Haus Lindetal
Das erste Holzhochhaus steht in norwegischen Bergen, weitere sind weltweit in Planung. Auch eine chemische Behandlung wird erforscht, um den nachwachsenden Rohstoff bisher unvorstellbaren Anforderungen genügen zu lassen. Angesichts dessen scheint Haus Lindetal von AFF Architekten und Stephan Hahn nicht mehr als eine Kapriole zu sein. Doch Handwerk erweist sich einmal mehr als Schlüssel zum zeitgemäßen Bauen.
Text: Kasiske, Michael, Berlin
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Das Wochenend-Holzhaus steht in der Gemeinde Lindetal in Mecklenburg-Vorpommern.
Foto: Hans Christian Schink
Das Wochenend-Holzhaus steht in der Gemeinde Lindetal in Mecklenburg-Vorpommern.
Foto: Hans Christian Schink
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Bis in die 1980er Jahre stand auf dem Grundstück ein baufällig gewordenes Vorlaubenhaus.
Foto: Hans Christian Schink
Bis in die 1980er Jahre stand auf dem Grundstück ein baufällig gewordenes Vorlaubenhaus.
Foto: Hans Christian Schink
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Das Fassadendetail ist eine Stülpschalung aus Lärche.
Foto: Hans Christian Schink
Das Fassadendetail ist eine Stülpschalung aus Lärche.
Foto: Hans Christian Schink
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Der Auftrag des Leinöls auf die Lärchenholz-Fassade wurde auf dem Abbundplatz vorgenommen und benötigte eine Abtrocknungszeit von drei bis vier Tagen.
Foto: Hans Christian Schink
Der Auftrag des Leinöls auf die Lärchenholz-Fassade wurde auf dem Abbundplatz vorgenommen und benötigte eine Abtrocknungszeit von drei bis vier Tagen.
Foto: Hans Christian Schink
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Das Raumtragwerk wurde auf das Podium aufgesetzt ...
Foto: Hans Christian Wieser
Das Raumtragwerk wurde auf das Podium aufgesetzt ...
Foto: Hans Christian Wieser
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... und ohne Nägel oder Schrauben ...
Foto: Hans Christian Wieser
... und ohne Nägel oder Schrauben ...
Foto: Hans Christian Wieser
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... mit Zapfen verbunden.
Foto: Hans Christian Wieser
... mit Zapfen verbunden.
Foto: Hans Christian Wieser
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Da die rohen Hölzer nicht ganz gerade sind, wurden die Balken vor dem Aufrichten probehalber auf dem Boden zusammengesetzt und die Verstrebungen ausgelegt. Die genauen Maße wurden vom 3D-Modell auf dem Laptop abgenommen.
Foto: Sven Fröhlich
Da die rohen Hölzer nicht ganz gerade sind, wurden die Balken vor dem Aufrichten probehalber auf dem Boden zusammengesetzt und die Verstrebungen ausgelegt. Die genauen Maße wurden vom 3D-Modell auf dem Laptop abgenommen.
Foto: Sven Fröhlich
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Nachts in der Bauhütte
Foto: Hans Christian Wieser
Nachts in der Bauhütte
Foto: Hans Christian Wieser
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Auch technisch bleibt das Haus bodenständig: eine Luftwärmepumpe sorgt zusammen mit dem Lehmofen für angenehme Temperaturen.
Foto: Hans Christian Schink
Auch technisch bleibt das Haus bodenständig: eine Luftwärmepumpe sorgt zusammen mit dem Lehmofen für angenehme Temperaturen.
Foto: Hans Christian Schink
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Details einer der seitlichen Treppenaufgänge.
Foto: Hans Christian Schink
Details einer der seitlichen Treppenaufgänge.
Foto: Hans Christian Schink
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Foto: Hans Christian Schink
Foto: Hans Christian Schink
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Der Einbauschrank im Obergeschoss bietet Stauraum.
Foto: Hans Christian Schink
Der Einbauschrank im Obergeschoss bietet Stauraum.
Foto: Hans Christian Schink
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Die Türen zur Terrasse lassen sich breit öffnen.
Foto: Hans Christian Schink
Die Türen zur Terrasse lassen sich breit öffnen.
Foto: Hans Christian Schink
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Links und rechts wird das zweistöckige Holzhaus von Pflaumenbäumen flankiert. Die Bruttogeschossfläche beträgt 172 Quadratmeter, die Baukosten liegen bei ca. 250.000 Euro.
Foto: Hans Christian Schink
Links und rechts wird das zweistöckige Holzhaus von Pflaumenbäumen flankiert. Die Bruttogeschossfläche beträgt 172 Quadratmeter, die Baukosten liegen bei ca. 250.000 Euro.
Foto: Hans Christian Schink
Am Anfang stand ein Déjà-vu: Ein Sonntagvormittag, ein auf festem Sockel errichtetes Holzhaus in exponierter Lage und Städter auf dem Land. Dorthin, zum Wochenenddomizil „Upper Lawn“ von Alison und Peter Smithson in den Wilt-shires, wies mir vor zwanzig Jahren ein Bauer den Weg; hier im Stargarder Land wusste eine Dorfbewohnerin auf der Straße mit einem Fingerzeig die Frage nach dem „Holzhaus“ zu beantworten.
Sein Bauherr hatte sich in die sanft bewegte Endmoränenlandschaft verguckt. Auf dem Grundstück stand bis in die 1980er Jahre ein denkmalgeschütztes, schließlich baufällig gewordenes Vorlaubenhaus. Zunächst wünschte man ein Lehmhaus, doch gab es hier weder den Baustoff noch die Fertigkeiten ihn zu verbauen, wie überhaupt der dünnbesiedelte Landstrich kaum Fachbetriebe aufweist. Die Überlegungen des beauftragten Berliner Architekturbüros AFF konzentrierten sich deshalb auch darauf, wie eine kleine Baustelle ohne weite Anfahrten bewerkstelligt werden könnte.
Monolithisches Podium
Die Lösung fand sich mit Stephan Hahn, der zusammen mit Sven Fröhlich von AFF studiert hatte. Der Architekt ist zugleich Zimmerer und arbeitet vornehmlich an Bestandsbauten. Mit ansteckender Begeisterung berichtet er von einer Sanierung in Lindow nahe Lübeck, noch während des Studiums, bei der im einstigen Grenzgebiet stehende, als Schweinemastställe verschlissene niedersächsische Hallenhäuser wieder zu Wohnhäusern umgewidmet werden konnten. Das Bewusstsein von der Qualität und Permanenz ihrer Holzverbindungen begleitet Hahn seitdem, deshalb nahm er die Verwirklichung des als „Wohnhalle mit Nebenräu-men“ konzipierten Hauses in Lindetal gerne an.
Zunächst sorgte Sven Fröhlich für die Grundlage, nämlich eine Art „Podium“. Monolithisch in Beton gegossen, setzt es sich aus einer in Längsrichtung stufenhoch verspringenden Bodenplatte sowie einer Mittelwand mit jeweils einem Treppenlauf an den Enden zusammen. Die regionale Baufirma zweifelte angesichts der komplexen Schalung an ihrem Können, doch es gelang, auch wenn manche Kante hätte schärfer ausfallen können.
Im Frühjahr 2015 wurde, wie einst bei den Smithsons, eine Art „Holzbauhütte“ eröffnet. Hahn zog mit zwei Kollegen auf das nun als „Abbundplatz“ dienende Grundstück; der Begriff „Abbinden“ meint das Anreißen, Bearbeiten und Einpassen der Hölzer vor Ort. Sieben Wochen lagen zwischen der Lieferung rohen Holzes aus zwei nahegelegenen Sägewerken und dem Richtfest. Vor dem kleinen Haus stehend erscheint mir die Zeit lang, angesichts der aufwändigen zimmermannsmäßigen Verbindungen wiederum kurz.
Das Holzrahmenbauwerk ist im Unterschied zum Fachwerk, das aus Scheiben zusammengesetzt ist, ein Raumtragwerk. Über dem Podium stehen auf einem Schwellenkranz aus Eichen-holz vier Hauptrahmen, deren aussteifenden Kopfbänder im Wohnraum sichtbar geblieben sind.
Das Tragwerk wurde dann ausschließlich durch Versätze, Zapfen- oder Holznagelverbindungen gefügt. Der Verzicht auf Eisen folgt keiner ideologischen Abwehrhaltung, sondern entspringt dem Berufsstolz, nur Materialien zu verwenden, deren Eigenschafen wie Schwinden man positiv zu nutzen weiß.
Genauso wie die Planung vom Computer profitiert das Handwerk von Geräten wie dem Kettenstemmer, eine Fräse, die exakt Zapflöchern aushöhlt und das kräftezehrende, zeitraubende Arbeiten mit dem Stemmeisen ersetzt. Das Werkzeug, zusammen mit der Handkreissäge, ermöglicht ein wirtschaftliches Herstellen von Holzverbindungen, wie etwa so genannte Schwalbenschwänze. Dabei ist der geschulte Blick des Zimmerers unerlässlich, denn im Gegensatz zu Schichthölzern, die universell verwendet werden können, beinhaltet gewachsenes Holz Splint oder Astlöcher. Für die Konstruktion wurde Douglasie verwendet. Aufgrund seines Harzgehalts weist es, wie die Lärche, eine natürliche Dauerhaftigkeit der erforderlichen Klasse 3 auf und kann ohne Imprägnierung gegen Insekten oder Pilzen verwendet werden.
Nach der ersten Phase, dem Rohbau, beginnt das Dämmen und das Aufbringen der Wandbekleidungen. Die Außenschale setzt sich nach der Holzweichfaserdämmung zusammen aus einem durch aufgetragenes Wachs oder Öl wasserundurchlässiges Windpapier, eine Trägerlattung, und abschließender Verkleidung aus Lärche. Die Stülpschalung, vom Bauherrn als Referenz an die regionalen Scheunen erwünscht, besteht aus Brettern, die von der Rinde befreit wurden. Dadurch behielten sie ihre unregelmäßige Form, folgen jedoch einer um das Haus gelegten Linie, so dass die auf Gehrung geschnittenen Gebäudekanten verblüffend exakt ausgeführt sind. Die dunkle Farbe, mit der auch die Fensterrahmen und -laibungen aus Eiche behandelt wurden, erzeugte ein mit Graphit versetztes Leinöl.
Tradition ohne Romantik
Abschließend folgte der Innenausbau. Die Wände bestehen aus Kiefernholz als Gebrauchsschalung, auf die quer zum Holz Einrohrschilfmatten angebracht wurden, die den abschließenden Kalkputz halten.
Die handwerkliche Tradition der Gegenwart, bar jeder Romantik, entspricht der klaren Gliederung des Hauses in Grund- und Aufriss. Auf der Terrasse, die wie ein Steg in den sanft abfallenden Landschaftsraum hineinragt, erinnere ich mich im Rückblick an die „Komplexe Gewöhnlichkeit“, die „Upper Lawn“ von den Smithsons charakterisiert, und die hier auf so schlüssige Weise neu interpretiert wird.
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