Kapitel 17: Der Sponsor und die Präzision
Rolex und das Learning Center in Lausanne
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Vielleicht sollte sich heute jede Universität passende Sponsoren suchen, um sich ein vergleichbares
Kommunikations- und Empfangsgebäude zu leisten – als Großraum der Repräsentation, der konzentrierten
oder freien Lektüre, der Gastronomie und des offenen Gedankenaustauschs.
In Lausanne war neben Nestlé, Novartis und der Crédit Suisse vor allem Rolex am Werk. Die weltberühmte Uhrenmanufaktur hat entscheidend mitgewirkt, damit das Projekt des Learning Centers für rund 110 Millionen Schweizer Franken realisiert werden konnte. Rolex symbolisiert par excellence die Präzision Schweizer Uhrwerke, die in kostbaren Gehäusen verborgen liegen. Dem Sponsor war es wichtig, dass im Center hier und dort große Standuhren mit etwas sprödem klassischem Zifferblatt und silbern funkelnder Umrandung aufgestellt wurden.
Das Rolex Learning Center (Heft 13.10) besteht aus zwei Wellen, einer geschwungenen Boden- und einer Dachscheibe. Dazwischen befinden sich 3,30 Meter Luft. Die untere Scheibe löst sich an vielen Stellen mit einer Höhe von bis zu sieben Metern völlig vom Boden ab. Die Betonkonstruktion bildet weite, sehr flache Bögen. Ich unterquere einen großen Bogen. Die Frage nach den Details drängt sich auf, ich will wissen, was für eine Konstruktion diese elegante Form der statisch zu flachen Bögen möglich machte. Bei dem mir zur Verfügung gestellten Gebäudeschnitt der Ausführungsplanung fällt eine extrem konzentrierte Bewehrung ins Auge. Die Betonierung der Scheibe musste innerhalb von 48 Stunden in einem Vorgang abgeschlossen sein. Dafür waren rund um die Uhr alle verfügbaren Betonmischfahrzeuge der Region erforderlich. Die logistische Leistung gelang.
Die Form des Dachs folgt dem doppelt gekrümmten Boden in allen Bereichen. Das Dach besteht jedoch nicht aus Beton, sondern aus einer Mischkonstruktion, um den gewünschten Eindruck von Eleganz und Feinheit des Gebäu-des zu erreichen. Mit Blick auf den hohen gestalterischen Anspruch des Projekts läge es nahe, auch die Dachkonstruktion mit dem Gehäuse einer Rolex-Uhr vergleichen. Es offenbaren sich aber eklatante Unterschiede des Handwerks, die man nennen muss: hier ein Gehäuse äußerster Präzision, dort eine Mischkonstruktion aus Stahl, Brettschichtholz, Trapezblech und einer Kunststoffmembran. Diese Konstruktion ist ohne Reiz, sie wurde – die Baustellenfotos zeigen es – einfach nur entsprechend der Vorgaben zusammengeschustert und anschließend den Wünschen der Architekten folgend komplett nach allen Seiten hin kaschiert, damit sie sich der Bodenscheibe angleicht.
Die Wirkung der Räume ist erhebend. Schon beim Eintritt lässt man sich es nicht nehmen, den ersten leichten Gebäudehügel zu erklimmen. Wie in der Natur gibt jede Hügelkuppe neue Blicke frei, hier in andere, noch zu entdeckende Bereiche, in die vielen großen und kleinen Innenhöfe und immer wieder nach draußen, denn die Zwischenzone der beiden Scheiben ist komplett verglast. Die faszinierende Erkundung des durchlöcherten Gebäudes scheint kein Ende zu finden; immerhin misst das Rechteck 166 x 121 Meter.
Die Reize der Hügellandschaft wurden von den Besuchern sofort angenommen. Dass der buckelige Raum mit teilweise erheblichen Steigungen auch Zwänge ausübt, ist nicht zu übersehen. Es zeigt sich an den schlängelnden Rampen und vor allem an den beiden Lastenaufzügen mit Loren, die ältere oder unsicher laufende Gäste, Bücher und den Nachschub für die Küchen nach oben transportieren. Kazuyo Sejima wollte keine zusätzlichen Stützen zwischen den Scheiben. Sie war an diesem Punkt sehr strikt. Einige musste sie dann doch akzeptieren (Abgrenzung Bibliothek etwa). Der Eindruck von Leere suggeriert Ruhe und Meditation. Der Raum wirkt streng reduziert und schlicht – japanisch karg nach allen Regeln der Kunst. Zugrunde liegt dieser Kargheit allerdings ein hochkomplexes, nicht sichtbares Bausystem. Ehrlich ist das nicht.
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