Bauwelt

Bundesamt für der Sport


Sockel mit Solitär


Text: Gabler, Christiane, Basel


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    Foto: Yves André

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Das Bundesamt für Sport bedurfte der Erneuerung. Spaceshop Architekten wollten die ursprünglich offene Raumstruktur zurückgewinnen, die im Lauf der Zeit von Einbauten verstellt worden war, und möglichst viel raumprägende Ausstattungselemente erhalten. Mit neuen Verbindungen gelang es, die Architektur von Max Schlup fortzuschreiben.
Der Schweizer Jura bildet zum Mittelland hin eine kilometerlange, imposante steile Hangkante. Hier, am Jurasüdfuß, direkt am „Röstigraben“, zwischen der deutsch- und der französischsprachigen Westschweiz, befindet sich die beschauliche Stadt Biel an dem nach ihr benannten See. Oberhalb der Stadt, auf den Juraterrassen, liegt Magglingen, nahe der berühmten Twannbachschlucht aus der Dürrenmatt-Erzählung „Der Richter und sein Henker“. Der ehemalige Luftkurort mit seinem weithin sichtbaren Grand Hotel ist seit 1887 mit Biel durch eine Standseilbahn verbunden. In eben diesem Hotel wurde 1944 das BASPO, das Bundesamt für Sport, als Eidgenössische Turn- und Sportschule gegründet. Aus einem 1945 ausgelobten Wettbewerb entstand ein Masterplan, der eine weitläufige Verteilung der geplanten Neubauten und Plätze auf den Juraterrassen von Magglingen vorsah. Die harmonische Einbettung in die Landschaft prägte die in dieser ersten Bauphase entstandenen Gebäude und Außenanlagen.
Die zweite Bauphase auf dem Gelände in den siebziger Jahren prägte der bedeutende Bieler Architekt Max Schlup. Er bildete gemeinsam mit den Architekten Fritz Haller, Franz Füeg, Alfons Barth und Hans Zaugg die sogenannte „Solothurner Schule“. Diese stand vor allem unter dem Einfluss der US-amerikanisch geprägten Moderne und ihrer Konstruktionsmethoden – vor allem dem Prinzip der Vorfertigung und dem Bauen in Stahl. Das Hauptgebäude des BASPO, 1970 in direkter Nachbarschaft zum Grand Hotel entstanden, galt bei seiner Fertigstellung als überzeugendes Bespiel dieser Architektur und erhielt Aufmerksamkeit auch über die Schweiz hinaus. Max Schlup errichtete auf dem Gelände des BASPO ebenfalls die Großsporthalle „End der Welt“ (1976) und die Jubiläumsturnhalle (1982).
Das Bauvolumen des Hauptgebäudes war mehr als doppelt so groß wie das des prominenten Grand Hotel. Um die solitäre Wirkung dieses bekannten Gebäudes in der Landschaft zu erhalten, teilte Schlup das Raumprogramm des BASPO-Neubaus. Den größeren Teil brachte er in dem rückseitig ge­gen den Hang gebauten Sockelbau unter; dessen enorme Dachfläche inszenierte er als großartige, öffentlich zugängliche Terrasse auf dem Erdgeschossniveau des Hotels mit Blick auf die Seenlandschaft und die dahinterliegenden Alpen. Auf der Terrasse steht das zweite Bauvolumen, ein eleganter, wohlpro­portionierter dreigeschossiger Solitär, der gemeinsam mit dem Hotel und dem rückwärtig aufsteigenden Wald den Rahmen für das grandiose Panorama bietet.
Bereits das ursprüngliche Raumprogramm war eine Art „Gemischtwarenladen“, umfangreich und sehr komplex. Oberhalb der Terrasse befinden sich eine zweigeschossige Aula und die Bibliothek mit Leseräumen. Eine großzügige offene Treppenanlage führt von der Eingangshalle in die in den Sockel­geschossen liegenden Büros, die Lehr- und Hörsäle und die Medienstudios. Auch ein 25-Meter-Schwimmbecken mit Garderobe und Sauna wurde realisiert. Grundmodul des Hauses ist ein strenges Raster von 1,20x1,20 Metern. Breitflanschträger als Stützen und Stahlfachwerkträger in der Hohldeckenebene bilden das großmaßstäbliche Tragraster von 7,20x 14,40 Metern, das eine hohe Flexibilität der Grundrissgestaltung ermöglichte.
Unkenntliches sichtbar machen
Heute sorgt das BASPO für die Entwicklung und Mitgestaltung der Schweizer Sportpolitik. Es ist hauptsächlich ein Ausbildungs-, Kurs- und Trainingszentrum, welches neben der Hochschule auch Vereinen und Schulen zur Verfügung steht. Diese Neuausrichtung ging mit einer dritten Phase der Bautätigkeit Ende der neunziger Jahre einher. Sie begann mit der Sanierung und Erweiterung des Grand Hotel, in deren Zuge neue Unterkunfts- und Direktionsräume geschaffen wurden. Die Sanierung des Hauptgebäudes bildet den vorläufigen Abschluss dieser Phase.
Die Qualitäten des Gebäudes waren zu Beginn der Arbeiten nicht mehr ohne weiteres sicht- und spürbar. Seine großen, flexibel nutzbaren Flächen hatten sich über die Jahre zwar bewährt, im Laufe der Zeit aber waren aus lichten Hallen dunkle Korridore geworden, immer neue Einbauten hatten die Orientierung im Haus erschwert. Der Kontakt zum Außenraum, ursprünglich eine hervorstechende Qualität des Hauses, war immer mehr eingeschränkt worden. Abnutzung und der Verschleiß der Oberflächen sowie bauphysikalische Schwächen ließen den Wunsch des Nutzers nach mehr Komfort und Behaglichkeit entstehen.
Einem Neubau stand allerdings der Eintrag im Inventar der kantonalen Denkmalpflege im Wege. Den zur Sanierung des Hauptgebäudes im Jahr 2002 ausgelobten Wettbewerb gewann das Bieler Architekturbüro Spaceshop Architekten.
Doch erst 2007 wurden sie mit der Sanierung beauftragt, sodass nach rund eineinhalb Jahren Planungszeit 2008 mit der Umsetzung ihrer Vorschläge begonnen werden konnte. In der Zwischenzeit erstellten die Architekten eine umfassende Zustandsanalyse des Bestands.
Neben der dringend notwendigen energetischen Sanierung der Gebäudehülle stand für die Bauherrschaft die Modernisierung der Haustechnik und die Überprüfung der Erfordernisse für Brandschutz und Sicherheit im Vordergrund. Für die Architekten lag der Fokus noch auf zwei weiteren Prämissen: Sie wollten die offene Raumstruktur wiederbeleben, die das Gebäude ursprünglich ausgezeichnet hatte, und dabei mit der Substanz schonend umgehen. Möglichst viele Originalbauteile sollten wieder verwendet oder angepasst werden.
Brandschutz rettet Raumkonzept
Der konstruktive Stahlbau prägt die Struktur im Inneren des Hauses. Dessen Stützen mit ihrer dunkelbraunen, fast schwarzen Oberfläche rhythmisieren den Raum. Nach heutigen Vorschriften müssten ihre eleganten Profile eigentlich hinter ei­ner Brandschutzverkleidung verschwinden. Dies konnte durch ein alternatives Brandschutzkonzept verhindert werden, das gemeinsam mit den Behörden entwickelt wurde. Dieses ermöglichte es auch, die quasi schwellenlos ineinander über­gehenden Verkehrsräume und die alle sieben Geschosse mit­einander verbindende offene Treppenhalle zu bewahren, ohne dass eine zusätzliche Fluchtmöglichkeit eingebaut werden musste. Die breiten Treppenläufe wurden lediglich aufgearbeitet und ihre Geländer erhöht, um der geänderten Normhöhe für Absturzsicherungen zu genügen. In den Foyers und Empfangshallen wurden spätere Einbauten entfernt. Sämtliche Flure haben nun Blickbezug zur Landschaft. Die originale Möblierung, welche die Aula, die Hörsäle und die öffentlichen Bereiche prägt, konnte erhalten werden.
Ein Blick auf den Schwarz-Rot-Plan verrät, dass trotz der Maßgabe weitgehender Substanzerhaltung wesentliche Bauteile ersetzt worden sind. Die dadurch nötigen Ergänzungen sind flächiger Natur und präzise ins Gefüge eingegliedert. Sie unterstreichen den Charakter des Hauses, ordnen sich diesem jedoch nicht unter, im Gegenteil: Farbigkeit und Haptik des Gebäudes werden jetzt stark durch die neuen Materialien bestimmt. Anstelle des ursprünglichen grünen Nadelfilzteppichs etwa prägt ein hellgrauer fugenloser Gummigranulatboden den „fließenden“ Raum. Als abgehängte Decken wurden die vorher nur in Teilbereichen eingesetzten weißen Holzwolleplatten im gesamten Innenraum eingesetzt. Bündig darin eingelassen sind neue, energieeffiziente Leuchten. Heller, lichter und eleganter wirken die Räume jetzt.
Den größten räumlichen Eingriff nahmen die Architekten in den vormals dunklen, tiefen Raumschichten der Sockelgeschosse vor. Ein 28,40x4,40 Meter messender Luftraum leitet nun das Licht von den spielerisch in die darüber liegende Terrasse eingeschnittenen quadratischen Oberlichtern nach unten. Diese elegante Kommunikations- und Begegnungszone hinter den Büros erzeugt eine neue Großzügigkeit und verstärkt die Idee des „fließenden Raums“ sowie der Verzahnung des Inneren mit der Landschaft. Gleichzeitg sind die Raumtiefen der Büros heute größer, was eine zweite Reihe von Arbeitsplätze möglich macht. Dem um rund ein Drittel gestiegenen Bedarf an Büroarbeitsplätzen konnte so ohne Qualitätsverlust entsprochen werden. Sie erhalten zusätzliches Tageslicht über die Ganzglaswände zwischen Büros und Kommunikationszonen. Diese sind im Sichtfeld sandgestrahlt und im Boden- und Deckenbereich transparent, sodass die Räume optisch verbunden bleiben. Die hinzugefügten Möbel wie Tresen und Leuchtwände und die Oberfläche des Lichthofs sind zurückhaltend in Weiß gehalten und heben sich damit unaufdringlich vom Bestand ab.
Das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes mit seiner eleganten vorgehängten Cortenstahlverkleidung hat sich nach der Sanierung kaum verändert. Die Elemente haben im Laufe der Zeit nach vollständiger Oxydation einen braunen, samtigen Ton angenommen und passen hervorragend in die um­gebende Waldlandschaft. Auf Initiative der Architekten, mit Unterstützung der kantonalen Denkmalpflege und dank der Nachweise durch den Lehrstuhl für Bauwerkserhaltung an der EPFL Lausanne und der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Zürich konnten sie wiederverwendet werden. Die thermisch nicht getrennten Fensterelemente wurden durch eine möglichst ansichtsgleiche, eisenglimmerbeschichtete Konstruktion mit Isolierverglasung ersetzt. Die Fassade ist nun durchgängig gedämmt, wind- und wasserdicht. Hohe Dämmwerte auf Dach- und Terrassenflächen und auf den Wandflächen der Sockelgeschosse gegen das Erdreich führen zu einer besseren Energiebilanz.
Vom BASPO zum Gymnasium Strandboden
Die Sanierung durch die jungen Architekten war ein Glücksfall für dieses Gebäude. Auch ein so junges Denkmal verlangt Begeisterung für seine architektonische Qualität, Einfühlungsvermögen und Achtung vor der Leistung des Erbauers. Die He­rausforderung lag auch bei dieser Sanierung darin, im Sinne das Hauses mit maßgeschneiderten Neuinterpretationen zu reagieren. Sie gibt ein Beispiel für einen gelungenen Umgang mit dem Erbe der Spätmoderne in der Schweiz, und sie zeigt, dass energetische und bauliche Sanierung möglich ist, ohne den Charakter des Bestands zu übergehen – und ohne ihn zu musealisieren.
Derzeit arbeiten Spaceshop Architekten an einer Monographie über Max Schlup mit, der seine Heimatstadt Biel enorm prägte – eine Hommage, die längst überfällig ist. Denn die Behutsamkeit und die Umsicht, mit der die Sanierung des BASPO-Hauptgebäudes vonstatten ging, ist nicht selbstverständlich. Dies wird auch bei einem zurzeit ausgetragenen Streit zwischen dem Kanton Bern und den Vertretern des Berner Heimatschutzes über die angemessene Instandsetzung des „Gymnasiums Strandboden“ deutlich. Die elegante Schulanlage von Max Schlup, harmonisch eingebettet in das Schwemmland des Bieler Sees, ist ebenfalls „in die Jahre gekommen“, doch wartet das Ensemble, wie so viele potenzielle Baudenkmäler der Spätmoderne, noch darauf, in den Denkmalinventaren erfasst zu werden. Dem Gebäude „droht“ nun die Sanierung: Vorgesehen ist der komplette Austausch von Fassaden, Fenstern und Einbauten. Substanz und Seele des Hauses würden unwiederbringlich verloren gehen.



Fakten
Architekten Spaceshop Architekten, Biel; Schlup, Max, Bern/Biel
Adresse Hauptstrasse 247, 2532 Magglingen/Macolin, Schweiz


aus Bauwelt 19.2012
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