Bereich Design sowie das Keramik-Museum in Weiden/Oberpfalz. Sie umfasst 80.000 Objekte, ein verlässlicher Ankaufsetat garantiert den steten Fortgang.
Es gibt aber auch gegenläufige Entwicklungen: So lagert etwa die 1950 von Mart Stam initiierte Sammlung des Instituts für Industrielle Gestaltung der SBZ/DDR seit 2011 im Depot des Hauses der Geschichte Bonn-Berlin-Leipzig. Lediglich ein kleiner Teil dieser systematischen Dokumentation sozialistischer Industriekultur dient seit Ende 2013 der zeitgeschichtlichen Illustrierung einer Dauerausstellung zum Alltag der DDR in der „Kulturbrauerei“ in Berlin-Prenzlauer Berg. Die kuratorisch seriöse Pflege und Präsentation einer eigenständigen Sammlungsdisziplin sähe anders aus.
Damit könnte es vielleicht auch bald in Niedersachsen vorbei sein. Hier steht die, wenngleich mit gut 3400 Werkstücken eher kleine, so doch einzige Design-Sammlung des Landes im Museum August Kestner in Hannover vor einer ungewissen Zukunft. Grund ist ein sogenannter Museumsverbund aus diesem Haus und dem Historischen Museum, beides Einrichtungen der Landeshauptstadt. Der Verbund soll gemäß eines Ratsauftrags dauerhaft Haushaltsmittel einsparen, die Profile beider Häuser schärfen, attraktive Angebote entwickeln und die Besucherzahlen steigern. Derzeit werden die Museumserwaltungen zusammengelegt, für die gesamte Neuausrichtung benötigt die Stadt nach eigenem Bekunden noch wenigstens die nächsten zwei Jahre.
Das 1889 eröffnete Museum August Kestner versteht sich als Museum der Sammler, verfügt beispielsweise über die Schenkung bedeutender ägyptischer und griechisch-römischer Kleinkunst des Namensgebers. Es will 6000 Jahre menschlicher Kreativität repräsentieren. Qualität und Quantität des Bestandes an modernem Design ab dem Jugendstil bewertet der scheidende Direktor des Hauses, Wolfgang Schepers, vielleicht etwas zu selbstbewusst als vergleichbar etwa mit dem Grassi-Museum in Leipzig oder dem Museum für angewandte Kunst in Frankfurt. Der Stadtverwaltung hingegen scheint die Sammlung weniger zu bedeuten, 2011 wurde bereits ihr Ankaufsetat eingestellt. In einigen Konzeptvarianten zum Museumsverbund wird sie nun recht stiefmütterlich hin- und hergeschoben, landet wahlweise im Depot oder wird dem ebenfalls städtischen Sprengel Museum angetragen, das gerade einen Erweiterungsbau erhält und vielleicht ja nicht nur räumliche Kapazitäten frei hätte. Dass allerdings nicht jede Institution aus dem Stand heraus etwas mit Design anfangen kann, dass es dafür des speziellen kunsthistorischen Auftrags bedarf, das sollte in Hannover spätestens dann deutlich geworden sein, als Sammlungskurator Schepers mit Verve die aktuelle Sonderausstellung seines Hauses zur Produktgestaltung der 50er und 60er Jahre vorstellte.
Diese ihren zeitlichen Betrachtungsraum stringent begrenzende Ausstellung stellt rund 100 eigene Objekte – allesamt sogenanntes Autorendesign namhafter Formgeber – neben etwa 20 Leihgaben privater Sammler, die anonyme Klassiker wie Tütenlampe, Nierentisch oder die Knabbergebäckschale in Gestalt einer venezianischen Gondel beisteuerten. Eine bebilderte Zeitschiene entlang der Wand begleitet die Exponate und stellt einen Bezug auch zur lokalen Historie her. Einige Zeitschriftencover, allen voran der Spiegel-Titel von 1959 zum „Wunder von Hannover“ – Stadtbaurat Rudolf Hillebrecht stellte darin seine Vision einer modernen Stadt mit einem grandiosen Netz aus Schnellstraßen vor – bezeugen die Aufbruchsstimmung in der Zeit des Wirtschaftswunders. In kompakten Regalvitrinen werden zudem Chronologie und Tendenzen der Formgebung umrissen: vom schnittigen Stromliniendesign über eine gemäßigt organische Haltung bis zum stark von der bildenden Kunst beeinflussten, systemkritischen Pop- und Radical-Design der späten 60er Jahre.
Bemerkenswert sind parallele Entwicklungen im Design der DDR. Es gab dort eben nicht nur Plagiate westdeutscher Produkte für den heimischen Bedarf. Vorrangig zum Export wurde beispielsweise eine ambitionierte, international orientierte Tischkultur entworfen, die für ihre Fertigung auf traditionsreiche Firmen der Glas-, Porzellan- und Metallwarenindustrie zurückgreifen konnte. Das Hotelgeschirr oder Pressglasserien von Margarete Jahny etwa erwiesen sich als ästhetisch langlebig und wurden jahrzehntelang produziert.
Eva Gläser, Volontärin im Haus, lässt die von ihr kuratierte Schau in zwei kleinen Rauminstallationen kulminieren: eine aus mustergültigem Design der Ära, die andere mit anonymen Objekten. Sie setzt auf visuelle Erkenntnisse zu Qualität und Originalität der Artefakte, jenseits erinnernder Verklärung, fragt aber auch nach dem gesellschaftlichen Bezug jeglicher Gebrauchskultur.
0 Kommentare