Wer stoppt Stephan Dorgerloh?
Editorial
Text: Ballhausen, Nils, Berlin
Wer stoppt Stephan Dorgerloh?
Editorial
Text: Ballhausen, Nils, Berlin
Die Reparatur eines Kriegsschadens ist glorreich abgeschlossen. Mit Präzision und Unschärfe. Der ehemalige Bauhaus-Direktor erklärt alles und klagt an. Und was passiert in Weimar und Berlin?
Die Pressekonferenz am 14. Mai, zwei Tage vor der feierlichen Eröffnung der neuen Meisterhäuser in Dessau, überrascht mich: Niemand auf dem Podium, schon gar nicht der sachsen-anhaltinische Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD), erwähnt den Namen Philipp Oswalt. Es scheint ihn als Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau nie gegeben zu haben. Alle im Raum wissen, was da in den letzten Monaten schiefgelaufen ist. Texte aus der Pressemappe werden vorgetragen, der Regen plätschert auf die filigranen Schwingflügel des Meisterhauses Feininger, keine weiteren Fragen. Eine beklemmende Situation. Als später die Sonne kurz herauskommt, steht der Minister, der auch Vorsitzender des Stiftungsrates ist, vor den Kameras, im Hintergrund die einzuweihenden Neubauten. Auf dem Gehweg taucht plötzlich der Ex-Direktor auf und dreht sofort wieder ab.
In dieser Bauwelt-Ausgabe kommt Philipp Oswalt ausführlich zu Wort. Er erläutert die Umstände, die zum Zwist mit Dorgerloh geführt haben (Seite 26). Manches kann selbst er nur vermuten. „Im Land spielte dem Minister in die Hände, dass die CDU schwer verstört war über die Studie Raumpioniere in ländlichen Regionen, welche die bisherige Praxis der Daseinsvorsorge im ländlichen Raum in Frage stellte. Gerade weil diese Studie der Stiftung ein relevantes Thema betraf und eine intensive Debatte entfaltete, war sie der Politik ein Gräuel“, meint Oswalt. In Magdeburg wird zu allen Vorwürfen geschwiegen. Auf eine inhaltliche Stellungnahme des Ministers, warum Oswalts Vertrag entgegen den Gepflogenheiten nicht verlängert wurde, wartet die Öffentlichkeit noch immer.
Der Bruch kam mit der Diskussion um das von Oswalt und der Stiftung geforderte Ausstellungsgebäude. Bei besagter Pressekonferenz versprach Minister Dorgerloh bereits vollmundig einen baldigen Architekturwettbewerb. Die Standortfrage hält er offenbar für abgeschlossen: Das Bauhaus-Museum soll im Dessauer Stadtpark stehen. Eine umfangreiche Machbarkeitsstudie der Stiftung Bauhaus, die uns vorliegt, kam 2012 jedoch zu dem Schluss, dass es sich dabei um den ungünstigsten und im Betrieb kostspieligsten Standort handelt. Anderthalb Kilometer entfernt vom Bauhausgebäude bedürfte es eines dauerhaften personellen und logistischen Mehraufwands, verglichen mit den anderen Vorschlägen. Auf Seite 14 stellen wir die evaluierten Standorte dar.
Der Minister und sein Stiftungsrat schlagen mit ihrem Votum für den Stadtpark diese Expertise in den Wind. Auch Laien sollten doch in der Lage sein, zu erkennen, dass das Museum an der Schnittstelle zwischen Bauhausgebäude, Meisterhaussiedlung und Wörlitzer Gartenreich am besten aufgehoben wäre. Die meisten Touristen kommen eben wegen dieser Welterbestätten nach Dessau, nicht wegen der Innenstadt. Ein Museumsbau im Stadtpark verschleiert die räumlich-historischen Zusammenhänge der „Bauhausstadt“ zugunsten eines zweifelhaften Stadtmarketings – eine kulturpolitische Rüpelei, die auch die Architektenschaft auf den Plan rufen muss. Das einzig Positive an dieser Affäre: Das Bauhaus wird, wie schon oft in seiner Geschichte, zu einem Politikum. Aber ist ein politisches Bauhaus heute überhaupt erwünscht?
Mit der Eröffnung der neuen Meisterhäuser ist ein wichtiger Abschnitt der Neuausrichtung der Stiftung Bauhaus glorreich abgeschlossen worden (Seite 18). Dank der feinsinnigen Architektur von Bruno Fioretti Marquez ist ein Ort entstanden, der ein vielschichtiges, auch widersprüchliches Bild erzeugt, an dem unterschiedliche Zeitebenen geschickt verknüpft sind und entschlüsselt werden wollen. Dazu sind gewisse Vorkenntnisse und intellektuelle Fähigkeiten nützlich. Beides darf man bei den Besuchern voraussetzen, die heute aus aller Welt ins Epizentrum der Klassischen Moderne kommen – nach Dessau.
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