Bauwelt

DEPO2015


Eigentlich wollte Pilsen für sein Festivalprogramm eine Brauerei umnutzen. Doch dann war da noch dieses alte Busdepot aus den dreißiger Jahren - heute schlägt hier das Herz der Kulturhauptstadt


Text: Klíma, Petr, Pilsen; Krtková, Šárka, Pilsen


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    Mitten im alten Arbeiterviertel wurden früher Trambahnen, Trolley- und Autobusse repariert. Der Werkhof wurde zur Kunstarena, hier mit einer Kollektion von Alteisen-Skulpturen des Bildhauers Čestmír Suška. Die Halle in der rechten Bildhälfte umfasst den Großen Saal mit Bühne.
    Foto: Pilsen2015, Karel Funda

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    Mitten im alten Arbeiterviertel wurden früher Trambahnen, Trolley- und Autobusse repariert. Der Werkhof wurde zur Kunstarena, hier mit einer Kollektion von Alteisen-Skulpturen des Bildhauers Čestmír Suška. Die Halle in der rechten Bildhälfte umfasst den Großen Saal mit Bühne.

    Foto: Pilsen2015, Karel Funda

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    Das Café Europa ist ein beliebter Treffpunkt während des Kulturstadtprogramms
    Foto: Pilsen2015, Karel Funda

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    Das Café Europa ist ein beliebter Treffpunkt während des Kulturstadtprogramms

    Foto: Pilsen2015, Karel Funda

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    Die exzellent belichteten Reparaturhallen sind nur oberflächlich hergerichtet. Der großen Jahresschau „Familienalbum“ bekommt der improvisierte Raumcharakter gut.
    Foto: Pilsen2015, Karel Funda

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    Die exzellent belichteten Reparaturhallen sind nur oberflächlich hergerichtet. Der großen Jahresschau „Familienalbum“ bekommt der improvisierte Raumcharakter gut.

    Foto: Pilsen2015, Karel Funda

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    In der beeindruckend konstruierten Haupthalle des Depots hat das Studio Werner Aisslinger (Berlin/Singapur) sein „Green House“ aufgebaut, ...
    Foto: Pilsen2015, Karel Funda

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    In der beeindruckend konstruierten Haupthalle des Depots hat das Studio Werner Aisslinger (Berlin/Singapur) sein „Green House“ aufgebaut, ...

    Foto: Pilsen2015, Karel Funda

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    ... eine ironische Installation zeitgenössischer Designspekulationen.
    Foto: Pilsen2015, Karel Funda

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    ... eine ironische Installation zeitgenössischer Designspekulationen.

    Foto: Pilsen2015, Karel Funda

Bewegt man sich in etwas weiterem Bogen um das historische Zentrum des heutigen Pilsen, sind die gewaltigen Industrieareale aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts atmosphärisch noch stark präsent. Die Pilsener Brauerei, ein weitläufiger Komplex inmitten der Stadt, ist inzwischen ein Touristen-Highlight ersten Ranges. Das Herz der Industrie schlägt aber bis heute in dem ausgedehnten Komplex der ehemaligen Škoda-Werke. Im Vergleich zu diesen regelrech-ten „Städten in der Stadt“ waren die kommunalen Verkehrsbetriebe im Bezirk Doudlevce nur von geringerer Bedeutung, was aber das Entwicklungspotenzial dieser Industriebrache nicht schmälert.
Die industrielle Nutzung dieses Areals, einen knappen Kilometer vom Stadtkern entfernt am Ufer des Flusses Radbusa gelegen, beginnt 1869, als sich der Chemiker Hugo Jelinek an diesem Ort eine Zuckerraffinerie bauen ließ. Nach dem Zusammenbruch des Unternehmens und der Einführung der Straßenbahn in Pilsen wurde 1898 das ursprüngliche Sudhaus in ein Straßenbahndepot umgewandelt. Die Aufnahme des städtischen Busverkehrs im Jahre 1929 machte eine entsprechende Erweiterung der Stellflächen erforderlich. Ein großes Werkstattgebäude kam 1934 hinzu, dessen Haupthalle durch ein Stahlbetongewölbe mit fünf querlaufenden, sattelförmigen Oberlichterbändern überdacht wurde. Reich befensterte Obergaden und Giebelbögen sorgten für ein Maximum an Tageslicht. Als nach dem Zweiten Weltkrieg der Trolleybus in Pilsen Einzug hielt, wurde das Straßenbahndepot in eine Drive-Through-Halle für diese Fahrzeugart umgewandelt, die 1952 auch noch für Stadtbusse erweitert wurde. Obwohl  die tschechoslowakische Architektur in jenen Jahren bereits der Doktrin des sozialistischen Realismus unterlag, zeigen die beiden Hallen mit ihren Schalendächern doch eine spätfunktionalistische Formensprache. Trotz kleinerer Anpassungen entsprach das Industrieareal am Ende aber nicht mehr den Anforderungen eines städtischen Verkehrsbetriebes vom Beginn des 21. Jahrhunderts. Ein neues Depot wurde auf dem Gelände der Škoda- Werke angesiedelt, 2014 rollten die letzten Busse und Trolleys vom alten Hof an der Cukrovarská Straße.
Das Depot blieb nicht lange ungenutzt – die großen Hallen mitsamt den Reparaturwerkstätten wurden 2014 der gemeinnützigen Stiftung  „Plzen2015“ (Trägerin des Programms der Kulturhauptstadt) als Ersatz für eine anderenorts geplante, dann aber gescheiterte Kulturfabrik überlassen. Im August 2014 begann eine Sanierung des Komplexes, und bereits im Februar des Folgejahres konnten anlässlich des Festival of Light die ersten Tausend Zuschauer die sparsam rekonstruierte Ausbesserungshalle bestaunen. Mit einem Konzert wurde am 24. April 2015 dann offi-ziell die „Kreativzone DEPO2015“ als ein zentraler Ausstellungsort der Kulturhauptstadt eröffnet. Den Beginn machten eine Freiluftausstellung  des Bildhauers Čestmír Suška sowie in der größten Halle Werner Aisslingers „Green House“, die postmodern-ironische Installation  eines „Wallfahrtsorts zeitgenössischen Designs“.
Die Kreativzone DEPO2015 bietet enorm viel Raum für unterschiedliche Nutzungen. Neben einem „Center for Creative Entrepreneurship“ mit Co-Working-Zentrum, Crowd-Sourcing-Plattform, offenen Werkstätten und Mietbüros finden sich viele hundert Quadratmeter für Ausstellungen, Performances, Studios für Gastkünstler wie für Dauermieter. Insgesamt warten 15 verschiedene Orte darauf, bespielt zu werden – neben den Ausstellungsflächen eine große Bühnenhalle, ein Foyer, ein Café, Studios, Büros, ein „Makerspace“, ein Versammlungsraum und, nicht zuletzt, der weite Innenhof. Hier kann die Kulturhauptstadt ihre ganze Bandbreite entfalten – vom Theater über den zeitgenössischen Tanz, Konzerte, Lightshows und Projektionen, Konferenzen und Musikfestivals. In der Startphase liegt das Schwergewicht auf interaktiven Ausstellungen und Community-Projekten; man ist aber auch offen für Pop-up-Ausstellungen und Workshops.
DEPO2015 wurde gleich in den ersten Monaten zum Anziehungspunkt für Tausende von Besuchern und zum wichtigsten Veranstaltungsort für das Kulturstadtprogramm. Im August öffnet sich der Schauplatz mit speziellen Angeboten für Kinder. Danach werden bis zum Ende des Jahres noch zwei wichtige Präsentationen ausgerichtet – die interaktive Ausstellung „Geschichte Europas“ und eine zweite Auflage des bereits im ersten Halbjahr äußerst erfolgreichen „Pilsener Familienalbums“. Anknüpfend an Veranstaltungen des offenen Workshops in diesem Jahr gibt es auch schon Pläne für das folgende: 2016 soll sich ein bedeutender Teil des Ausstellungsprogramms dem Thema Recycling widmen.
Die Stiftung Plzen2015 hat das gesamte Depot bis Ende 2016 von der Stadt gemietet. Im Oktober 2015 will der Stadtrat über dessen weiteres Schicksal entscheiden. Aus diesem Grunde wird zusammen mit der Stadt und weiteren Akteuren der Kulturszene schon an einem zukunftsfähigen Plan für den ganzen Komplex gearbeitet – DEPO2015 soll sich zu einem Entwicklungsinstrument der lokalen Ökonomie mausern, das kreative Talente aus dem ganzen Land anzieht und sie mit der örtlichen Wirtschaft zusammenbringt. Dabei liegt es auf der Hand, dass das Jahr 2015 die große Ausnahme darstellt, sowohl was den Umfang des Ausstellungsprogramms als auch die zur Verfügung stehenden Finanzen angeht, und dass sich die Bedingungen für den Erhalt und die Bewirtschaftung des Komplexes, wie aller anderen Kultureinrichtungen in Pilsen, in den folgenden Jahren drastisch ändern werden. Jede Aktion in der „Kreativzone“ wird sich dann gezwungenermaßen selbst tragen müssen – möglichst in Zusammenarbeit mit Partnern und Förderinstitutionen. Die enthusiastische Community, die in diesem Jahr die Anlage mit Leben erfüllt, ist davon überzeugt, dass ihr altes Busdepot als spannende neue Adresse das bleibende Erbe des Kulturhauptstadtjahres sein wird.
Übersetzung aus dem Englischen: Michael Goj




Adresse Presslova 14 301 00 Plzeň 3 Tschechische Republik


aus Bauwelt 32-33.2015
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