Neugestaltung einer Fleischerei in Celrà
Das Erste Haus 2015: Preisträger
Text: Pau Sarquella Fàbregas
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Den Laden für die Vorüberfahrenden sichtbar zu machen, ist gelungen – die Inhaber konnten ihre Verkaufszahlen verdreifachen
Foto: Architia necae vendic
Den Laden für die Vorüberfahrenden sichtbar zu machen, ist gelungen – die Inhaber konnten ihre Verkaufszahlen verdreifachen
Foto: Architia necae vendic
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Historische Materialien und Details wurden freigelegt
Foto: Joan Guillamat
Historische Materialien und Details wurden freigelegt
Foto: Joan Guillamat
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Im Jahr 2011 übernahmen die Söhne von Familienbetrieb der Fleischerei. Obwohl an der Durchgangsstraße von Celrà gelegen, frequentierten nur wenig Durchreisende den Laden; dieser fand seine Kunden hauptsächlich unter Anwohnern. Nach den ersten Jahren harter Arbeit, entschlossen sich die Brüder dazu, das Geschäft zu renovieren, in dem aber weiterhin traditionelle Fleisch- und Wurstwaren angeboten werden sollten. Das Projekt entwickelte sich entlang quasi archäologischer Methodik: Wir spürten die versteckte Patina von Wänden auf, entdeckten alte Bodenbeläge, öffneten lange verschlossene Fenster und legten auch die verborgenen Gewölbe frei, um dem Raum seine ursprüngliche Gestalt zurückzugeben. Im Anschluss daran fluteten wir das Innere mit Weiß: als Wandfarbe wie auch für die Fliesen mit ihren subtilen Reflexionen. Das Nordlicht trägt zu dem gewünschten Eindruck von Sauberkeit und Hygiene bei. Das Mobiliar hingegen ist aus Pinienholz und lässt an nordeuropäische Designtradition denken, um den Kunden Eindrücke von Wärme und Komfort zu vermitteln. Die Einbaumöbel spielen eine zentrale Rolle in der räumlichen Organisation, da sie ein Maximum an Platz für die Auslage der Waren ermöglichen. Schon im Eingangsbereich kann der Kunde einen Blick auf das Fleisch- und Wurstangebot werfen, und in der anschließenden Diagonalen bietet sich ihm eine „Promenade der Produkte“. Das leuchtende Weiß des Inneren fällt durch die Schaufenster in der Fassade hinaus auf Hauptstraße, greift um die Gebäudeecke und formt einen leuchtenden Reklameschriftzug. Ein schwarzer Streifen knickt in die Seitenfassade. Damit bekommt diese die selbe Wichtigkeit wie die Gebäudefront. Eine Collage aus Mauern und Materialien entsteht, ein unverwechselbares Zeichen, das sich an Parkplatzsuchende ebenso wendet wie an Laufkundschaft. Die Reklame spielt auf subtile Art mit kollektiver Vorstellung und Erinnerung. Ein scheues Schweinchen auf der Wand ist das einzige Emblem, das auf die Waren des Ladens verweist. Ein neongelbes Zeichen aktiviert die Frontfassade und zeigt weithin an, dass hier, an der Straße nach Palamos, etwas Ungewöhnliches geschieht - und stellt sicher, dass die Fleischerei auch von eiligen Durchreisenden nicht mehr unbemerkt bleibt.
Übersetzung aus dem Englischen: ub
Wie sind Sie zu diesem Umbau gekommen?
Ich erhielt den Auftrag dank verwandtschaftlicher Beziehung zu den Inhabern. Meine Cousins, die Brüder Soler, führen das Geschäft seit 2011, als sie es von ihren Eltern übernahmen.
In welchem Zustand haben Sie das Haus und das Geschäft vorgefunden?
Die alte Fleischerei stammte aus den 1980er Jahren; ein dunkler, enger und verbauter Raum. Nebenan befand sich ein leerstehender Laden. In ihm waren die ursprünglichen Baumaterialien, die in der Fleischerei unter Verkleidungen verschwunden waren, noch sichtbar. Das Haus liegt an einer viel befahrenen Straße, ohne bequeme fußläufige Anbindung ans Ortszentrum. Potenzielles Publikum für den Laden sind deshalb die Vorbeifahrenden, die das Geschäft kaum wahrnahmen.
Was war das größte Hindernis bei der Umsetzung Ihres Entwurfs?
Das Geschäft konnte nicht länger als einen Monat geschlossen werden. Deshalb mussten alle Details der Planung vollständig geklärt sein und der Bauablauf gut organisiert. Es handelt sich um ein Gebäude aus dem Jahr 1906. Als die Arbeiten begannen, stießen wir auf Materialien und konstruktive Details, die wir nicht erwartet hatten. Trotzdem schafften wir es, den Bau in sechs Wochen fertig zu stellen.
Wie waren die Reaktionen der Kundschaft und anderer Geschäftsleute im Ort?
Unser Umbau der Fleischerei ist lagebedingt nicht zu übersehen. Es hat sogar Auffahrunfälle gegeben, weil einige Fahrer vor lauter Neugier die Ampel übersahen! Der Moment, als wir zum ersten Mal das gelbe Neonlicht anschalteten und die ersten Kunden den Laden betraten, bleibt unvergesslich. Meine Cousins konnten Glückwünsche alter Stammkunden entgegennehmen, und viele neue Kunden fanden plötzlich den Weg zu ihnen. Als ich einmal im Laden war, hörte ich eine Gruppe älterer Damen Erinnerungen austauschen. Die unter mehreren Lagen späterer Beschichtungen entdeckten Wandfliesen waren freigelegt und restauriert worden, sodass sie nun wieder das Erscheinungsbild von vor über fünfzig Jahren zeigen, als sich dort eine Apotheke befand.
Gibt es bereits Pläne anderer Einzelhändler in Celrà, ihre Verkaufsräume neu zu gestalten?
Im Augenblick ist mir nichts Derartiges bekannt.
Wie hat sich das Zentrum von Celrà in den letzten Jahren entwickelt, und hatte diese Entwicklung einen Einfluss auf Ihr Projekt?
Während das Zentrum von Celrà, einer kleinen Ortschaft mit gut 5000 Einwohnern, eher ruhig ist, mit kleinen Geschäften für die Anwohner, ist die Durchgangsstraße, die die Küste mit dem Landesinneren verbindet, viel befahren. Wir haben die Fleischerei auf dieses Publikum hin ausgerichtet, denn tatsächlich kommen die meisten Kunden von außerhalb. Anstatt also das Zentrum von Celrà als Kontext der Neugestaltung zu nehmen, wollten wir die Verbindung von Geschäft und Straße verstärken, indem wir mit dem Bildgedächtnis derjenigen arbeiteten, die zwischen zwei unterschiedlichen Orten pendeln.
Wie beurteilen Sie die Chancen, mit guter Architektur den innerstädtischen Einzelhandel in Spanien – gerade in kleineren Städten – gegen die Konkurrenz der Shopping-Malls zu stärken?
Die Malls und die großen Ketten sind eine Bedrohung des innerstädtischen Einzelhandels. Dank des Umbaus haben sich die Verkaufszahlen der Fleischerei Soler verdreifacht. Ihr neues Image sowie die neu angelegten Parkplätze nebenan tragen dazu bei, dass das Geschäft der Brüder zu neuer Blüte gelangen kann. Kleine Geschäfte wie dieses müssen nach vorne schauen, um ihre Seele zu behalten, und gleichzeitig den Service gegenüber den Kunden verbessern. Der Handel steht auf dem Höhepunkt der Konkurrenz.
Wenn Sie auf Ihre Ausbildung zurückblicken, gibt es dann Lehrinhalte, die Ihnen in der Berufspraxis fehlen?
Während der Arbeit an meinem ersten Projekt habe ich gemerkt, wie wenig ich von Konstruktion, Bauwirtschaft und Bauherrenbetreuung weiß – und dass, obwohl meine Auftraggeber meine Verwandten waren! Ich glaube, die wichtigsten Kenntnisse, die ich in meiner Ausbildung gewonnen habe, sind weniger konkret. Bei diesem Projekt habe ich die Fähigkeit entdeckt, mit jeder plötzlichen Herausforderung klarzukommen, Probleme zu lösen und das Projekt an Unerwartetes wie Budgetfragen und überraschende Rohbaudetails anzupassen.
Konnten Sie die bei diesem Umbau berührten architektonischen Fragen schon weiter verfolgen? Woran arbeiten Sie gerade?
Derzeit arbeite ich mit beim Ausbau von Sportstätten nahe meiner Heimatstadt Banyoles. Im November habe ich das Projekt eines Kulturzentrums in Palafrugell gestartet, wo ich gerade
einen offenen Wettbewerb gewonnen habe.
Wie beurteilen Sie die Situation für junge Architekten in Spanien gegenwärtig, im Land allgemein und in Katalonien?
Während der Krise sind die Arbeitsmöglichkeiten im ganzen Land immer schwieriger geworden. Die meisten meiner Freunde sind fortgezogen, um Arbeit zu finden. Andererseits zwingt uns der Mangel an Arbeit dazu, unsere Epoche, die Architektur und unsere Sicht auf Projekte zu überdenken. Im weiteren Sinne ist Architektur nicht nur Gebautes, sondern alles, was uns umgibt, was wir bislang aber noch nicht auf diese Weise wahrgenommen haben. Jetzt ist es an der Zeit, die Beschränkungen anzugehen und zum Ausgangspunkten für neue Projekte zu machen.
Übersetzung aus dem Englischen: ub
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