Hotelfachschule
Das Pendant zum Blankenstein
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Die Berliner Hotelfachschule hat ein hohes Qualitätsbewusstsein. Sie möchte die Beste im Land sein. Der Erweiterungsbau von Schulz & Schulz zeigt sich auf den ersten Blick bescheiden und nüchtern. Die Feinheiten der Ausführung, die auch ein Credo der Schule sind, erkennt man erst bei genauerer Betrachtung.
Im Stadtquartier zwischen Hausvogteiplatz, Friedrichwerderscher Kirche und Auswärtigem Amt in der Mitte Berlins stehen seit einigen Jahren die Blocks mit den schmalen Townhouses eines neuen, weitgehend anonym lebenden City-Bürgertums. Die Architektur der „Renaissance des Städtischen“ ist ihm angepasst – eher gediegen, manche Fassaden wurden „baukünstlerisch“ oder nostalgisch in Szene gesetzt. Trotz aller berechtigter Kritik an diesem Konzept ist es immerhin gelungen, entlang der historischen Straßenzüge mitten in der Stadt keine neuen Büros, sondern Wohnraum zu schaffen.
Die Niederwallstraße bildet die südliche Kante dieses Viertels und endet im Südosten bei den großen Wohnblocks an der Leipziger Straße. Entlang dieser Straße, nahe des Hausvogteiplatzes, ist nun die vorletzte Baulücke geschlossen worden. Einst stand hier das 1885 errichtete Hauptgebäude einer Schule von Hermann Blankenstein (1829–1910). Nach dem Krieg wurde die Fläche nicht neu bebaut und als Parkplatz genutzt. Das dem Hauptbau sehr ähnliche Hofgebäude aus rotem Backstein und mit einem eindrucksvollen hallenartigen Treppenhaus wurde ebenfalls von Blankenstein errichtet und wird bereits seit einigen Jahren durch die Staatliche Wirtschaftsschule für Hotellerie und Gastronomie (HOFA) genutzt. Als die Schule vergrößert und modernisiert werden sollte, wurden erste Umzugspläne geschmiedet. Man besann sich dann aber doch auf den Standort, da es Kooperationen mit den großen Hotels im Stadtzentrum gibt. Viele der 300 Schüler sind dort zeitweise tätig. So lag es nahe, die freie Fläche an der Straße für ein neues Gebäude zu nutzen.
388 Millimeter
Der Senat lobte daraufhin einen eingeladenen Wettbewerb aus, den Schulz & Schulz Ende 2007 gewinnen konnten. Im August wurde der Schulneubau fertiggestellt. Die Architekten waren beeindruckt von der Fassade des Hinterhauses. Für sie sollten Alt- und Neubau der Schule eine Einheit bilden. Deshalb entschieden sie, für die Gestaltung der Fassaden Anleihen beim historischen Hofgebäude und dem unmittelbaren Stadtraum zu machen, zu dem auch die sonderbare Fassade des Erzbischöflichen Ordinariats nebenan gehört. Die rote Klinkerfassade des Hofgebäudes beeindruckt durch ihre Materialität, Plastizität und Gliederung. Besonders die breiten, in drei Felder unterteilten Fensteröffnungen und ausgeformten Laibungen wurden neu interpretiert. Bei der Vorsatzschale des Neubaus handelt es sich um speziell angefertigte, extrem langformatige Klinker in den Abmessungen 388 x 40 x 115 mm, die nicht verfugt wurden. Hell eingefärbte Sichtbetonfertigteile heben sich deutlich hervor und greifen das Motiv der durchlaufenden gelben Ziegelbänder des Hofgebäudes auf.
Der Hof als Raum
Bei der Entwurfskonzeption war die breite Durchfahrt wichtig. Sie dient als allgemeiner Eingangsbereich der Schule. Der Besucher nimmt bereits hier das historische Gegenüber war. Beim Eintritt in den Hof, der von zwei Klinkerfassaden und zwei Brandwänden nahezu vollständig geschlossen wird, befindet er sich in einem Raum, der aus der Sicht der Architekten die eigentliche Mitte der Schule bildet. Eine kleine Remise wird heute als Fahrradgarage genutzt. Die Gestaltung des Hofs durch die Landschaftsarchitekten mit Würfel-Hockern überzeugt weniger.
Im Neubau sind speziell für das Hotelgewerbe zugeschnittene Lehrräume untergebracht. Im Mittelpunkt steht die große Küche, für die man sich die beste Ausstattung – aus der Schweiz – geleistet hat. Im zweiten Obergeschoss befindet sich ein komplett eingerichtetes Hotelzimmer für die Ausbildung. Die Staffelung der beiden obersten Geschosse ist den Vorgaben an die Kubatur geschuldet. Die Hausmeisterwohnung bekam zum schönen Ausblick so auch noch eine Terrasse.
Die Schule passt mit ihrer Nutzung gut in dieses neue Quartier in der Mitte Berlins, das einem durch seine artifizielle Wirkung noch immer fremd ist. Mit seinem sorgfältig konzipierten Fassadenaufbau und seiner Materialität hebt sich der Neubau jedoch von der Umgebung ab. Er mag zwar zu blockhaft wirken, aber kein anderes der vielen in letzter Zeit drum herum entstandenen Gebäude lässt eine solche Sensibilität und Souveränität im Umgang mit der Nachbarbebauung erkennen.
Fakten
Architekten
Blankenstein, Hermann (1829–1910); Schulz & Schulz, Leipzig
Adresse
Niederwallstraße 6/7 10117 Berlin-Mitte
aus
Bauwelt 45.2012
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