Bauwelt

Kindergarten



Text: Mrduljaš, Maroje, Zagreb


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Maroje Mrduljaš hat in Zagreb ein lilafarbenes Haus für Kinder gefunden, das die standar­disierten Rahmenbedingun­gen der Bauaufgabe neu definiert: Die Funktionen wur­den „zusammengedrückt“ und gleichzeitig geöffnet, so dass sich experimentelle Raumnutzungen von selbst ergeben.
Der Stadtteil Vast Dubrava im Nordosten von Zagreb ist ein eher amorphes Viertel, wo außer den Anwohnern eigentlich keiner hinfindet. Dubrava hat nicht viel zu bieten – keine öffentlichen Einrichtungen, keine hübschen Parks, nichts. Selbst auf die Atmosphäre von Stadt mit einer „Schönheit des Alltäglichen“, die es in anderen Teilen von Zagreb durchaus gibt, muss man hier verzichten. Bullige Wohnblocks aus sozialistischen Zeiten dümpeln wie Bohrinseln im Meer der kleinen Einfamilienhäuser. Weder der Stadt noch der Vorstadt zuzurechnen, stehen hier unterschiedliche Typologien ohne erkennbare Logik nebeneinander.
Die heikle Aufgabe, hier einen neuen Kinder­garten zu bauen, lösten die Architekten Hrvoje Njiric und Davor Busnja, indem sie auf dem verfügbaren Grundstück eine Art Mini-Stadt-Gefüge entwickelten. Sie erfanden eine nach innen orientierte Vision eines Kinderkosmos und formulierten das Ganze als schickes Mikro-Schloss in der Farbe Lila: Njirics architektoni­sches Motto eines heterotopischen „Andernorts“ greift durchaus auch hier.
Allein wegen seiner auffälligen Farbe wurde der Neubau in dem eher vernachlässig­ten Gebiet sofort zu einer Landmarke und zum Inbegriff moderner Baukultur. Die Textur der dicken Gipsmauern, Reminiszenz an das
Informel, steht in raffiniertem Kontrast zu den großzügigen Glasfronten und filigranen Fens­terprofilen. Das flache L des Gebäudequerschnitts erschöpft sich nicht in der rein formalen Geste – nur so ließ sich der Bau gegen die lärmige Hauptverkehrsstraße hin zurücksetzen.
So entstand eine einfache Form, die aber keine Langeweile aufkommen lässt. Und der Inhalt? Der hybride Typus aus Flachbau und Mini-Turm ergab sich für die Architekten auch aus ihrer Neuinterpretation der gesetzlichen Vorgaben. Das daraus resultierende Raumgefüge entwickelten sie als ein dichtes dreidimensionales Netzwerk weiter. Die teils offenen Atrien und Terrassen und die weniger geschlossenen Räume sind um das zentrale Rückgrat der „pädagogischen Promenade“ herum organisiert. Was der unmittelbaren Umgebung fehlt – die Komplexität, Dichte und Diversität eines urbanen Alltags –, wird im Inneren des Gebäudes rekon­struiert.
Läuft man die „Promenade“ entlang, stößt man auf eine Reihe von Räumen, die in herkömmlichen Kindergärten sorgfältig verschlossen bleiben. Hier dagegen wirken sie samt den darin stattfindenden Tätigkeiten in einer Reihe von hintereinander geschalteten gläser­­­­nen Boxen wie ausgestellt: Küche, Wäscherei, Büroräume ... Der sonst kaum belebte Nicht-Ort Flur wird zu einem Schauplatz, wo die Kinder in Kontakt mit allen Aktivitäten kommen, die es im Inneren des Gebäudes eben so gibt. Der Kindergarten, der Ort, wo die Kinder zum ersten Mal über längere Zeiträume hinweg auf eine institutionalisierte Struktur treffen, wird so zum Ort des Erkundens, der den ganz normalen Alltag nicht ausspart und vielfältige soziale Interaktionen sichtbar macht.
Ob das viele Glas der Trennwände die optimale Lösung ist, muss sich noch erweisen. Das Personal jedenfalls ist glücklich mit dem experimentellen Charakter des Gebäudes, während die Eltern und Kinder bereits einen gewissen Stolz für diesen besonderen Ort entwickelt haben. Auf meine Frage, ob die Exponiertheit hinter den Glaswänden sich nicht auch nachteilig auf die tägliche Arbeit auswirke, bekam ich von der Hauspsychologin die knappe Antwort, notfalls könne man ja immer noch die Vorhänge zuziehen. Die Empörung darüber, dass ich während meines Besuchs womöglich die Qualitä­­ten des Baus in Frage stellen könnte, war nicht zu überhören. 
Das Generieren von unerwarteten Szenarien ist einer der Grundgedanken der Archi­tek­ten beim Entwerfen. Mit dem Medo-brundo-Kindergarten haben Hrvoje Njiric und Davor Busnja deutlich gemacht, dass soziale Imagination in eine differenzierte bauliche Form überführt werden kann – und zwar gerade dort, wo beispielhafte neue Programme in den letzten Jahren kaum mehr umgesetzt wurden.



Fakten
Architekten Hrvoje Njiric und Davor Busnja, Zagreb
aus Bauwelt 43.2010
Artikel als pdf

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