Bauwelt

Von der Steinzeitsiedlung zum Plattenbau­gebiet

Prohlis-Schau in Dresden

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

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Bauarbeiten Prohliser-Allee
Foto: Heimat- und Palitzschmuseum Prohlis

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Bauarbeiten Prohliser-Allee

Foto: Heimat- und Palitzschmuseum Prohlis


Von der Steinzeitsiedlung zum Plattenbau­gebiet

Prohlis-Schau in Dresden

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

Die neue Dauerausstellung im Palitzsch-Museum stellt am Beispiel der Entstehung von Dresdens zweitgrößtem Plattenbaugebiet Prohlis anschaulich und ohne erhobenen Zeigefinger die enge Verflechtung von politischer Herrschaft und gesellschaftlicher Alltagspraxis dar.
„Der kleine Großblock-Baumeister“ war zu DDR-Zeiten ein gefragtes Kinderspielzeug. Mit dem Steckbaukasten, der in mehreren Typenreihen erhältlich war, ließen sich ganze Plattenbau-Siedlungen in HO-Größe bauen. Längst ist das Ost-Pendant zum Lego ein aufschlussreiches Zeitdokument. Es belegt zum einen die enge Verbindung des industriellen Wohnungsbaus mit dem Leben in der DDR, zum anderen aber auch die seinerzeit internationale Akzeptanz dieser Bauweise: Der „Großblock-Baumeister“ war ein erfolgreicher Exportartikel, seine Kartons und Bauanleitungen sind neben Deutsch auch in Russisch, Englisch und Französisch beschriftet.
Die museale Aufarbeitung der DDR-Geschichte beschränkt sich bis in unsere Tage weitestgehend auf (Stasi-)Gedenkstätten auf der einen und Ostalgie-Sammlungen auf der anderen Seite. Die neue Dauerausstellung im Dresdner Palitzsch-Museum dagegen stellt am Beispiel der Entstehung von Dresdens zweitgrößtem Plattenbaugebiet Prohlis anschaulich und ohne erhobenen Zeigefinger auch die enge Verflechtung von politischer Herrschaft und gesellschaftlicher Alltagspraxis dar. Die Schau kommt sowohl ohne romantische DDR-Verklärung als auch ohne das aktuell beliebte „Platte-Bashing“ aus. Sie wirft ei­nen unaufgeregten Blick auf den Alltag im Neubaugebiet, eingebettet in die wichtigen politischen und architektonischen Rahmenbedingungen.
Ein großformatiger Auszug aus dem „Wohnungsbauprogramm der DDR für die Jahre 1976 bis 1990“ erläutert die in der Honecker-Ära beschlossenen Maßnahmen zur Erhöhung des allgemeinen Lebensstandards mit dem klarem Ziel „der Erziehung zu einem sozialistischen Menschen“. Wohnraum war in der DDR Mangelware, die übliche Bearbeitungsdauer für einen Wohnraumantrag lag bei vier bis fünf Jahren. Durch die Neubaugebiete erhöhte sich der Wohnungsbestand und seine materielle Ausstattung, gleichzeitig aber wurden durch Vernachlässigung und zunehmenden Verfall auch immer mehr Altbauten unbewohnbar. Ausgestattet mit Fernheizung und fließend Heiß- und Kaltwasser, waren die sogenannten Vollkomfortwohnungen modern und bequem. Aus heutiger Sicht hat daher die Wohnungssuche und das Wohnen in den „Plattenbausiedlungen“ durchaus Symbolcharakter für das Leben in der DDR.
In der Gegend um Prohlis lässt sich eine 7000-jährige Besiedelungsgeschichte nachweisen. Spuren von Kreisgrabenanlagen aus der Jungsteinzeit sind bis heute erhalten. Die seit dem Mittelalter durchgängig vorhandenen dörflichen Strukturen wurden ab 1975 abgerissen und durch gut 10.000 neue Wohneinheiten in Plattenbauweise ersetzt. Das Heimat- und Palitzsch­museum befindet sich in dem einzigen noch vorhandenen Hof des alten Dorfkerns. Dieser blieb eher zufällig vom Abriss verschont: Er war während der kompletten Zeit der Großbaustelle Teil der Baustelleneinrichtung. Die Ausstellung veranschaulicht anhand von Modellen des Areals und des hier als städtebauliche Dominante eingesetzten Wohnhochhaus-Typs WHH 17 nicht nur die bauliche Entwicklung des Viertels, sondern zeigt mit den Interieurs einer Dreiraumwohnung der Plattenbauserie WBS 70 auch die in Prohlis (und vielen anderen Plattenbauvierteln der DDR) vorherrschende Ausstattung. Die übrigen Exponate ergänzen dies zu einem facettenreichen Bild: Eine selbstgebastelte Antenne ermöglichte den Empfang von Westsendern; eine Wohnraumzuweisung erfolgte nur aufgrund einer Schwangerschaftsbescheinigung, die auch schon mal fingiert wurde; auf einem Foto von 1979 hält ein Kind prüfend die Finger unter den Wasserhahn, weil es nach dem Umzug aus einem Altbau in der Dresdner Neustadt nicht glauben konnte, dass in der neuen Wohnung in Prohlis warmes Wasser aus der Leitung kommt. 

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