Kulturzentrum in Belfast
Das Kulturzentrum als Signal der Stadtentwicklung
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Mit dem „Karfreitagsabkommen“ im April 1998 hat der Jahrzehnte währende Ausnahmezustand in Belfast ein Ende gefunden. Das von den Bomben des Zweiten Weltkriegs, der Modernisierungswut der sechziger Jahre und der Gewalt der „troubles“ in den Siebzigern versehrte Stadtbild der nordirischen Hauptstadt hat sich erholen können.
Neue Entwicklungen konzentrierten sich dabei auf die Uferzonen des Lagan und ehemalige Hafen- und Werftareale. Mit der Eröffnung des Kunst- und Kulturzentrums „MAC“ im April letzten Jahres wurde nun ein großer Schritt hin zur Wiederbelebung auch des nördlichen Zentrums unternommen. Das von den Belfaster Architekten Hall McKnight Hackett geplante Projekt – die drei Buchstaben stehen als Abkürzung für Metropolitan Arts Centre, sind aber auch als Ableitung vom alten Namen OMAC (Old Museum Arts Centre) zu verstehen – wird innerhalb der Belfaster Bevölkerung durchaus als stadtentwicklungspolitisches Signal verstanden. Mit dem Bau des Kulturzentrums hat sich der Schwerpunkt von Belfast verschoben, in Richtung der wirtschaftlich benachteiligten nördlichen Quartiere.
Das Cathedral Quarter, wie dieser Teil der Stadt aufgrund der in Sichtweite zueinander gelegenen protestantischen und katholischen Bischofskirchen heißt, bietet ein disparates Bild. Brachflächen wechseln sich ab mit verfallenden Altbauten, dazwischen Neues von wenig erhebender Qualität. Zwei solcher Neubauten rahmen das MAC, wenn man von der St. Anne’s Cathedral blickt: linkerhand, nördlich der Academy Street, das Gebäude der University of Ulster für die Design- und Architekturfakultäten, rechterhand und direkt angrenzend der U-förmige Saint Anne’s Square mit Wohnungen, Geschäften und Gastronomie.
Dass das MAC in dieser Nachbarschaft unübersehbar ins Auge fällt, ist aber nicht nur seiner anderen architektonischen Ambition, sondern auch einem Zufall zu verdanken: Bislang steht das MAC zur Universität hin frei; das benachbarte, brach liegende Grundstück wird lediglich als Parkplatz einer Behörde genutzt. Sollte es dereinst bebaut werden und die lange, verklinkerte Brandwand des MAC verschwinden, wird dessen hervorstechendste Eigenschaft aber nur noch deutlicher: Das Kulturzentrum ist das genaue Gegenteil eines solitären Gebäudes. Die Architekten Alastair Hall und Ian McKnight (im Wettbewerb 2007 noch in Partnerschaft mit Mark Hackett) haben das Gebäude vielmehr darauf angelegt, mit dem städtischen Gefüge zu verschmelzen und dabei außen wie innen Gassen, Straßen und Plätze zu bilden, die unterschiedlichsten Ereignissen Raum geben können.
Der Reichtum an Eindrücken, den das Gebäude bereit hält, überrascht umso mehr, bedenkt man, dass zum Zeitpunkt des Wettbewerbs quasi keinerlei Kontext existierte: Die umgebende Bebauung war schon Jahre zuvor abgerissen worden, vage Anhaltspunkte waren allein eine historische Wegeverbindung, die ungefähr entlang der nördlichen Grundstücksgrenze durch den Block führte, und die Planung für den St. Anne’s Square. Auch ohne diese Information aber merkt der Betrachter schnell, dass er hier vor dem Werk eines jungen Büros steht, das den Ehrgeiz hatte, ein architektonisches Manifest zu realisieren, vom Städtebau bis ins Detail: ein Manifest für den öffentlichen Raum, welchem in der noch immer von kilometerlangen „peace walls“ durchschnittenen Stadt Belfast eine besondere Dringlichkeit erwächst.
Multiple Maßstäbe für vielfältiges Programm
„We select, create and mix up music, theatre, dance and art“, verkündet das MAC auf seiner Website. Das für diesen multidisziplinären Ansatz nötige Raumprogramm – ein Theater für 350 Zuschauer und eines für 120, Ausstellungsräume, Tanzsäle, Werkstätten, Gastronomie, Stipendiatenstudios – haben die Architekten auf drei Baukörper verteilt, welche eine halböffentliche, gebäudehohe Wegeverbindung von der St. Anne’s Cathedral zum St. Anne’s Sqare modulieren. Nach den ersten Monaten Betrieb scheint diese Verbindung als öffentlicher Raum voll angenommen zu sein: von Familien ebenso wie von älteren Menschen und Studenten; von Besuchern, die sich für eine der Ausstellungen oder Veranstaltungen interessieren, ebenso wie von Gästen, die nur für eine Verabredung oder zum Essen gekommen sind.
Die Inszenierung dieses Raums ist eindrucksvoll. Nach dem schmalen Fassadenabschnitt, mit dem sich das MAC hinter dem Chor der Kathedrale zum Stadtzentrum wendet, tritt der Besucher durch eine niedrige Tür und steht zunächst vor dem etwas tiefer liegenden Raum für Wechselausstellungen. Erst mit einer Wendung nach links gelangt er in die Halle. Der hohe Raum ist das Herz des Gebäudes. Hier beginnen die Treppen hinauf zu den Theaterrängen, den Ausstellungsräumen, Werkstätten und Studios, hierhin orientieren sich aber auch die drei Gebäudevolumen mit als Fassaden gestalteten Wänden. Noch von ganz oben, aus dem Ausstellungsraum über dem großen Theater, blickt man durch eine Pfeilerordnung in diese Halle, und zwei Balkone in der Südostecke verlängern die Foyers in den Obergeschossen in diesen Raum.
Doch ebenso, wie die einzelnen Räume versuchen, mit dem „öffentlichen Raum“ im Inneren des MAC in Beziehung zu treten, suchen sie auch den Kontakt mit der Außenwelt. Die Terrasse über dem Eingang vom St. Anne’s Square beweist den Sinn der Architekten für das theatralische Potenzial dieser Verbindung; die großen Fenster, mit denen der Ausstellungsbereich im zweiten und dritten Obergeschoss auf diesen Platz und zur Kathedrale blickt, zeigt eine eher beiläufige Version dieses Interesses.
Innen- und Außenfassaden sind folglich analog gegliedert: aufbauend auf einem Muster aus vertikalen Streifen, das mal ein Relief bildet, mal eine Fensterverteilung organisiert, mal als Pfeilerstruktur in Erscheinung tritt. Gewöhnliche Materialien – Beton und der die Stadt weithin prägende Backstein – bilden die Oberflächen; einzig für den „Campanile“ und die angrenzende Sockelzone am St. Anne’s Square wurde Edleres verwendet: ein – ebenfalls lokal gewonnener – Basalt von fünf Zentimeter Dicke, dessen seidig-weich polierte Oberfläche unweigerlich zum Darüberstreichen animiert.
18 Millionen Pfund Sterling, rund 20,5 Millionen Euro, hat der Bau des MAC gekostet, finanziert zum überwiegenden Teil durch das nordirische Department for Culture Arts & Leisure, das Department for Social Development und das Arts Council of Northern Ireland, zum kleineren durch örtliche Unternehmen und Verbände. Das Arts Council war es auch, das vor rund zehn Jahren das Projekt eines Zentrums für die verschiedenen, über die Stadt verstreuten Kunst- und Kulturträger ersonnen hat. Unter diesen erwies sich das OMAC als der engagierteste Partner, der das Bau- und Veranstaltungsprogramm formulieren half und die Mitwirkung der anderen Gruppen koordinierte. Die räumliche Vielgliedrigkeit, mit der das Kulturzentrum dem Besucher gegenübertritt, ist mithin auch ein Spiegel der Geschichte, der Finanzierung und der Trägerschaft des MAC. Sein Erfolg dürfte in deren Kleinteiligkeit mitbegründet liegen – ein von Gemeinsinn durchwirkter Antisolitär auch in dieser Hinsicht.
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