Bauwelt

Facelift NGBK


Wie viel Musealität verträgt ein basisdemokratischer Kunstverein?


Text: Tempel, Christoph, Berlin


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Nach 41 Jahren basisdemokratischen Kunstschaffens und 18 Jahren am Standort in der Kreuzberger Ora­nienstraße hat die Berliner NGBK ihren Ausstellungsraum einer Verjüngungskur unterzogen. Studio TZ+ Dresden hat die Eingangssituation geklärt, die Wände begradigt, neues Licht gesetzt.
Jugendlichkeit und Frische waren angestrebt, doch galten die Eingriffe nicht nur der Kosmetik, sondern vor allem der baulichen und haustechnischen Ertüchtigung des schlauchartigen Galerieraums der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK), der seit der Übernahme vom Vorbesitzer nicht grundlegend überholt worden war. Die Elektrik musste erneuert, die Heizung saniert werden, auch sollte die Werkstatt aus dem hinteren Flügel in den Keller verlegt werden.
Über die Jahre hatte sich in der Geschäftsstelle des Kunstvereins Unzufriedenheit breitgemacht, in erster Linie über die Eingangssituation der Galerie, denn die liegt gewissermaßen in zweiter Reihe hinter einem Buchladen und verfügt daher weder über ein Schaufenster noch über direkten Zugang zur beleb­ten Oranienstraße. Eine Glastür zwischen NGBK und Buchladen trennte zwei „Betriebssysteme“: vorne kleinteiliger Verkauf, hinten weiträumige Kunst. Unter der Woche mussten die Besucher an Bücherstapelnvorbei den Weg zur Galerie finden, nur sonntags gelangten sie unmittelbar zur Kunst, mussten aber über den Hof zum Seiteneingang gehen. Diese Konstellation sollten die Architekten des Büros Studio TZ+ Dresden, Ulrich Trappe, Christian Hellmund und Roland Züger, klären. NGBK-Geschäftsführerin Leonie Baumann hatte sie wegen ihrer behutsamen Eingriffe in die Ei­ngangssituation des Kunsthauses Dresden beauftragt, wo sie aus einem Durchgangsraum ein Foyer mit Aufenthaltsqualitäten entwickelt hatten (Bauwelt 15.08).
Ähnliches wollte Baumann in der NGBK auch haben. Überlegungen, den Hof zum Haupteingang zu machen, wurden aber schnell verworfen, überwiegen doch die Synergieeffekte von Buchladen und Galerie in Sachen Besucher gegenüber den gefühlten Nachteilen einer Existenz in zweiter Reihe. So geht man weiter an Büchertischen vorbei in die Galerie, die jedoch deutlicher vom Buchladen abgetrennt wurde. Aus der eigenschaftslosen Glastür generierten die Architekten eine Schaufenster-in-Shop-Situation: Zwei Wandscheiben fassen einen 1,38 Meter breitenDurchgang, der durch eine seitlich versenkbare Glasschiebetür geschlossen wird. Wenn die Wand­schei­ben demnächst vom dankbaren Buchladen (mehr Stellfläche) mit Regalen bis an die Kante versehen sein werden, wird der Durchblick in die hell erleuchteten Galerieräume dahinter dramatisch gesteigert. Zudem ist die Schmalseite des mittig platzierten Empfangstresens Bühne für die vier rot leuchtenden Buchstaben des NGBK-Logos, die um die Wahrnehmung der Laufkundschaft buhlen.
Ist diese pointierte Schnittstelle einmal überschritten, öffnet sich ein gleißend heller, lang gestreckter Weißraum. Massive Wände vermitteln ein fast museales Ambiente, das durch den flächigen Ein­satz von Licht noch unterstützt wird, dessen Rhythmus das Raster der Unterzüge vorgibt: zwei Neonröhren in jedem Feld. Damit streben die Architekten eine gleichmäßig über die ganze Decke verteilte Beleuchtung an, die dem Eindruck einer Lichtdecke nacheifert.
Den breiteren Bereich in der Galeriemitte ha­ben die Architekten visuell beruhigt, indem sie die Eingänge zu Toiletten und Küche hinter einer eingestellten Wand verbargen. Leider verschwand damit auch das einzige noch zugängliche Hoffenster, was dem Raum eine etwas gezwängte und von der Außenwelt abgeschnittene Atmosphäre verleiht. Wie überhaupt der Bezug nach außen bis auf die Fluchtwege gekappt wurde. Um Hängefläche zu gewinnen, waren die Fenster schon vor Jahren mit Spanplatten versehen worden, hinter denen die Heizung ständig lief. Ein energetisch unsinniger Zustand, der zudem dazu führte, dass die Wände sich dauernd verzogen. Jetzt sind alle Fenster massiv verbaut, jedoch befinden sich die Heizkörper nicht mehr hinter den Wänden, sondern sichtbar im Ausstellungsraum. Das steht zwar im Widerspruch zum Konzept der Architekten, die die Wände der Kunst vorbehalten wollten, war aber finanziell nicht anders zu lösen.
Die NGBK ist durch das Facelift räumlich eine andere geworden, repräsentativer und musealer, das darf man ihr im Alter von 41 ruhig zugestehen. Die basisdemokratischen Mitglieder werden ihr dies ganz sicher weitgehend wieder austreiben und sich den Raum aneignen, wie sie es immer getan haben.



Fakten
Architekten Studio TZ+ Dresden
aus Bauwelt 22.2010
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