Bauaufgabe Moschee
Text: İlk, Çağla, Berlin; Pressel, Dietrich, Siegen; Schwalbach, Gerrit, Siegen
Etwa 200 Moscheen und 2600 muslimische Gebetshäuser gibt es in Deutschland, über hundert weitere Moscheen sind in Planung. Die „Kocatepe Camii“ (Kocatepe-Moschee) in Moers ist einer der wenigen Neubauten eines muslimischen Gemeindezentrums, dem ein Architektenwettbewerb vorangegangen ist.
Wie die Stadt Moers bei der Eröffnung 2009 mitteilte, ist „keine alberne Miniversion der Hagia Sophia, sondern ein stolzer selbstbewusster Neubau in zeitgemäßer Architektursprache“ entstanden und somit ein „Beispiel für bauliche Integration“. Bauherren, Architekten, Anwohner, Stadtverwaltung – alle zufrieden? Die zwanzig Jahre währende Entstehungsgeschichte ist von erheblichen Widerständen gekennzeichnet. Welche baukulturellen Praktiken trafen aufeinander?
Moers liegt am Rand des Ruhrgebiets in der Nähe von Duisburg. 2001 wurde die letzte Zeche in der vormals vom Bergbau geprägten Stadt stillgelegt. Von den 100.000 Einwohnern hat rund ein Viertel einen Migrationshintergrund. Das Grundstück der Türkisch-Islamischen Gemeinde im Stadtteil Hochstraß war bis 1990 mit einer Schreinerei bebaut, deren leerstehende Gebäude die Gemeinde über mehrere Jahre als Gebetsraum genutzt hatte. Der Raumbedarf für die Jugendarbeit machte Erweiterungen notwendig und gab den Anstoß für den Moscheeneubau. Die Gemeinde sammelte Spenden und beauftragte den Duisburger Architekten Karl-Heinz Gomilsek mit der Planung. Der Gestaltungsbeirat der Stadt Moers beurteilte den Entwurf als unzureichend und empfahl eine Mehrfachbeauftragung als konkurrierendes Verfahren. Die Gemeinde folgte dem Vorschlag und favorisierte nach intensiver Diskussion den Beitrag der Kölner Architekten Lorber + Paul, der das traditionelle Formenrepertoire von Moscheebauten abstrahiert und sich zugleich den Bedürfnissen der Gemeinde anpasst: „Durch die Anordnung mehrerer Eingänge im Erdgeschoss“, so die Architekten, „ist es möglich, auf die verschiedenen Anwesenheitsverhältnisse von Männern und Frauen zu reagieren.“
Zunächst war das Vorhaben aus Sicht des Bauordnungsamtes nach § 34 Baugesetzbuch genehmigungsfähig. Im Zuge der Realisierung begann allerdings eine langwierige Auseinandersetzung mit den Anwohnern, die sich, wie vielerorts, in einer Bürgerinitiative organisiert hatten und das Projekt in der Folgezeit immer wieder gefährdeten. Man befürchte, so die Initiative, eine Wertminderung der privaten Immobilien im Umfeld der Moschee, eine Überbeanspruchung des öffentlichen Parkraums und Lärm durch Besucherströme. Zudem würde die Einrichtung nicht vorrangig von den direkten Anwohnern, sondern von Gemeindemitgliedern aus dem benachbarten Stadtteil Meerbeck genutzt werden. Wegen fehlendem Ortsbezug sei der geplante Neubau ein Fremdkörper am Rande der Wohnsiedlung.
Auch ein Moderationsverfahren konnte keine Schlichtung herbeiführen. Trotz Anpassungen des Entwurfs (Neuordnung von Stellplätzen, Berücksichtigung von Abstandsflächen bei der Schallschutzwand) wurde die Genehmigungsfähigkeit gerichtlich infrage gestellt und die Gegner konnten mehrere Baustopps erzwingen. Nach juristischen Auseinandersetzungen in mehreren Instanzen entschied das Oberverwaltungsgericht Münster schließlich, dass der Bereich des Grundstücks der Kocatepe Camii den Charakter eines „Allgemeinen Wohngebiets“ hat, sodass Bau und Betrieb einer Moschee zulässig sind. Diese Entscheidung bekräftigte letztendlich auch, dass Moscheen (in Anlehnung an den § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO) als „Anlagen für kirchliche, kulturelle oder soziale Zwecke“ zu werten sind.
Im Planungs- und Bauablauf kam es zu weiteren Verzögerungen. Die Gemeinde entschied, die Architekten nach der Genehmigungsplanung nicht mehr zu beteiligen, da der Rohbau aus Kostengründen von einem Generalunternehmer erstellt werden sollte. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass sich der Bau der Moschee allein aus privaten Spenden finanzierte und Gemeindeangehörige für den Kredit bürgten. Um weitere Kosten zu sparen, aber auch, um eigene ästhetische Vorstellungen umzusetzen, führte die Gemeinde Teile der Inneneinrichtung in Eigenleistung aus, mitunter ohne genaue Abstimmung mit den Architekten. Bauliche Merkmale aus dem Herkunftsland sollten sich in „ihrer“ Moschee wiederfinden. So wurden die ornamentalen Fliesen für Kürsü (Kanzel links neben der Gebetsnische) und Minber (erhöhtes Podest für die Predigt rechts von der Gebetsnische) von Gemeindemitgliedern aus der Türkei nach Deutschland gebracht und verbaut. Ähnlich verfuhr man beim Minarett, das als Stahlkonstruktion genehmigt worden war, aber ohne Rücksprache mit den Architekten als Betonkonstruktion ausgeführt wurde.
Das Beispiel zeigt, welch große Herausforderung der Neubau einer Moschee in der Einwanderungsgesellschaft Deutschland trotz politischer Unterstützung und Moderation sein kann. Wenn eine erfolgreiche Arbeitsbeziehung entstehen soll, müssen sich die Architekten auf die spezifischen ästhetischen und kommunikativen Vorstellungen dieser „neuen“ Bauherren einstellen. Gleichzeitig müssen die Auftraggeber mit professionellen Planern aus einer anderen Baukultur zurecht kommen.
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