Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Zaha Hadids römisches Museum der Zeitgenössischen Kunst MAXXI wurde 2009 eröffnet (Bauwelt 3.2010). Man war voller Spannung aber auch Skepsis, ob dieser Bau in die Ewige Stadt passt. Die Wogen haben sich geglättet. MAXXI sorgt längst nicht mehr für Aufsehen. Die Jahre vergehen, und Eindringlinge neuer Prägung ordnen sich in Rom einfach unter – selbst ein Hadid-Bau.
Das gilt auch für das neue Kongresszentrum von Fuksas. Der Wettbewerb war schon 1998, die Bauarbeiten begannen 2008. Für die Römer ist das Projekt, bei dem es Planungs- und Baustopps wegen konstruktiver und finanzieller Probleme gab, längst Geschichte. Man kennt allzu gut die üblichen Schwierigkeiten großer öffentlicher Projekte und scheint vor allem nach der im Rohbau aufgegebenen „Città dello Sport“ von Santiago Calatrava (Bauwelt 24.2014) müde geworden zu sein, sich darüber zu echauffieren.
Die Eröffnung liegt nun schon fünf Monate zurück. Doch beim Besuch Anfang März ist das Haus verwaist. Nirgends ein freier Zugang, auch nicht über die breite Treppenanlage an der Via Cristoforo Colombo. Sie ist noch immer durch einen Zaun versperrt. Der Betreiber weist aber auf zwei Weltkongresse hin: 3000 Schulter-, Ellbogen- und Knie-Chirurgen und sogar 6000 Rechtsanwälte werden 2018 als „Congressisti“ erwartet. Gibt es überhaupt vorher eine Nutzung?
Mitte der neunziger Jahre entschied man sich, den Neubau im Stadtteil EUR zu planen, nahe dem alten Palazzo dei Congressi von Adalberto Libera. EUR, in den dreißiger Jahren unter Mussolini mit einer für die Zeit in Rom üblichen Mischung von Razionalismo und römischen Traditionalismus gegründet, blieb im Krieg unvollendet. Danach hat sich der Stadtteil zu einem bedeutenden Bürostandort außerhalb des Zentrums entwickelt, und so war die Entscheidung, hier zu bauen, naheliegend. Den internationalen Wettbewerb unter Vorsitz von Norman Foster gewann mit Fuksas ein römisches Büro. Die Planungen gingen innerhalb der zehn Jahre mit langsamen Schritten und riesigen Hürden voran. Es waren auch gewisse Machenschaften bei der Vergabe und den Geldflüssen zu konstatieren, die soweit möglich verfolgt wurden.
Die Entwurfsidee von Fuksas hatte ihren Reiz: Das Auditorium sollte in einer Wolke verborgen liegen und diese Wolke dann, am liebsten sogar weitgehend „frei schwebend“, in einem gläsernen Haus zu bewundern sein. Die Faszination war groß, zumal heute auch ein Kongresszentrum für das Marketing ein unverwechselbares Signet gut gebrauchen kann. Man taufte das Projekt entsprechend „La Nuvola“. Entstanden ist ein rechteckiger Bau mit Stahlglasfassaden. Zwischen den zweischichtigen Fassaden an den 175 Meter langen Längsseiten befinden sich die Fluchttreppen und weitere Aufzüge. Das Gebäude ist für die eigentliche Nutzung bombastisch mit unerklärlich viel Verkehrsfläche und Luftraum. Begründet wird dies mit der gewünschten, der Bedeutung angemessenen Präsenz am Ort, der zentralen Achse Via Cristofero Colombo.
Haus und Konstruktion weisen eine Menge Merkwürdigkeiten auf. Irritierend ist bereits die Erschließung. Man erreicht das Kongresszentrum über die breite, mit römischen Travertin gestaltete Treppenanlage, die am Haupteingang auf der tiefer liegenden Ebene endet, um dann von der dortigen Halle über Rolltreppen wieder auf die höhere Ebene des Erdgeschosses zu gelangen. Ein riesiger, leider wuchtig und unproportioniert ausgefallener Aufzugsturm trägt die Last der Wolke. Der viele Stahl ist überall präsent, es soll insgesamt 4,5 Mal die Menge wie beim Eiffelturm verbaut worden sein. Man befindet sich nun auf der Ebene unter der Wolke, die über weitere Rolltreppen zu betreten ist.
Die breite Treppe nach unten zum Haupteingang ist damit zu erklären, dass sich auf dieser Ebene im Verborgenen der große Kongresssaal für 6000 Personen befindet, ein schlichter, ganz in schwarz gestalteter und flexibel zu nutzender Raum, der an eine Messehalle erinnert. In der Wolke verbirgt sich, groß inszeniert, nur das Auditorium mit 1800 Plätzen. Kritisch gesehen wer-den muss vor allem, dass man ganz offensichtlich das Gewicht der Wolke mit dem Auditorium unterschätzt hat. Neben dem Aufzugsturm benötigte man zwei weitere Stützen. Die großen Fachwerkkonstruktionen führen sogar hinunter bis in den Kongresssaal. Sie stehen mitten im Raum und beeinträchtigen die Flexibilität und den freien Blick deutlich. Dass es während der Entwurfsphase keine andere Lösung gab, die Lasten abzufangen, und der Bauherr dies akzeptierte, ist verwunderlich.
Es liegt die Vermutung nahe, dass hier ein kraftvoller und mutiger Entwurf nicht in der dafür angemessenen Form während der weiteren Planungsphasen ausgearbeitet wurde. Vieles wirkt daher im Detail wenig durchdacht, vor allem bei der Wolke. Die sicherlich komplizierten Anschlüsse von einem Bauteil zu anderen, die sorgsame Arbeit, das Ineinandergreifen passend entwurflich zu gestalten, ist kaum erkennbar. Schade, denn die Erwartungen, hier ein von außen vermutetes architektonisches Juwel zu betreten, erfüllen sich nicht.
Die Wolke beherbergt neben dem Saal auch viel offenen Raum mit drei Terrassen. Das Auditorium ist erst im hinteren Teil in einem geschlossenen, schwarzen, zunächst kaum ins Auge fallenden Rund eingebaut. Betritt man endlich dieses eigentliche Herz des Kongresszentrums, ist man überrascht über einen in seinen Proportionen angenehmen, in amerikanischem Kirschholz präzis ausgestatteten Raum. Doriana Fuksas entwarf die Sessel und Leuchten.
In der Wolke kommt man ganz dicht an ihre amorphe stählerne Konstruktion heran, die mit unglaublichem Aufwand realisiert wurde und zu mehreren Verzögerungen beim Bauprozess führte. Jeder der geschwungenen Stahlträger variiert. Sie umschließen einen unfertig wirkenden Sockelblock, den man mit der Rolltreppe durchfährt und sich dabei stark an Stahlkonstruktionen in einem Schiffsrumpf erinnert fühlt. Die in freier Komposition „römisch barock“ geschwungenen Stahlträger sind mit Verankerungsklammern für die Verspannung ausgestattet. Da die Träger des „Wolken-Gerippes“ alle unterschiedlich sind, aber die Verkleidung immer die gleiche Verspannung aufweisen sollte, ergab sich eine zusätzliche Schwierigkeit bei der Montage. Von den Terrassen schaut man auch auf die Unterseite der Wolke. Dort zeigt sich das technische Problem der Reinigung.
Kurios ist eine seitlich angrenzende, ebenfalls von Fuksas entworfene Gebäudescheibe. Das vorgesehene Kongresshotel in diesem mit schwarzem Glas verkleideten Block ist nur eine Art Attrappe. Im Inneren befindet sich das Gebäude heute noch in Rohbau. Man will es verkaufen, doch es fehlt weiterhin eine Hotelkette de luxe, die die Scheibe mit geplanten 439 Zimmern und dem Kongress-Restaurant übernehmen will. Es wurde wohl unterschätzt, dass die „Congressisti“ in Rom nicht in der Bürostadt, sondern im Centro storico oder auf einem der Hügel wohnen wollen. Der gesamte Neubau kostete rund 236 Millionen Euro.
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