Bauwelt

Kuhstall


Maß, Gliederung, Proportion


Text: Aicher, Florian, Leutkirch


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    Florian Holzherr

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Florian Nagler hat den Kuhstall in Thankirchen mit Melkhaus so konzipiert, dass er sich mit dem Holz aus dem eigenen Wald der Bauherren konstruieren und größtenteils in Eigenarbeit errichten ließ.
Verwegen ist die Vorstellung schon, den Ursprung all unserer leckeren Milcherzeugnisse mit einem würdigen Bau für ihre leibhaftigen Schöpfer zu ehren – legen wir doch unseren Kindern gerne in den Mund, das käme alles von lila-farbenen Wesen aus den Bergen. Lange ist’s her, dass im Hinblick auf die Viehhaltung Architektur entstand – bei Hugo Häring in Garkau (1924/25) etwa oder bei den Strukturen aus böhmi­schen Kappen einige Generationen zuvor, als der Steinbau ins landwirtschaftliche Bauen vordrang.
„Moderne“ Ställe beherbergen Hunderte von Rindviechern, haben annähernd Außentemperatur, die Tiere laufen in zugewiesenen Bereichen frei, ausgenommen die Bahn für Futterzufuhr und die automatisierten Melkstände. Aus dem Industriebau kommt die Vorstellung, was da funktional gegliedert ist, müsse stützenfrei überdacht werden. Das heißt dann: Stahlbetonstützen, Leimbinder oder und immer mehr: Bodenplatte, Stahlbau, Blechhülle. So prosaisch zeigt sich schon vielfach landwirtschaftliches Bauen, und tatsächlich bleibt das Leben in diesen Büchsen geheimnisvoll bis lila. Baukultur als sichtbar gemachte Lebensform wird da zur rühmenswerten Ausnahme – die sich bestens mit dem bäuerlichen Tun im Stall verträgt.
Denn im Grunde legt der Betriebsablauf in einem Kuhstall eine Gliederung des Raums nahe – eine im Schnitt symmetrische, in der Abwicklung nahezu beliebig oft gereihte Struktur, angemessen abgeschlossen durch das Satteldach – und keineswegs eine stützenfrei überspannte „Einheitshalle“. Statische Erfordernisse, die eine Gliederung sogar zwingend machen, kommen hinzu, wenn der Stall mit Holz konstruiert werden soll, das wie gewachsen verbaut wird, ohne industrielle Aufbereitung. Was auf der Hand liegt, wenn die Bauherren wie viele Bauern über eigenen Wald verfügen und Sägewerke nahe sind. Wenn dann der Bau noch daraufhin bedacht wird, ohne teure Stahlknoten auszukommen sowie komplizierte und zu viele Zuschnitte zu meiden, können gar die Kosten für die Hallen von der Stange unterschritten werden – so gelungen bei dem Kuhstall, den Florian Nagler Architekten im oberbayerischen Thankirchen geplant haben.
Architekten und Tragwerksplaner entwickelten eine Konstruktion aus sägerauem Vollholz, die größenteils in Eigenleistung zum Bau gefügt wurde: Man beschränkte sich auf zwei Holzquerschnitte – ein Kantholz von 20/25 cm und ein Brett von 3/20 cm; man verzichtete auf komplizierte Zapfungen und plattete die Sparren stattdessen mittels Knaggen aus Brettabschnitten an die Ständer an – das bot die Möglichkeit, ausschließlich Schrauben als Verbindungselemente zu benutzen. Gemeinsam mit den statischen Vorgaben führte diese Handhabung zu einer dreischiffigen Struktur, die in ihren Maßen und klaren Proportionen in Grundriss wie Schnitt an die Stringenz des im mittelalterlichen Kirchenbau gebräuchlichen gebundenen Systems erinnert: Stoff, Inhalt und Form stimmen hier. Dass auf diese Weise ein Raum von fast sakraler Qualität entstanden ist, war nie Absicht, doch wird es wohl so wahrgenommen; es verleiht dem elementaren Tun, dem hier Raum gegeben ist, die angemessene Würde. Dieser Zweckbau knüpft an große Räume der Architektur an – und erinnert daran, was deren essentielle Mittel sind: Maß, Gliederung, Proportion.



Fakten
Architekten Nagler, Florian, München
Adresse Thankirchen


aus Bauwelt 41.2010
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