BIGYard
Die größte Baugruppe Berlins
Text: Kleilein, Doris, Berlin
„BIGYard“ nennen zanderroth Architekten das für eine private Bauherrengemeinschaft um einen Gartenhof entwickelte Ensemble im Stadtteil Prenzlauer Berg: städtebaulich konsequent, typologisch einfallsreich und nicht zuletzt marktgerecht.
Die serielle, knapp 100 Meter lange Fassade, die den gründerzeitlichen Block bündig schließt, gibt wenig Auskunft über die typologische Vielfalt der Wohnanlage, wohl aber lässt sie ihre Effizienz erahnen: 23-mal Betonfertigteile, ein Schaufenster pro Geschoss, Lärchenholz für die Öffnungsflügel und die Sitzbank neben der Haustür. Dahinter: schmale Reihenhäuser, 3,65 und 4,20 Meter breit, über vier Geschosse im Split-Level organisiert. Man muss weit in die mittig auf das Ensemble zulaufende Stichstraße zurücktreten, um die zweite Zeile zu entdecken, ein ebenfalls die Breite des Grundstücks füllendes „Hinterhaus“, sechsgeschossig an eine mächtige Brandwand gebaut. Zwei Zeilen und ein Gemeinschaftshof: Mit diesem schnörkellosen Städtebau erreichen zanderroth Architekten eine GFZ von 2,74 und damit die Dichte der Berliner Mietskasernen um 1880 – und das mit Reihenhäusern und Maisonette-Wohnungen! Zum Vergleich: Das Berliner Extrembeispiel gründerzeitlicher Dichte, „Meyers Hof“ in der Ackerstraße 132, kam auf 3,0. „BIGYard“ erinnert an den auf „grundgebundene“ Typologien fixierten niederländischen Wohnungsbau der 1990er Jahre, offensiv angepasst an Berliner Verhältnisse: Auch mit einer 22 Meter hohen Brandwand im Rücken, den Blick einseitig nach Norden gerichtet, lässt es sich ausgezeichnet im Reihenhaus leben.
Fünfundvierzigmal Privatheit
Drei Haustypen sind in den beiden Zeilen verborgen, von denen streng genommen aber nur einer Bodenhaftung aufweist: das Reihenhaus an der Straße. Die dreigeschossigen „Gartenhäuser“ hingegen werden über den Gemeinschaftshof erschlossen, der durch die Tiefgarage ein Geschoss nach oben gehoben wurde, um ein wenig Sonnenlicht zu bekommen. Die ebenfalls dreigeschossigen „Penthouses“ erreicht man über Aufzüge aus der Tiefgarage, zwei Treppenhäuser und einen fensterlosen Gang an der Brandwand. Fünfundvierzig mal Einfamilienhaus-Gefühl auf engstem Raum, das hat seinen Preis: Zu der komplexen Erschließung im Hinterhaus kommen die zahlreichen Treppen, mit denen die Eigentümer ihre private Vertikale erklimmen.
Von der gemeinschaftlichen Dachterrasse aus betrachtet, gibt die Eigentumswohnanlage ein schaurig-schönes Bild ab: Im langgestreckten Hof, von herrburg Landschaftsarchitekten naturnah mit Baumhaus, Wasserstelle und Wegen aus Steinplatten gestaltet, wuseln die Kleinkinder; auf den 23 oberen Dachterrassen des Vorderhauses sind 23 mal 16 Quadratmeter Rollrasen ausgelegt, der liebevoll individuell bewässert wird. Die Moderne im gründerzeitlichen Passepartout, oder, wie es die Architekten selbst beschreiben, die „verdichtete Umsetzung des Traums vom Einfamilienhaus mitten in der Großstadt“.
Um es vorwegzunehmen: Bislang hielt ich das „Townhouse“ nicht gerade für eine die Berliner Innenstadt bereichernde Typologie. Doch so beherrscht, wie zanderroth Architekten das Townhouse einsetzen – ohne Privatgarten, ohne individuelle Attribute nach Außen, ohne den zur Schau gestellten Anspruch auf Exklusivität – bekommt es ein städtisches, ein unprätentiöses Gesicht. Und es überzeugt schließlich durch das erstaunliche, für jeden Haustyp spezifisch formulierte Raumangebot im Inneren: Bei den Straßenhäusern ist es das Wohnen auf sechs Ebenen mit zwei Dachterrassen und der durchgesteckte, 4,20 Meter hohe Wohn-Küchenbereich mit Zugang zum Hof; bei den geräumigen Gartenhäusern gleich zwei doppelt hohe Wohnräume (im EG und, überraschenderweise, im 3. OG), die für die fehlende Sonne entschädigen; bei den Penthouses der weite Blick und der direkte Zugang zu der Gemeinschaftsterrasse über den geschützten „japanischen“ Privathof an der Brandwand. Entstanden ist ein in sich geschlossenes urbanes Dorf, in dem auch beim Außenraum kein Quadratzentimeter dem Zufall überlassen ist: Zur Aushandlung des intensiven sozialen Miteinander geben die Architekten gestalterische Hilfestellungen wie die 1,80 Meter hohen Brüstungen der privaten Terrassen und die großen Pflanzkübel, die auf dem Hinterhaus die Gemeinschafts- von den Privatflächen trennen.
Kontrollierte Individualität
Wie auch schon in ihren vorangegangenen Projekten (Bau-welt 39–40.2008) haben die Architekten die Einzeleigentümer durch ein stringentes Management gebändigt: Die 72 Mitglieder der Baugruppe unterschrieben den Gesellschaftsvertrag inklusive Kostenschätzung, der das Bauen detailliert regelt: Über Kubatur, Fassade, Erschließung und Außenräume entscheiden die Architekten, über die Oberflächen im Inneren und die Zimmeraufteilung die jeweiligen Eigentümer. Zur Wirtschaftlichkeit tragen Setzungen wie die quer gestellten Treppen aus Betonfertigteilen bei, für die Variationen auf die Treppengeländer angeboten werden: geschlossene Wangen oder gar keine, gerade oder schräge Stahlstäbe. Ein Besuch in verschiedenen Wohnungen zeigt, dass dieser stabile Rahmen genügend Freiheit für die individuellen Wünsche lässt.
Die Größe der Baugruppe Zelterstraße ist in Berlin bislang unerreicht und verdeutlicht die Wirtschaftskraft dieser Bauform und ihrer Klientel: Der Beirat von „BIGYard“, gebildet aus 12 Vertretern der Eigentümer, verfügte über eine gemeinsame Bausumme von gut acht Millionen Euro netto. Davon wurden auch die Sommerküche, die Sauna, die Gästewohnungen, die Hofgestaltung und die Dachterrasse finanziert, die nach langen Verhandlungen mit Bezirk und Senat genehmigt wurde. Die Quadratmeterpreise sind gestaffelt und liegen unter dem Marktpreis: Sie beginnen zwischen 1550 und 1700 Euro für die Gartenhäuser und steigen bis auf 2300 Euro. Für 330.000 Euro konnte entweder ein Vorderhaus (116 Quadratmeter) oder ein Gartenhaus (160 Quadratmeter) inklusive Grundstück erworben werden. Für die Verhältnisse in Berlin-Prenzlauer Berg sind das inzwischen Schnäppchen, über den Werterhalt seines Hauses muss sich hier niemand Gedanken machen. Eingezogen ist, man braucht es kaum noch zu erwähnen, die „Mittelschicht“.
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