Bauwelt

Fließ


Neue Wettbewerbsverfahren


Text: Gruber, Roland, Wien


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    Foto: nonconform

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In der kleinen Tiroler Gemeinde wird erstmals ein innovatives Wettbewerbsverfahren für kleine Ortschaften erprobt: die „vor ort ideenwerkstadt(R)“. Das dialogische Prinzip wird hierbei konsequent ausgereizt.
Für kleine Gemeinden ist der offene, anonyme Architekturwettbewerb für kommunale Bauaufgaben nicht immer der erfolgreichste Weg. Zwar fördert dieser oft ein großes Spektrum an Lösungen, die Entscheidung muss anschließend aber mit viel Überzeugungsarbeit an die Gemeinde vermittelt werden. Stößt das Wettbewerbsergebnis in der Gemeinde auf mangelnde Akzeptanz oder gar Widerstand, können auch gute Projekte noch vor der Realisierung scheitern.
In der Tiroler Gemeinde Fließ hat man sich im Jahr 2012 daher für ein neues Wettbewerbsverfahren entschieden. Der Dialog zwischen der Gemeinde, den Bürgern und den Architekten stand in unterschiedlichen Phasen des Wettbewerbsprozesses – einer Verknüpfung aus Bürgerbeteiligungsverfahren und klassischem Architekturwettbewerb – im Vordergrund. Das Architekturbüro nonconform begleitete den Wettbewerb fachlich und setzte seine Beteiligungsmethode „vor ort ideenwerkstatt®“ ein.
Die Gemeinde schrieb einen Wettbewerb für ein nutzungsdurchmischtes Dorfhaus aus, das Wohnen, Arbeiten und Einkaufen verbindet und das Dorfzentrum aufwerten soll. Zudem sollte der Dorfplatz als Treffpunkt gestaltet werden. Die Ausschreibung forderte, dass der Projektentwicklungsprozess, die neuen Gebäude und öffentlichen Räume einen wesentlichen Beitrag zur Tiroler Wohnbaudiskussion leisten. Wohnbau in Tirol sollte nicht mehr als Solitär auf der grünen Wiese entstehen, sondern als Teil einer ganzheitlichen Ortsentwicklung.
Das Wettbewerbsverfahren gliederte sich in neun Stufen:
Gemeinderatsbeschluss | Nach dem Beschluss, auf einer historisch wichtigen und topografisch anspruchsvollen Brache im Dorfzentrum ein neues Gemeindezentrum zu errichten, entwickelte eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Gemeinderäten und Bürgern, ein erstes grobes Raumprogramm, eine Art „Wunschkatalog“. Auf dieser Basis wurde eine Kostenschätzung erstellt, die Gebäude und notwendigen Grundstücke erworben und ein Beschluss für den Projektstart getroffen.
Wettbewerbsstufe 1 | Es wurde ein zweistufiger, offener Architekturwettbewerb nach den Kriterien des Bundesvergabegesetzes ausgeschrieben. Die sich bewerbenden Architekturbüros sollten Erfahrungen mit Bürgerbeteiligungsverfahren und im (kostengünstigen) Wohnungsbau aufweisen sowie ein Referenzprojekt vorlegen. Aus 18 Bewerbern wählte die Jury in Fließ fünf Büros – von erfahrenen bis jungen Architekten – zur Teilnahme am Wettbewerb aus.
Wettbewerbsstufe 2 | Drei Wochen vor Wettbewerbsdurchführung wurden den Teilnehmern Unterlagen zu den Verfahrensregeln und das Raumprogramm zugesandt.
Vor Ort Ideenwerkstatt | Den Auftakt zum Wettbewerb bildete ein zweitägiges Hearing, das sich zu einer „vor ort ideenwerkstatt®“ entwickelte. Es wurden Gespräche, Stammtische, Vorträge usw. angeboten, bei denen die geladenen Architekten mit der Bevölkerung gemeinsam Ideen finden und diskutieren konnten. Eine Website dokumentierte den Verlauf. Auch versuchte man, junge Gemeindebürger in das Projekt einzubinden. So führten zum Beispiel Schüler ein Theaterstück auf, um den Architekten ihre Überlegungen für das zukünftige Gemeindezentrum zu präsentieren. Am Ende der Ideenwerkstatt stand das Raumprogramm fest, das einstimmig von der Bevölkerung, den Architekten und den Gemeinderäten beschlossen wurde.
Ausarbeitungsphase | Im Anschluss hatten die fünf Architekturbüros fünf Tage Zeit für die Ausarbeitung ihres Konzepts und den Projektentwurf. Die Darstellung war frei wählbar; die Farbe des Modells wurde vereinheitlicht.
Jurysitzung | Entsprechend dem Bundesvergabegesetz war der erste Teil der eineinhalbtägigen Jurysitzung anonym. Am Abend erfolgte die Aufhebung der Anonymität, danach standen die Architekten in einer öffentlichen Veranstaltung der Jury für die Beantwortung von Fragen zur Verfügung. Am nächsten Vormittag war die Jurysitzung für alle Bürger offen, die Projekte wurden diskutiert und gemeinsam Stimmungsbilder eingeholt. Nachmittags zog sich die Jury zurück und traf die Entscheidung.
Präsentation | Den Abschluss der Jurysitzung bildete eine öffentliche Präsentation, bei der die Jury ihre Entscheidung bekannt gab und begründete. Danach wurden alle Projekte der Bevölkerung präsentiert, und es gab eine Ausstellung.
Umsetzung | Im Anschluss wurde das Siegerbüro vom Bürgermeister mit der Realisierung beauftragt.
Reflexionsrunde | Einen Monat nach der Juryentscheidung fand eine ausführliche Feedbackrunde mit allen Beteiligten statt, die sich durchweg sehr zufrieden mit dem partizipativen Verfahren zeigten. Die Interaktion zwischen den verschiedenen Parteien hat viele Barrieren abgebaut und eine neue Qualität des Dialogs etabliert. Die breite Akzeptanz des Ergebnisses erzeugte eine positive Stimmung in Bezug auf die Realisierung.
Auch der Sieger, Architekt Rainer Köberl, zog ein positives Resümee aus dem neuen Wettbewerbsverfahren: Ein Vorentwurf, den er noch vor der Ideenwerkstatt nach Besichtigung des Bauplatztes skizziert hatte, entwickelte sich im Dialog zu einem neuen räumlichen Konzept und schließlich zu einem maßgeschneiderten Entwurf für die Gemeinde.



Fakten
Architekten Köberl, Rainer, Innsbruck
Adresse Fließ


aus Bauwelt 24.2013
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