Gelbes Haus
Text: Fitz, Angelika, Wien
Angelika Fitz erklärt ein bereits wieder verschwundenes Satteldachhaus über einer eingehausten Stadtautobahn zum wichtigsten Sommerprojekt Österreichs und macht klar, warum dieser Bau ein Phantomschmerz im Stadtgefüge von Linz bleiben musste.
Temporäre Interventionen sind von künstlerischen Exoten zu einer beliebten städtebaulichen Strategie aufgestiegen. Insbesondere in der Stadterneuerung werden auf diesem Wege leerstehende Immobilien und Brachen aufgewertet, Bewohner zur Mitgestaltung eingeladen und Touristen mit Festivals versorgt. Es kann damit gerechnet werden, dass die Aussicht auf maximale mediale Aufmerksamkeit bei verhältnismäßig geringem finanziellem Einsatz noch viele Investoren und Kommunen locken wird. Für die einen mag damit die Praxis einer differentiellen Raumproduktion, wie sie von Henri Lefebvre bereits in den 1960er Jahren gefordert wurde, endlich in den Mainstream vorgedrungen sein. Für andere hat sich ein Dispositiv verfestigt, das in seiner Flüchtigkeit und Prozesshaftigkeit neoliberalen Anforderungen und Verwertungslogiken geradezu entgegenkommt. Umso dringlicher gilt es, Projekte zu finden und zu verstehen, denen es gelingt, die feine Balance zwischen symbolischem Kapital und Popularisierung, zwischen Beteiligung und Dienstleistung, zwischen Unterhaltung und Lerneffekten produktiv zu machen.
Die Architekten Peter Fattinger, Veronika Orso und Michael Rieper treten im Feld des Temporären als loses Kollektiv auf. Sie agieren aber nicht als urbanes Kriseninterventionsteam, sondern tauchen bevorzugt an Orten auf, die bereits als saniert und repariert gelten. Ihren Interventionen gelingt dabei, was aufwendige bauliche Umgestaltungen zuvor nicht geschafft hatten: einen öffentlichen Ort zu schaffen, zuletzt mit „Bellevue. Das Gelbe Haus“ im Rahmen von Linz 2009 – Kulturhauptstadt Europas. Schauplatz war ein neuer Landschaftspark auf der Einhausung der Linzer Stadtautobahn, von den lärmgeplagten Anrainern jahrelang ersehnt, nach der Eröffnung mäßig genutzt. An der Kante zur Autobahn holte das „Gelbe Haus“ auf der einen Seite die verlorene Aussicht auf die Autos zurück und stellte sich auf der anderen der
grünen Langeweile des Parks. Mit seinem Satteldachzitat, vertraut von den ruralen Typologien der umliegenden Wohnbauten aus der NS-Zeit, und einer blumengeschmückten Aussichtsterrasse war es von Anfang an populär, gleichzeitig aber fremd genug, um Bewegung in den Quartiersalltag zu bringen. Über seine Zeichenhaftigkeit hinaus bot es ein spannendes räumliches Gefüge für viele Nutzergruppen mit Nischen für Jugendliche, Unterkünften für Künstler, einer Kantine mit wöchentlich wechselnden Köchen, Ateliers und Schauräumen und einer Bühne mit täglichen, kostenlosen Veranstaltungen. Die bei solchen Projekten viel beschworene Aneignung grenzte hier fast an Vereinnahmung.
Das „Gelbe Haus“ muss bleiben, forderten viele Anrainer am Ende des Sommers und verkannten damit die Stärken des Ausnahmezustandes, den der Modus des Temporären herstellt: die Möglichkeit, rechtliche Hürden zu überwinden und an einem neuralgischen Ort zu bauen, die Bereitschaft, bei Auftraggebern und Besuchern Ungewohntes auszuprobieren, und eine Intensität, wie sie nur eine zeitlich begrenzte Verausgabung hervorbringen kann. Nicht trotz, sondern wegen ihrer Flüchtigkeit sind temporäre Interventionen wirksam. Das „Gelbe Haus“ wird als Phantom im Quartier bleiben.
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