Verkehrsmuseum
Zickzack am Riverside
Text: Spix, Sebastian, Berlin
Inmitten eines städtebaulichen Entwicklungsgebiets in Glasgow hat Zaha Hadid ein gebogenes Musem gebaut, das die postindustrielle Brache aufwerten und mit der Innenstadt verknüpfen soll.
Im Westen von Glasgow, auf dem ehemaligen Werftareal „Pointhouse Place“, befindet sich das neue Riverside Museum of Transport. Begrenzt von den beiden Flüssen Kelvin und Clyde, liegt das Grundstück in einer Umgebung, für die eine städtebauliche Neuplanung vorgesehen ist.
Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, als die Clyde-Raddampfer am Kai anlegten und das gesamte Areal Landschaftsmalern als pittoreske Kulisse diente, wurden dort Schiffe gebaut. 1962 wurde die Werft am Pointhouse geschlossen und verkam zur postindustriellen Brache.
Zur Revitalisierung des 13 Meilen langen Clyde-Ufers zwischen Glasgows Innenstadt und der nordwestlich gelegenen Kleinstadt Dumbarton startete die Schottische Regierung 2003 das Entwicklungskonzept „Clyde Waterfront“ mit dem Masterplan „Glasgow Harbour“. Auf einer Fläche von 130 Hektar soll für 1,2 Milliarden Pfund bis 2015 eine neues Wohn-, Büro- und Freizeitquartier entstehen und das brachliegende Hafenareal mit der Innenstadt verbinden. Mit Blick auf diese Zielsetzung soll das Verkehrsmuseum die nötige Öffentlichkeit generieren.
Die Glasgow Harbour Gesellschaft schenkte der Stadt das 22.400 Quadratmeter große Pointhouse-Gelände. Nach einer europaweiten Ausschreibung im Jahr 2004 wurden acht Büros eingeladen, Konzepte für ein neues Verkehrsmuseum einzureichen. Der bisherige Standort der Institution, die im Stadtzentrum gelegene Kelvin Hall, bot viel zu wenig Fläche für die umfangreiche Sammlung. Die Aufgabe bestand darin, inmitten eines neuen Mischgebiets ein Museum „als kulturellen Motor“ am Ufer des Clydes zu entwerfen. Aus den eingereichten Entwürfen – u.a. von Daniel Libeskind, Richard Rogers, Will Alsop und Norman Foster – ging Zaha Hadids Vorschlag siegreich hervor. Am 21. Juni ist das neue Museum eröffnet worden.
Zickzack und Mäander
Der energisch geschwungene Bau liegt auf einem asymetrischen Grundstück, an dessen westlicher Seite der Kelvin in den Clyde mündet. Jeweils zwei hohe Eingangsportale öffnen das Gebäude im Norden in Richtung Pointhouse Road, im Süden in Richtung Clyde. Die mit dunklem Glas versehenen Eingangsseiten türmen sich vor dem Besucher förmlich auf. Die gezackten Konturen der Giebelseiten, die eine Abfolge von Satteldächern nachzuzeichnen scheinen, lassen an den Wellenschlag des Flusses denken. Diese „Dächer“ erstrecken sich linear extrudiert über den gesamten Gebäudekörper, der sich in Richtung Stadtzentrum krümmt und an den Stirnseiten wie abgeschnitten wirkt.
Die aufwendige Stahlskelettkonstruktion, die mit vor Ort zugeschnittenen grauen Zinkpaneelen bedeckt ist, erinnert aus der Entfernung an die Lagerhalle einer Schiffswerft und damit an die Geschichte des Ortes. Ob dieser Eindruck nach der Umsetzung des Bebauungsplans erhalten bleibt, ist allerdings fraglich. Der Plan sieht Neubauten an beiden Seiten des Museums vor, so dass es nur noch vom gegenüberliegenden Flussufer und vom Wasser aus in ganzer Dimension zu erfassen sein wird. Flaneuren am Ufer und Besuchern öffnet sich der gebogene Museumsbau dann nur noch mit seinen dunklen, zackigen Eingangsseiten.
2500 Tonnen Stahl
Um eine stützenfreie Ausstellungsfläche zu realisieren, entwickelten die Ingenieure vom Londoner Büro Happold eine 2500 Tonnen schwere Stahlrahmenkonstruktion, deren einzelne Elemente gleich stark belastet werden. Druck- und Zugkräfte werden von den Firstpfetten und Kehlbalken aufgenommen, während die Diagonalen für die nötige Biegesteifheit sorgen. Schräge Ebenen, welche unter der Belastung zu beulen drohten, sind durch I-Profilträger verstärkt, die wiederum der Zickzack-Form des Dachs angepasst sind und sich bis zum Boden der Ausstellungsfläche fortsetzen. Durch diese zusätzliche Aussteifung wird das Dach in zwei Richtungen gespannt. Die größte Spannweite – von der Südfassade bis zur ersten Krümmung des Gebäudes – beträgt ca. 80 Meter.
Die Dachkonstruktion über der Ausstellungshalle wird von den Stahlpfosten der Nord- und Südportale und den konkaven und konvexen Wandfächen, die sich durch die Gebäudefaltung bzw. den Richtungswechsel des Gebäudes ergeben und den Ausstellungsraum begrenzen, getragen. Auf diese Wände werden die Lasten des Dachtragwerks übertragen, so dass eine zusätzliche Steifheit in Querrichtung erreicht wird – Stützen im Innenraum sind nicht notwendig.
Pistaziengrüner Tunnel
Betritt man das Museum von Norden, findet man sich in einem tunnelartigen Raum wieder, der sich durch den gesamten Baukörper bis zur Südfassade erstreckt. Die Decken und Wände des Tunnels sind analog zur äußeren Zinkhaut homogen gestaltet. Glasfaserverstärkte Gipsplatten, die als Einzelelemente angefertigt wurden, verkleiden die Stahlkonstruktion der Wände und Decken. Sie erhielten durch nachträgliches Verputzen eine glatte Oberfläche und spiegeln die geschwungene Dynamik der Außenhaut.
Befremdend ist die Farbe. Der Bauherr wollte seine Exponate in den 60 Millionen Pfund teuren Neubau nicht in einem „White Cube“ ausstellen. Die Farbe Rot weckt zuviel Assoziationen zum ungeliebten Nachbarn England, Blau und Grün sind die Farben der ortsansässigen Fussballclubs, Celtic und Rangers, Gelb wurde wegen der Nähe zu englischen Krone ausgeschlossen. Man einigte sich nach zähen Beratungen, die sich zu den kompliziertesten im gesamten Bauverlauf entwickelten, auf ein Lemongreen. Das erinnert mehr an einen OP-Saal als an einen Schauraum.
Auf seitlich an der Wand angebrachten Regalen, in riesigen Glasvitrinen, an einer von der Decke hängenden Stahlspirale oder frei im Raum positioniert, verteilen sich circa 3000 Exponate aus 300 Jahren schottischer Verkehrsgeschichte auf 6600 Quadratmetern Ausstellungsfläche. Es finden sich Schiffsmodelle, Straßenbahnen, Busse, Autos, Skateboards, Kinderwagen, U-Bahn-Wagons, drei komplett nachgebaute Straßenkulissen, die 22,5 Meter lange „South African Railways Locomotive 3007“ und eine Lambretta von Alex Kaprano, dem Frontmann der Glasgower Band Franz Ferdinand.
Welches Ordnungssystem der Schau zugrunde liegt, wird aber nicht deutlich. So wirken die Exponate wie ein lieblos hingewürfelter Haufen Spielzeugautos, verstellen dem Besucher die Wege und schmälern die konzeptionelle Stringenz des Baus deutlich. Der Grund dafür könnte sein, dass die Architektin nur wenige Hauptaustellungsstücke in ihrem Entwurf berücksichtigen sollte. Für das Ausstellungskonzept waren die Designer von „Event Communications“ verantwortlich. Im Laufe der Planungen musste Hadid ihren Entwurf an deren Konzept anpassen. Orientierung erhält der Besucher einzig durch die gefaltete Decke, deren stromlinienförmige Unterseite mitsamt der in die Verkleidung eingelassenen Neonröhren ihn durch das Museum leitet.
Ingenieurkunst anstatt Bilbao-Effekt
Einen „Bilbao-Effekt“ wollte die Stadt, in der die drittälteste U-Bahn der Welt fährt und Charles Rennie Mackintosh sein Atelier hatte, mit dem Bau des neuen „Museum of Transport“ vermeiden. Sie hat mit dem ersten öffentlichen Gebäude Hadids auf britischen Boden eher ein repräsentatives Ingenieurkunstwerk bekommen. Stolz und in gewohnt britischer Höflichkeit bedankte sich der Bürgermeister in der Eröffnungs- zeremonie seines zukünftigen „Powerhouse for Scotland’s art“ gleich dreimal bei der Wahl-Engländerin: „I wonna thank you ma’am“.
x
Bauwelt Newsletter
Immer freitags erscheint der Bauwelt-Newsletter mit dem Wichtigsten der Woche: Lesen Sie, worum es in der neuen Ausgabe geht. Außerdem:
- » aktuelle Stellenangebote
- » exklusive Online-Beiträge, Interviews und Bildstrecken
- » Wettbewerbsauslobungen
- » Termine
- » Der Newsletter ist selbstverständlich kostenlos und jederzeit wieder kündbar.
Beispiele, Hinweise: Datenschutz, Analyse, Widerruf
0 Kommentare