Kreativ-Inkubator
Aufbau-Haus und Planet Modulor in Kreuzberg
Text: Kowa, Günter, Berlin
Das Projekt gilt als Glücksfall für eine Stadtentwicklung, die von kreativen und kulturellen Kräften getrieben ist. Beim Berliner Senat und im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg fand es von Anfang an große politische Unterstützung. Jetzt hat das „Zentrum für Kreative“ mit „Aufbau-Haus“, „Planet Modulor“ und seinen „Satelliten“ am Kreuzberger Moritzplatz eröffnet.
Verschiedene günstige Umstände kamen zusammen. Der Projektinitiator Modulor hat sich seit 1991 vom Selbsthilfeverein von Architekturstudenten der Berliner Hochschule der Künste an seinem Stammsitz in der Gneisenaustraße zum Inbegriff und Quasi-Monopolisten für Architekten- und Künstlerbedarf entwickelt. Durch das Internet haben sich die Handelsbeziehungen weltweit ausgedehnt. Für 110 Mitarbeiter und mittlerweile 40.000 Artikel wurde ein neuer Standort gesucht. Mit dem „Bechstein-Haus“ am Moritzplatz in Kreuzberg war 2008 ein Gebäude gefunden, das für eine zukunftsträchtige Verjüngung vorherbestimmt schien – ebenso wie das Umfeld. Es galt, eine einst abseitige Mauer-Brache aus dem Dornröschenschlaf zu wecken und an jene Zeit heranzuführen, als Kaufhaus-Magnat Georg Wertheim 1913 am Platz einen Neubau errichten ließ und die U-Bahnstation und ihren Architekten Peter Behrens aus eigener Tasche bezahlte. Das Konzept von Modulor überzeugte den Senat, Grundstück und Gebäude aus dem Liegenschaftsfonds nicht meistbietend zu versteigern, sondern direkt zu verkaufen. Modulor stellte in Aussicht, um seinen eigenen Laden herum Geschäfte und Dienstleister mit verwandter Ausrichtung anzusiedeln – Baustoff- und Softwareentwickler, Werkzeugmacher, Fotografen, Designer. Dies, so argumentierte man, würde ausstrahlen auf die Umgebung. (Tatsächlich hat dort inzwischen mit den „Prinzessinnengärten“ das „Urban Farming“ Fuß gefasst, und in den stillgelegten Fabrikanlagen gegenüber haben sich Mietbüros für Kleinunternehmer der Kreativbranche angesiedelt.)
Allerdings blieb die Suche nach einem finanzstarken Investor erfolglos, bis der Unternehmer und ehemalige Gymnasiallehrer Matthias Koch in das Vorhaben einstieg, der kurz danach den Aufbau Verlag aus der Insolvenz rettete. Das handelsorientierte Konzept von Modulor wurde unter Kochs Einfluss mit einer kulturellen Komponente ergänzt, denn Koch stellte den Verlag ins Zentrum eines Programms mit hauseigenem Theater und Aufnahmestudio für Hörbücher, einer Galerie und einem Club. Über die Höhe seiner Investition am Moritzplatz, die ohne Fördergelder auskommt, schweigt er.
Ran an Platz und Straße
Das Bechstein-Haus, benannt nach seinem zeitweiligen Mieter, der Klavierfabrik, war in den 1970er Jahren für eine Textilfabrik in zeittypischem Stil kastenförmig aus Waschbeton mit kupferbedampften Fensterbändern gebaut worden. Für den Umbau des Gebäudes sah das Braunschweiger Architekturbüro von Hans und Renate Struhk, die Eltern von Modulor-Gründer Christof Struhk, eine „Würfellandschaft“ aus Containern vor, die an den Altbau andocken und Start-up-Büros Platz bieten sollten. Der Spontan-Charakter dieser Planung fand in traditionellere Bahnen, als mit dem Einstieg von Investor Koch das ihm vertraute Berliner Architekturbüro Clarke und Kuhn die Entwurfsplanung übernahm. Die Grundzüge der Idee blieben aber erhalten: Dem von der Straße abgerückten Altbau wurde eine „Regalarchitektur“ vorgesetzt, die nun die Flucht wieder geschlossen hat. Das „Regal“ bietet „Vitrinen“ für Einmann-Betriebe. Äußerlich ist das Bechstein-Haus nicht wiederzuerkennen, doch die Offenheit seiner Tragstruktur erlaubt im Innern eine fließende „Landschaft“ von Läden und Büros um die Modulor-Etagen herum.
Viele haben am Ausbau mitgewirkt. Modulor legte Wert auf eine Inneneinrichtung, die Showroom für die eigene Produktlinie von Vitrinen und Tresen ist. Der Verlag ordnete seine Räume um einen inneren Kommunikationsstrang an, mit dem sich die großen Flächen des Altbaus für den neuen Zweck adaptieren ließen. Schließlich hat Jason Danziger von „Thinkbuild architects“ aus Berlin die Räume des Kindergartens auf dem Dach „in einem kommunikativen Prozess mit vielen Beteiligten“, wie er sagt, um kindgerechte Eigenheiten bereichert, für die er sich unter anderem auf Ittens Farbenlehre beruft.
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