Gemeinsamer Masterplan
Text: Stratis, Socrates, Athen
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Zeichnung: Nicosia Municipality
Zeichnung: Nicosia Municipality
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Socrates Stratis erklärt, warum der Walled City Masterplan für Nikosia für die Zusammenführung des griechischen und des türkischen Teils von Zypern eine Vorbildfunktion übernommen hat und wie die preisgekrönte Idee dieses Plans in den letzten Jahren weiterentwickelt wurde.
Im Jahr 2003 besuchte ich erstmals den Nordteil der Altstadt von Nikosia, der seit dem Ausbruch der ethnischen Spannungen zwischen den griechischen und türkischen Zyprioten unzugänglich gewesen ist. 2003 befand sich Zypern im Beitrittsprozess zur Europäischen Union, und infolge von Demonstrationen türkischer Zyprioten sah sich die türkische Armee gezwungen, erstmals seit der türkischen Invasion von 1974 einen Grenzübertritt der Einwohner in den jeweils anderen Landesteil zu gestatten.
Ein fast nebensächlicher Eindruck hat sich mir damals ganz besonders eingeprägt: Beim Blick auf die Pflasterung der Fußgängern vorbehaltenen Haupteinkaufsstraße der nördlichen
Innenstadt stellte ich fest, dass es genau dieselbe war wie im Südteil der Straße: Auch hier wechselten graues Betonpflaster und hellgelbe Zwischenräume einander ab. Dieses Detail gab mir etwas, an dem ich mich festhalten konnte. Das Paradox der zweigeteilten Stadt, deren beide Teile einander so nah und gleichzeitig so fern sind, wurde unter den eigenen Füßen sichtbar. Schließlich gab mir das Vorhandensein dieser gleichförmigen Pflasterung eine gewisse Hoffnung für eine gemeinsame Zukunft der geplagten Stadt.
Entworfen wurde dieses grau-gelbe Muster von einer Reihe von Planern, die für den Masterplan für Nikosia verantwortlich zeichnen. Griechisch-zypriotische und türkisch-zypriotische Architekten, Stadtplaner und Soziologen arbeiten hier seit 1979 unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen zusammen. Ihr Ziel ist es, Brücken zu bauen und Felder der Zusammenarbeit zwischen beiden Gesellschaften zu schaffen. „Nicosia Master Plan“ unterhält ein Büro in jedem Teil der geteilten Stadt, das sich mit der Wiederbelebung, der Bewahrung des historischen Erbes und der zukünftigen Entwicklung Nikosias über die Grenze hinweg befasst. Kürzlich wurde der Nicosia Master Plan mit dem Aga Khan Award ausgezeichnet.
Die gegenwärtigen Projekte des Teams folgen dem Prinzip sogenannter Zwillingsprojekte. Zu beiden Seiten der Trennlinie werden Vorhaben von jeweils vergleichbarer Bedeutung in Angriff genommen: die Restaurierung von Baudenkmälern und die Sanierung von Vierteln innerhalb der Altstadt, eine Bestandsaufnahme der Pufferzone sowie die Verwaltung der gemeinsamen Kanalisationsinfrastruktur. Abgesehen von den großen Schwierigkeiten, die eine solche Arbeit über die Trennlinie hinweg mit sich bringt, hat das Prinzip des Zwillingsprojekts allerdings den Nachteil, dass die Zusammenarbeit und das Vertrauen, das im Verlauf der Jahre zwischen den griechisch-zypriotischen und den türkisch-zypriotischen Teammitgliedern gewachsen ist, nicht voll ausgenutzt werden kann. Denn jedes Team arbeitet ja separat für sein Zwillingsprojekt, so dass die Anstrengungen nicht gebündelt werden; es entsteht eine Konkurrenz, und Probleme wie etwa die sich verschlechternden Lebensbedingungen für die wachsende Zahl von Einwanderern im Stadtzentrum lassen sich nicht effektiv bekämpfen.
Wie ließe sich in der Ära nach dem Konflikt ein öffentliches Engagement für Stadtgestaltung wecken, das über den Nicosia Master Plan mit seiner über lange Jahre überaus wichtigen Konzeption hinausgeht? Es ist heute wichtig, dessen Zukunft neu zu denken – als die eines Motors für Zusammenarbeit in einem möglichen neuen zypriotischen Bundesstaat – und damit das ursprüngliche Ziel, den Bau von Brücken über die Grenze hinweg, neu aufzugreifen. Anstrengungen in dieser Richtung wurden bereits unternommen, so 2005 in Nikosia bei „Leaps of Faith“, einem internationalen Event zeitgenössischer Kunst, oder beim Kontea-Projekt (Kontea Heritage Foundation), in dessen Rahmen die griechisch-zypriotischen und die türkisch-zypriotischen Einwohner des Dorfs gemeinsam unter dem Dach der UNO zusammenarbeiteten, um dort die Moschee und die Kirche zu restaurieren und so das kulturelle Erbe ihrer Gemeinde zu erhalten. Weitere Anstrengungen unternimmt der Rat für Wiederaufbau und Wiederbesiedlung, der den Vereinigungsprozess der Insel in Hinblick auf die gebaute Insel vorbereiten soll. All diese Versuche bewegen sich in einem sensiblen politischen Kontext, der sie häufig zum Scheitern bringt. Ein Beispiel dafür war die Absage der Manifesta 6, die eigentlich 2006 in Nikosia stattfinden sollte.
Könnte die Stadtplanung solche öffentlichen Initiativen unter den bestehenden städtischen Rahmenbedingungen ermutigen, statt sie nur, wie in den meisten der genannten Fälle, als Ausnahme zu behandeln? Eine Event-orientierte Initiative, angestoßen von der Architektengruppe AA & U, wurde 2008 während der städtischen Vorbereitungsphase für einen Masterplan für Pyla ins Leben gerufen – sie bemüht sich um eine solche „Dehnung“ der Planungsbasis. Die Gemeinde Pyla liegt innerhalb der Pufferzone, es ist die einzige, in der heute noch griechische und türkische Zyprioten zusammenleben. Allerdings teilen sich die Bewohner nicht wirklich den öffentlichen Raum und entscheiden auch nicht gemeinsam über ihre Gemeinde. Eine Serie von Aktionen wurde deshalb von der Initiative entworfen, die „Momente“ kreativer Spannung unter den verschiedenen Planergruppen erzeugen, um das öffentliche Engagement zu verstärken. So wurde ein Public Private Synergy Workshop durchgeführt, um die gewählten Vertreter der griechisch-zypriotischen und der türkisch-zypriotischen Gemeinde zu umgehen und direkt mit den Dorfbewohnern zu kooperieren. Ein gemeinsamer Verständigungsplan hatte das Ziel, Räume der Koexistenz für beide Volksgruppen zu schaffen. Der Weg ist jedoch mühsam.
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