Untergrundarchitektur
Museum der Weltkulturen in Frankfurt am Main
Text: Santifaller, Enrico, Frankfurt am Main
Untergrundarchitektur
Museum der Weltkulturen in Frankfurt am Main
Text: Santifaller, Enrico, Frankfurt am Main
Seit Ende des Krieges kann das Museum der Weltkulturen in Frankfurt am Main seine reichen Bestände nur in Wechselausstellungen zeigen. Seit 1988 hat die Stadt mehrfach Anlauf genommen, einen geeigneten Entwurf für die Erweiterung auf dem parkähnlichen Gelände zu finden. Der kürzlich entschiedene, mittlerweile dritte Wettbewerb kürte einen Entwurf, der sich in der Erde versteckt.
Prominenter kann der Ort für ein Museum in Frankfurt am Main nicht sein. Das Museum der Weltkulturen liegt wie viele andere Ausstellungshäuser auch am Schaumainkai. Im Vergleich zum gewaltigen Umfang der Sammlung können die Räume in den dreidenkmalgeschützten Villen aus dem 19. Jahrhundert allerdings auch kleiner nicht sein. Der dazugehörige parkähnliche Garten böte Fläche für eine Erweiterung, wären da nicht die vielen alten Bäume, die mittlerweile von einer langen, erfolglosen Planungs- und Jurierungsgeschichte erzählen. 1988 hatte die Stadt erstmals einen Wettbewerb für eine Erweiterung ausgelobt. Weil man aber für die Realisierung des Siegerentwurfs von Becker Grossmann Meiler aus Braunschweig knapp 100 Bäume hätte fällen müssen, wurde daraus nichts. Drei Jahre später ging Richard Meier als Sieger aus einem Gutachterverfahren hervor. „Dieser Entwurf hat die Zweifel zerstreut, ob überhaupt inmitten des üppigen Grüns des gerade vollendeten Museumsparks gebaut werden könne: es kann, unter Verlust von 33 statt, wie zu befürchten war, 69 gefällten Bäumen.“, schrieb Dieter Bartetzko am 29.1.1990 in der Frankfurter Rundschau. Die Bäume wurden gefällt, der Bau aus Kostengründen dann aber abgesagt.
Ende Dezember 2010 nun wurde das Ergebnis des dritten Anlaufs vorgestellt: ein Realisierungswettbewerb mit 43 Teilnehmern. Die Jury lobte den Siegerentwurf von Kuehn Malvezzi über den grünen Klee: „Man würde es nicht für möglich halten“, beginnt ihre Beurteilung, „dass so ein gewichtiges Programm in einer so bedrängten und vielschichtigen Situation eine derart unprätentiöse Zurückhaltung in der architektonischen Antwort zulassen würde“. Der Entwurf finde „für diese Zurückhaltung eine sinnvolle und fast selbstverständliche Ordnung“. Die „drei bescheidenen Elemente“, mit denen das vorgeschlagene Bauwerk oberirdisch in Erscheinung tritt, würden „den Bestand zu sinnvollen, feinen und einprägsamen Konstellationen beschlagnahmen“. Der wesentlich größere unterirdische Bereich, der in drei, teilweise zweigeschossige Flügel geteilt werden soll, veranlasste die Jury von einer „Untergrundarchitektur“ zu sprechen. Dies offenbar nicht wertend gemeint, bescheinigte sie dem Entwurf, dass er „die heutigen Qualitäten des Ortes auf höherem Niveau fortschreibe“. Die wichtigste Frage aber stellte die Jury erst am Ende ihrer Beurteilung: „Ob es das zwingende Ziel der Aufgabe war, eine Institution wie das Weltkulturen-Museum gewissermaßen zum Verschwinden zu bringen?“
Drunter oder Drüber?
Seit Verkündung des Wettbewerbsergebnisses motiviert diese Frage einige Diskussionen in der Mainmetropole. Denn der Siegerentwurf ist der konsequenteste aller Beiträge im Sinne der Auslobung: Diese legte den Teilnehmern nahe, den Großteil der geforderten 6000 m² für die Erweiterung unter der Erde zu platzieren. Nicht nur drei denkmalgeschützte Gebäude (zwei Villen am Schaumainkai und das sogenannte Kutscherhaus an der Metzlerstraße) waren zu integrieren, sondern – und das vor allem – der von Richard Meier im Zuge seiner Realisierung des benachbarten Museums für Kunsthandwerk neu gestaltete Museumspark mit seinem „wertvollen“ Baumbestand sollte erhalten werden. Dass überdies „eine innovative, ästhetische Reflexion“ der Museumsnutzungen verlangt war, betrachteten viele Teilnehmer als untergeordneten Aspekt. Zu Recht. Denn die Beiträge, die einen erheblichen Teil des Volumens in sichtbaren, gar expressiven Baukörpern unterbringen, schieden spätestens in der zweiten Runde aus.
Besser ging es Vorschlägen, die versuchten, das Volumen aufzulösen. David Adjaye (4. Preis) etwa schuf ein System transparenter Museumspavillons, die durch ein überdecktes Wegenetz verbunden sind – auch wenn dieses Assoziationen an Grundschulen der 60er Jahre weckt. Das Büro Trint + Kreuder d.n.a (3. Preis) hingegen präsentierte in Anlehnung an das Ziegelmauerwerk des Kutscherhauses eine etwa 40 Meter breite, ziegelrot eingefärbte Platte, die den Museumspark von der Metzlerstraße bis zum Schaumainkai durchzieht. Eingeschossige Bauten im hinteren Teil des Parks sollen Funktionen wie Eingang, Shop, Café, Anlieferung und Büros aufnehmen, die Ausstellungsbereiche unterirdisch liegen. Die Jury attestierte dem Entwurf „eine suggestiv poetische Kraft“; die Intervention ist sichtbar, andererseits ist die Lage der erwähnten Platte ziemlich willkürlich. Der Vorschlag von Bruno Fioretti Marquez (2. Preis) steht für viele Beiträge, die das Volumen in mehrere Pavillons auflösen, das Hauptvolumen aber ebenfalls unter die Erde bannen. „Ein der Situation sensibel angepasster Vorschlag“, urteilte die Jury und lobte unter anderem den „gelungenen Museums- platz“, der mit der Bündelung der dreiseitigen Erschließungswege vom Main, vom Park und von der Metzlerstraße definiert werde, und die Verbindung mit dem landschaftlichen Umfeld.
Die ungestellte Standortfrage
Der Beitrag von Kuehn Malvezzi (1. Preis) ließ das größte Volumen unter der Erde verschwinden. Die Museumsdidaktik würde in einem dreigeschossigen Anbau an der Metzlerstraße untergebracht, das einzige oberirdische Volumen im Park ein schmaler Glaspavillon sein, von dem sogar das Preisgericht schrieb, dass er in seinen Dimensionen vermutlich nicht ausreiche. Eine verschwindende Architektur war nicht zwingend, doch scheint es fast, als ob in der Jury die Angst vor den Wutbürgern regiert hätte. Wenige Tage vor ihrer Sitzung hatte eine Bürgerinitiative, die sich für die unbeschränkte Erhaltung des Parks einsetzt, eine Pressekonferenz anberaumt, von der sogar Auszüge im Fernsehen übertragen wurden. So wird jetzt weniger über die Architektur diskutiert denn über die Zahl der Bäume, die gefällt werden müssten. Nur ein paar, wie die Berliner bereits bei einigen Veranstaltungen betonten, oder eine ganze Menge, wie die Anwohner behaupten? Wieder einmal wurde kein Entwurf gekürt, der ungeteilten Beifall findet. Die erwähnte Frage beantwortete die Jury nicht. Denn die Antwort hätte womöglich zur entscheidenden Frage geführt, ob der Museumspark nicht vielleicht der falsche Standort für das Museum sei. Solche Zweifel aber blieben laut Protokoll ausgeklammert – auch am Ende.
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