Bauwelt

Kapitel 6: Radikalität und Kontext


Haus in einem Pflaumenhain, Tokyo


Text: Fischer, Jeanne-Françoise, Berlin


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    Hisao Suzuki

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Besuch des „House in a Plum Grove“. Es regnet, und auf der Eingangstür des kleinen Hauses haben Katzen dunkle Pfotenabdrücke auf der ansonsten monochrom weißen Fläche hinterlassen. Vorbei an Schuhen und Kartons gelangt man in ein lichtdurchflutetes, aus vielen, sehr kleinen Räumen bestehendes dreidimensiona­les Gefüge. Die Luft ist etwas feucht, und auf den großen Fensterflächen schlägt sich Kondens­wasser nieder. Die Konzeption des „House in a Plum Grove“ ist beeindruckend. Um die Vorgaben der Bauherren zu erfüllen, wurden die Bäume des ehemaligen Pflaumenhains erhalten und eine loftartige Wohnsituation für die vierköpfige Familie geschaffen. Die tragende Idee, die Aufhebung der Grenzen zwischen den einzelnen Räumen sowie zwischen Innen- und Außenraum, ist radikal und konsequent. Die nur 16 mm dicken, tragenden Stahlwände im Inneren dienen der Gliederung der Funktionen, ohne sie zu trennen. Auch die Ausbildung der Fassade entspricht dieser Idee, eine größtmögli­che visuelle Verbindung zwischen Innen- und Außenraum zu generieren. Die Außenwände sind nur 55 mm dick, aus tragenden Stahlplatten mit innen liegender Dämmung. Die Detaillierung ordnet sich der räumlichen Konzeption, dem Wunsch nach einer platzsparenden, nahezu dematerialisierten Konstruktion und starken Sichtbezügen nach außen unter. Deutlich wird das an einem Detail: Unter den Fassadenöffnun­gen sind innen Aluminium-U-Profile montiert, die das Kondenswasser sammeln.

Bewertet man das Projekt nach europäi­schen Maßstäben, so entspricht es nicht unse­ren technischen Standards. Muss es auch nicht. Während in Deutschland festgelegte Normen die Mindest-Dämmwerte von Bauteilen definieren, gibt es in Japan keine solchen Festschreibun­gen, zum Beispiel sind Einfachverglasungen nach wie vor üblich. Die Radikalität des Entwurfs wird durch die japanische Bautradition und die eher temporäre Betrachtung der Architektur begünstigt. Doch auch vor diesem Hintergrund wird bei SANAA den Details eine eher beigeordnete und dienende Bedeutung zugemessen. Kompromisse werden zugunsten des konzeptionell Relevanten akzeptiert oder Lösungen mit kleiner Geste mitgeplant.



Fakten
Architekten Kazuyo Sejima, Ryue Nishizawa, SANAA, Tokyo
aus Bauwelt 33.2010

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