Bauwelt

Büro- und Empfangsgebäude in Lübeck


Neue Visitenkarte eines Traditionsunternehmens: Für das Büro- und Empfangsgebäude, das Max Dudler am Stammsitz der Lübecker Firma Dräger baute, hat er sich einer Reihe „typisch norddeutscher“ Gestaltungsmittel bedient – aber etwas unverkennbar Neues daraus gemacht


Text: Friedrich, Jan, Berlin


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    Durch den Abriss eines 70er-Jahre-Bürohauses neben dem Neubau ist ein öffentlicher Vorplatz für das Werksgelände entstanden (auf dem Foto noch im Bau)
    Foto: Stefan Müller

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    Durch den Abriss eines 70er-Jahre-Bürohauses neben dem Neubau ist ein öffentlicher Vorplatz für das Werksgelände entstanden (auf dem Foto noch im Bau)

    Foto: Stefan Müller

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    Die Ziegelverkleidung der Betonstützen wurde vor Ort gemauert, die Geschossdecken-Verblendungen sind Fertigteile
    Foto: Stefan Müller

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    Die Ziegelverkleidung der Betonstützen wurde vor Ort gemauert, die Geschossdecken-Verblendungen sind Fertigteile

    Foto: Stefan Müller

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    Das zweigeschossige Foyer des Neubaus, zentraler Empfang für Besucher der Firma
    Foto: Stefan Müller

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    Das zweigeschossige Foyer des Neubaus, zentraler Empfang für Besucher der Firma

    Foto: Stefan Müller

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    Die Fenster – eine Closed Cavity Fassade von Gartner – spannen rahmenlos von Pfeiler zu Pfeiler, selbst die geknickten Scheiben in den obersten Geschossen sind rahmenlos gestoßen. Das bedeutet aber auch, dass es nirgendwo in den Büros öffenbare Fenster gibt
    Foto: Stefan Müller

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    Die Fenster – eine Closed Cavity Fassade von Gartner – spannen rahmenlos von Pfeiler zu Pfeiler, selbst die geknickten Scheiben in den obersten Geschossen sind rahmenlos gestoßen. Das bedeutet aber auch, dass es nirgendwo in den Büros öffenbare Fenster gibt

    Foto: Stefan Müller

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    Mehr als hundert Jahre gebauter Firmengeschichte versammeln sich um den neuen Vorplatz, vorne rechts das Dräger-„Stammhaus“ (um 1900)
    Foto: Stefan Müller

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    Mehr als hundert Jahre gebauter Firmengeschichte versammeln sich um den neuen Vorplatz, vorne rechts das Dräger-„Stammhaus“ (um 1900)

    Foto: Stefan Müller

Es scheint Kombinationen von Bauherr, Architekt und Bauaufgabe und zu geben – die sind wie füreinander geschaffen. Das neue Empfangsgebäude, das Max Dudler für die Lübecker Firma Dräger gebaut hat, legt diesen Gedanken nahe.
Der Bauherr: ein 1889 gegründetes Familienunternehmen, das in fünfter Generation besteht und sich in den vergangenen 126 Jahren zu einem börsennotierten Konzern der Medizin- und Sicherheitstechnik entwickelt hat, in über 190 Ländern vertreten ist und in etlichen davon Vertriebs- und Servicegesellschaften sowie eigene Entwicklungs- und Produktionsstätten betreibt. Dräger produziert Beatmungsgeräte, Anästhesiearbeitsplätze, Brutkästen für Frühgeborene, Atemschutzausrüstungen etwa für den Bergbau oder die Feuerwehr, Tauchtechnik und vieles mehr. All diese Dinge sind im Grunde Weiterentwicklungen einer Erfindung von Unternehmensgründer Johann Heinrich Dräger. Der gelernte Uhrmacher war unzufrieden mit den Bierdruckautomaten, die es seinerzeit gab, er tüftelte so lange, bis er den ersten zuverlässigen Kohlensäure-Druckminderer entwickelt hatte – eine Gründungsgeschichte, wie sie typisch ist für ein Traditionsunternehmen.
„Unsere Herkunft ist gleichzeitig unsere Zukunft“, schreibt der aktuelle Vorstandsvorsitzende Stefan Dräger auf der Website des Unternehmens über das Selbstverständnis der Firma. Das lässt sich hervorragend in Einklang bringen mit dem, was Max Dudler als Philosophie seines Büros anführt: „Kontinuität und Transformation sind Schlüsselthemen unserer Architektur. In der Architektur der Geschichte finden wir die Ausgangspunkte für ihre Weiterentwicklung, ihre Zukunft.“ Wer Dudlers Arbeit kennt weiß: Sein Umgang mit traditionellen Architekturprinzipien ist keinesfalls zu verwechseln mit dem einiger Kollegen, die sich ebenfalls auf Kontinuität berufen, für die aber die Architektur der Geschichte schon die der Zukunft ist – ohne Weiterentwicklung.
Schließlich die Bauaufgabe, in der die Firmenphilosophie des Bauherrn und die Architekturauffassung des Architekten sich so überzeugend treffen: Am Haupteingang des Stammwerks von Dräger in der Moislinger Allee im Lübecker Stadtteil St. Lorenz sollte eine neue „Visitenkarte“ der Firma entstehen, ein Bürohaus, das Raum unter anderem für die Geschäftsleitung und die Personalabteilung bietet und gleichzeitig als zentraler Empfang für Besucher des Werkes dient. Platz fand sich in erster Reihe an der Straße auf einem Grundstück, das bislang als Parkplatz genutzt wurde. Ein Bürogebäude aus den siebziger Jahren neben dem Neubau wurde nach dessen Fertigstellung abgerissen, so dass ein öffentlich zugänglicher Vorplatz für das neue Empfangsgebäude und für das gesamte Werksgelände entstanden ist.
Dass sich in einem Haus „das Traditionsbewusstsein einer Firma und gleichzeitig ihre Zukunftsgewandtheit widerspiegeln“, derartiges liest man häufig in Pressetexten. Meist sind das leere Marketing-Phrasen. Hier jedoch ist genau so etwas tatsächlich gelungen. Mit der Wahl des Materials – Wasserstrichziegel – nimmt Dudler vielfältige Bezüge auf: typisch norddeutsch, typisch Lübeck, typisch auch für das Werksgelände von Dräger, auf dem sich in den letzten hundert Jahren ein regelrechtes Freilichtmuseum der Industriearchitektur zusammengefunden hat, darunter zahlreiche Ziegelbauten. Indem Dudler die Fassadenstruktur des Empfangsgebäudes aus Ziegelpfeilern bildet, die nach vorne spitz zulaufen, bezieht er sich explizit auf eine norddeutsche Tradition, auf den Backsteinexpressionismus der 1920er Jahre. Die etwa quadratischen Fas-sadenfelder zwischen Pfeilern und Geschossdecken behandelt er indes völlig anders, als die Architekten jener Zeit (es konnten): Er „füllt“ sie komplett mit rahmenlosen Glasflächen. Bei allen Bildern von Tradiertem, die er aufruft, lässt Dudler mit der Reduktion der Ziegelflächen auf ein schlankes Gitterraster keine Zweifel daran, dass es sich um ein zeitgenössisches Haus handelt.
Selbstverständlich steckt in dem neuen Empfangsgebäude nicht nur Ortstypisches, sondern auch Dudler-Typisches: die gerasterte Fassade zuvorderst. Mit dem Raster geht er hier aber weit weniger streng um (es ist weniger „durchgemetert“, würden Kritiker seiner Architektur sagen), als man es von ihm schon gesehen hat. Das hat auch mit der städtebaulichen Situation zu tun, die Dudler geschickt nutzt, um Unterschiede herauszuarbeiten. Im Norden schließt das Empfangsgebäude an ein Haus aus den achtziger Jahren an, führt dort mit sechs Geschossen dessen Höhe fort, während der Kopf des Neubaus, der sich zum neuen Vorplatz im Süden orientiert, mit acht Geschossen als eine Art Turm ausgebildet ist. Um dessen Höhe zu betonen, sind straßenseitig im sechsten Geschoss zwei Rasterbreiten als Dachterrasse „ausgeklingt“. Zum neuen Vorplatz hin tritt die Fassade in den unteren beiden Geschossen um ein Raster zurück und macht so Platz für eine Kolonnade, die das dahinterliegen-de zweigeschossige Foyer außen abbildet. In den oberen beiden Geschossen des Turms schließlich sind die Glasscheiben leicht geknickt, im obersten ein bisschen stärker als in dem darunter. Mit der „Krone“, die auf diese Weise entsteht, lässt Dudler noch einmal – ziemlich raffiniert, muss man sagen – ein Prinzip des Backsteinexpressionismus anklingen.
Ja, es gibt Kombinationen von Bauherr, Bauaufgabe und Architekt, die wie füreinander geschaffen sind. Und die einen Architekten offensichtlich zu Hochform auflaufen lassen.



Fakten
Architekten Dudler, Max, Berlin
Adresse Moislinger Allee 53 23558 Lübeck ,23558 Lübeck


aus Bauwelt 4.2016
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