Bauwelt

Erweiterung Nya Nordiska



Text: Redecke, Sebastian, Berlin


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    Marcus Ebener

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Der Firmensitz von Nya Nordiska liegt im Wendland. Volker Staab hat die Erweiterung des Familienunternehmens nicht in der Peripherie, sondern im gewachsenen Stadtraum von Dannenberg vorgenommen. Mit der Grundhaltung des Architekten und den Feinheiten seiner Sprache ergibt sich ein spannungsvolles Wechselspiel von Alt und Neu.
Eine gewisse Anspannung ist im Raum Dannenberg schon eine Woche vor dem Castor-Transport zu verspüren. Hundertschaften von Bereitschaftspolizisten sind auf den Landstraßen des flachen, nebeligen Wendlands unterwegs. Trifft man von der Elbe kommend im rund 14.000 Einwohner zählenden Dannenberg ein, so ist alles ruhig. Kurz hinter dem Endbahnhof, wo am 8. November die Müll-Behälter für den Straßentransport zur Zwischenlagerung in Gorleben umgeladen wurden, liegt das Firmengelände des Textilverlags Nya Nordiska.
Volker Staabs Neubauten sind zunächst nur im Hintergrund zu erkennen. Auf der Nordseite des Geländes mit Vorfahrt und Eingang stehen das große Reserve- und Couponlager, das Hauptgebäude von 1997 und ein saniertes Fachwerkhaus, der ursprüngliche Firmensitz. Nach dem Eintritt ins Hauptgebäude befindet man sich in einer Treppenhaushalle mit Galerie. Alles wirkt großzügig, äußerst gepflegt und ge­ordnet. Man beachtet beim Interieur jedes Detail.
Diese Wertschätzung der Details fällt auch bei den im September eingeweihten Bauten von Staab sofort ins Auge. Er entwickelte für die Südseite des Firmengeländes, das an der Marschtorstraße mit zwei denkmalgeschützten Fachwerkbauten abschließt, ein Gebäudeensemble, das die bereits vorhandenen funktionalen Zuordnungen überzeugend komplettiert. Der erste Eindruck hat auch am Ende des Besuchs Bestand: Das Konzept des Architekten für diesen Ort kann ohne Wenn und Aber als ein Lehrbeispiel bezeichnet werden, nicht nur hinsichtlich des vorbildlichen Ineinandergreifens von Alt und Neu, sondern vor allem des Nutzbarmachens und Wiederbe­lebens eines historisch gewachsenen kleinstädtischen Stadtraums. Dies ist so beachtenswert, da Altbauten, wie sie hier zu finden sind, heute vielleicht für die Pflege des Stadtbilds saniert und sogar „einbalsamiert“ sein mögen, aber dann ohne richtige Funktion nicht zu neuem Leben erweckt werden. Begründet wird dies meist damit, dass für Firmen, die expandieren wollen, diese alten Standorte mit zu vielen Zwängen behaftet seien. Viele entscheiden sich dann für das Gewerbe­gebiet. Dabei werden die baulichen Besonderheiten und die sich damit ergebenden Spielräume, die bei einer flexiblen Herangehensweise sichtbar werden, nicht beachtet.
Ganz anders in Dannenberg, denn es wurden bei der Konzeption der Bestand und die Nachbarschaft unmittelbar und in grandioser Weise mit einbezogen. Wo man sich im Gebäudekomplex auch aufhält, wird dieses enge Miteinander erfahrbar. Natürlich gibt es Übergänge von einem Neu- zu einem Altbautrakt, die ein wenig winkelig erscheinen, aber insgesamt ist wie selbstverständlich eine sich gut erklärende neue funktionale Ordnung entstanden.
Plissierte Stoffbahnen
Im Obergeschoss, gleich am Übergang vom Hauptgebäude in Staabs Neubauten über eine mit Holz ausgestaltete Zwischen­terrasse, steht man der markanten Fassadenhaut zum ersten Mal ganz nah gegenüber. Es handelt sich um angeschraubtes eloxiertes und gekantetes Aluminiumblech. Die unterschiedlichen vertikalen Linien der Kantungen – je nach Fassadensegment regelmäßig oder im wechselndem Rhythmus – sollen einen Bezug zu den plissierten Stoffbahnen der Firma herstellen. Für Außenstehende ist dies allerdings kaum wahrnehmbar. Das dunkle warme Rot ist entscheidend für den Eindruck des Gesamtkonzepts. Es erinnert aus der Ferne betrachtet an gestrichene Holzhäuser in Skandinavien.
Beim Rundgang wird einem die neue Architektur am liebsten von einem erhöhten Standpunkt mit Blick auf die Dachlandschaft gezeigt. In der Tat stellt man voller Erstaunen fest, wie hier ein harmonischer Übergang zur historisch gewachsenen Dachlandschaft der Stadt perfekt gelungen ist.
Die Neubauten im Ensemble mit einer Fläche von 4100 Quadratmetern setzen sich aus sechs Baukörpern zusammen, davon mehrere Nordlicht-Shedhallen. Die Dachdeckung gleicher Farbe ist in die Metallgehäuse „eingelegt“ und daher von unten kaum sichtbar. Die Sheds haben verschiedene Neigungen, der entsprechenden Nutzung im Inneren wird Rechnung getragen. Trotz der insgesamt überschaubaren Anlage sind die einzelnen Bauten unterschiedlich ausgebildet und beeindrucken innen durch ihre überraschende Weite. Die schwarzen Böden aus einem mit Polyurethan beschichteten Estrich, bereiteten aufgrund von Luftblasen zuletzt Ärger.
Zwischen dem zentral gelegenen Neubau und dem alten Fachwerk-Firmensitz öffnet sich ein mit Basalt gepflasterter, bisher nur spärlich bepflanzter Innenhof. Er ist im Erd- und Obergeschoss umgeben von Büros sowie Erschließungsräumen und -gängen, die alles verknüpfen und zu einem Ganzen fügen. Die Unterdecken der Erschließungswege mit seitlichen Lichtbändern folgen den Neigungen der Dächer. In einer weiteren, das Ensemble ordnenden Entwurfsebene, die Staab aufnahm, spielen zwei alte Wege über das Gelände eine Rolle. Der eine Weg führt von der kleinen Straße An den Ratswiesen mit der Anlieferung in den Gebäudeblock, der andere von der Marschtorstraße durch ein Tor zum Innenhof. 
Besonders entlang der Marschtorstraße ist mit großer Sensibilität auf die Situation reagiert worden. Eigentlich ist der Straßenraum nichts besonders: Viel Fachwerk und schräg gegenüber, von der Straße zurückgesetzt, ein Flachbau der Fünfziger mit einem Laden. Doch man machte etwas daraus. Beim Fachwerkgebäude auf dem Firmengelände wurde die Straßenfront mit vier Schaufenstern erhalten und mit dem Neubau kombiniert. Im Neubau daneben, wo sich früher ein Gebäude der sechziger Jahre befand, öffnete Nya Nordiska ein kleines Outlet-Center. Der Vorplatz an der Straße lässt ei­nem historischen Brunnen Raum, den der Herzog von Braunschweig und Lüneburg den Dannenbergern zum Geschenk machte. Das Eckgebäude mit Walmdach wurde saniert und dient der Verwaltung. Man nennt es auch das „verrückte Haus“, da es angeblich einmal auf Schienen ein Stück weit bis zur Straßenecke versetzt wurde.



Fakten
Architekten Volker Staab, Berlin
Adresse An der Ratswiesen, 29451 Dannenberg


aus Bauwelt 46.2010
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