Bauwelt

Kunsthalle in Mannheim


Ein Neubau, der die Kunsthalle des Jugendstils ergänzte, wurde nach gut dreißig Jahren abgerissen und von gmp durch ein veritables Museum ersetzt – ein geheimnisvolles Schatzhaus, das sich mit seiner städtebaulichen Präsenz schwer tut.


Text: Bachmann, Wolfgang, Deidesheim


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    Blick vom Wasserturm auf den Friedrichsplatz, den Neubau und dahinter die Kuppel des Altbaus von Hermann Billing aus dem Jahr 1907.
    Foto: Lukac & Diehl

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    Blick vom Wasserturm auf den Friedrichsplatz, den Neubau und dahinter die Kuppel des Altbaus von Hermann Billing aus dem Jahr 1907.

    Foto: Lukac & Diehl

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    Ansicht vom Friedrichsplatz.
    Foto: Lukac & Diehl

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    Ansicht vom Friedrichsplatz.

    Foto: Lukac & Diehl

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    Die Ausstellungskuben mit Lichtdecken werden über offene Galerien erschlossen. Im 1. Obergeschoss öffnet sich zwischen den Kuben eine Glasfront zum alten Wasserturm.
    Foto: Marcus Bredt

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    Die Ausstellungskuben mit Lichtdecken werden über offene Galerien erschlossen. Im 1. Obergeschoss öffnet sich zwischen den Kuben eine Glasfront zum alten Wasserturm.

    Foto: Marcus Bredt

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    In der zentralen Eingangshalle hängt ein großes Uhr-Stein-Pendel: das Werk „Die bewegte Leere des Moments“ von Alicja Kwade. Durch die großzügige Verglasung der Halle an der Südwest-Seite ist der Altbau eingebunden.
    Foto: Marcus Bredt

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    In der zentralen Eingangshalle hängt ein großes Uhr-Stein-Pendel: das Werk „Die bewegte Leere des Moments“ von Alicja Kwade. Durch die großzügige Verglasung der Halle an der Südwest-Seite ist der Altbau eingebunden.

    Foto: Marcus Bredt

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    Foto: Marcus Bredt

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    Die Wege zwischen den Kuben der „Stadt in der Stadt“ wurden von den Architekten inszeniert. Das gebäude­hohe, 700 m2 einnehmende Foyer ist der Orientierungspunkt.
    Foto: Marcus Bredt

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    Die Wege zwischen den Kuben der „Stadt in der Stadt“ wurden von den Architekten inszeniert. Das gebäude­hohe, 700 m2 einnehmende Foyer ist der Orientierungspunkt.

    Foto: Marcus Bredt

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    Foto: Marcus Bredt

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    Die Kunsthalle Mannheim ist geschlossen und eröffnet wieder im Juni 2018 mit der Sammlung und der ersten Sonderausstellung zu Jeff Wall.
    Foto: Hans-Georg Esch

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    Die Kunsthalle Mannheim ist geschlossen und eröffnet wieder im Juni 2018 mit der Sammlung und der ersten Sonderausstellung zu Jeff Wall.

    Foto: Hans-Georg Esch

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    Die Besonderheit der äußeren Erscheinung ist die Fassade aus Metallgewebe. Sie wird in Längsrichtung mit Edelstahlseilen gehalten. Farblich orientiert sich die Haut am Sandstein des Altbaus.
    Foto: Hans-Georg Esch

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    Die Besonderheit der äußeren Erscheinung ist die Fassade aus Metallgewebe. Sie wird in Längsrichtung mit Edelstahlseilen gehalten. Farblich orientiert sich die Haut am Sandstein des Altbaus.

    Foto: Hans-Georg Esch

Man darf nicht den Fehler machen, als erstes festzustellen: Die Erweiterung der Kunsthalle sieht aus wie ... – so groß die Versuchung auch sein mag. Betrachten wir zunächst den Ort. Er wird in den Stadtführern als „eine der am vollständigsten erhaltenen neubarocken und mit Jugendstilelementen versehenen Anlagen in Deutschland“ gewürdigt. Ende des 19. Jahrhunderts wurde der hufeisenförmige Gartenplatz mit dem Wasserturm angelegt, es folgten das Parkhotel (heute Maritim), die Festhalle Rosengarten und am Eingang zur Augustaanlage die Arkadenbauten von Bruno Schmitz, schließlich im Jahr 1907 die Kunsthalle von Hermann Billing (1867-1946). Obwohl der Friedrichsplatz nach dem Krieg weder authentisch rekonstruiert noch sensibel ergänzt wurde, zählt er zu den städtebaulichen Pretiosen der Stadt. 1983 erhielt die (wegen einer geplanten Ergänzung zurückgesetzte) Jugendstilhalle eine Erweiterung von Lange-Mitzlaff-Böhm-Müller. Sie entsprach dem Zeitkolorit, löste die Eingangssituation mit dem Altbau unentschieden, sollte eigentlich nur Skulpturen präsentieren – und verschlampte im Laufe der Jahre zusehends. Aber erst ein Was­sereinbruch in die als Archiv genutzten ehemaligen Tiefbunker hatte zum Handeln aufgefordert.
2012 führte ein nicht offener internationaler Wettbewerb zu drei gleichrangigen Preisen, mit der Überarbeitung reüssierten von Gerkan Marg + Partner vor Staab Architekten und Peter Pütz (Bauwelt 1-2.2013). Das internationale Showbiz kam nicht zum Zug, kapriziöse Architekturplas­tiken blieben außen vor, assimilierter Jugendstil war gar nicht im Angebot. Also ernsthafte Moderne: gmp. Das Ende letzten Jahres fertiggestellte Haus ist der erste große Museumbau der Hamburger Architekten in Europa, er zeigt unverkennbar ihre Handschrift, vulgo: Er verrät mehr von den hoch entwickelten Bürostandards als von der Qualität des Ortes.

Innenleben

Wenn es richtig ist, dass ein Museumsgebäude von außen locken soll und innen den Kunst­werken Ruhe geben, dann scheint sich hier diese Regel verschoben zu haben. Man betritt das Haus, vorbei am Restaurant, durch eine überhohe Glasfuge und wird in das bis unter das Glasdach reichende Foyer gesogen. Trotz Anselm Kiefers fast drei Tonnen schwerem Riesenwerk „Sefiroth“ und Alicja Kwades schwingendem Stein-Uhr-Pendel könnte man in der badischen Niederlassung von Amazon oder Tesla angekommen sein. Von einem Marktplatz mit Gassen und Dorftreppen ist die Rede, den das Publikum noch ohne Eintrittskarte bevölkern darf. „Stadt in der Stadt“ war die Arbeitsthese für die Kabinette, die in Mannheim unvermeidlich Kuben heißen, weil man hier mit Quadraten nichts falsch machen kann. Ihre räumliche Verbindung wird durch Passagen, Brücken und Galerien um dieses 22 Meter hohe Atrium herum organisiert. An einer Wand mit Touchscreens kann man sich über die Sammlung informieren, Bilder aufs Smartphone laden, eine eigene Führung zusammenstellen und anderen als „Playlist“ hinterlassen. Dies gehört zum Konzept des „Museums in Bewegung“, das kein Bildertempel sein will, sondern ein kulturpolitischer Erlebnisort. Das Erdgeschoss ist zwar den Wechselausstellungen vorbehalten, aber auch die übrigen Räume werden sich einem beweglichen Konzept unterordnen müssen, man hängt „nicht mehr für die Ewigkeit“, so die Direktorin Ulrike Lorenz. In den Jugendstil-Bau, der sich mit zwei hohen sandsteinernen Portalflanken andeutet, führt ein von James Turrell gestalteter Übergang durch den sanierten Athene-Trakt. Raffiniert, wie die Stützenstellung im Foyer auf die symmetrische Ordnung des alten Hauses verweist. Eine lange Treppe ermuntert, in Gegenrichtung die Obergeschosse kennenzulernen (sofern man den gläsernen Aufzug verschmäht). Als erstes darf man durch ein Riesenfenster die Pracht des Mannheimer Wasserturms erleben, der mit Robert Delaunays Eiffelturm aus der Kunstsammlung korrespondieren wird. Solche Ausblicke begleiten den Weg durch die fünf bis sechs Meter hohen Kuben, von denen einige zur kontemplativen Kunstbetrachtung, andere zum Vergleich mit der städtischen Wirklichkeit draußen einladen. Die grau furnierten, sperrigen Sitzmöbel von Axel Kufus könnte man für Exponate halten. Man betrachtet sie und sucht nach einer Erklärung. Doch die räumliche Installation der Architektur lässt es mit ihren Schächten, Durchblicken und Engführungen nicht langweilig werden. Die Detaillierung orientiert sich an einer neutralen Werkgerechtigkeit: auf dem Boden ein Zement­estrich, er endet an einer Rinne für die Zuluft, in der Decke flache Leuchtenfelder mit der Absaugung, die Wände (nachlässig) weiß geputzt, massive Eichenbohlen auf den Brüstungen. Während der Vor-Öffnungsphase sind nur Andeutungen aus den Sammlungen zu sehen. Künftig wird es Vorzugsplätze für die Werke geben, doch Ziel ist es, dem Publikum statt fest konturierter Erfahrungen neue Interpretationen zu bieten, etwa Anselm Kiefer neben Caspar David Friedrich. Ein Schaulager wird ausbreiten, was ohne thematische Zuwendung noch vorhanden ist. Dieses Konzept könnte Gefahr laufen, dass das Haus zu einem Gemischtwarenladen wird, weil hier „Architektur und Kunst eine neue Verbindung eingehen“ sollen, wie die Direktorin sagt. Also flaniert man von der Skulpturensammlung zu Manets „Erschießung Kaiser Maximilians von Mexiko“ und von hier zu William Kentridges scheppernder Vorhölle „The Refusal of Time“. Gerade bei den sperrigen Auftragsarbeiten fragt man sich, ob sie sich nicht besser angriffslustig mit einer alten Lagerhalle auseinandersetzen sollten als mit einem perfekten White Cube. Von draußen verrät das Haus jedenfalls nicht, was es drinnen alles können soll. Da deuten sich die Inhalte so dezent an, als hätte man eine mögliche Umwidmung schon bedacht.

Außen vor

Ein Gutachten hatte die Sanierungsmöglichkeit der dreißig Jahre alten Erweiterung gegenüber einem Neubau erörtert, schließlich ermunterte die 50-Millionen-Euro-Spende des SAP-Mitgründers Hans-Werner Hector zur radikalen Lösung. Ein Glücksfall, dass der Stadt keine Sammlung aufgenötigt und dafür ein Museum gefordert wurde, sondern die Bürger ein Haus geschenkt bekamen, in dem Kunst Anlass zur Kommuni­kation bietet. Aber was sagt es den draußen Gebliebenen? Für diesen bauhistorisch maßgebenden Ort Mannheims hat man jedenfalls keine neue Idee entwickelt, das großartige städtische Gartenornament bleibt weiterhin von täglich 40.000 zur Autobahn drängelnden Fahrzeugen abgeschnitten. Das Gebäude selbst tritt wie auf der anderen Platzseite das Kongresshaus Rosengarten lediglich ein wenig aus der Flucht der Arkadenbauten und dem Hotel an der Blockecke zurück. Doch während dieser trüben Jahreszeit, ohne Licht von innen, dräut es wie eine mächtige Staumauer. Der dahinterliegende Jungendstilbau wird zum Gartenpavillon reduziert. Beim Näherkommen entdeckt man, dass die kantige, mit anthrazitfarbenen Faserzementtafeln verkleidete Kubatur samt ihren Öffnungen von einem Metallgewebe gebildet wird. Aber wozu? Gilt es etwas zu schützen, zu verbergen, einzukleiden? In den Verlautbarungen während der Planungsphase war von einer „rot-golden schimmernden Schatzkiste“ die Rede, die sich farblich der Nachbarbebauung annähern sollte. Aber da muss man wohl auf besseres Wetter warten, bis der Drahtkäfig gülden gleißt. Nach dem Wettbewerb sprach die Kunsthallenchefin noch von einem „souveränen Dialog“, den das Haus „mit dem urbanen Kontext“ eingehen wird, bei der Eröffnung nachgefragt, schwächte sie auf „Dialektik“ ab. Sprich: Es ist eine Gegenthese zu den roten Sandstein-Denkmälern, etwas anderes, das sich behauptet und Rätsel aufgibt, sich der Ästhetisierung des Stadtraums entzieht. Bei Nacht, wenn die Bodenstrahler ein unheimliches Leuchten über die Stäbe gießen, wirkt der Bau wie eine Geheimdienstzentrale. Aber wir wollten uns ja vor Vergleichen hüten – und uns lieber hineinwagen.



Fakten
Architekten gmp; von Gerkan, Marg und Partner, Hamburg
Adresse Friedrichspl. 4, 68165 Mannheim


aus Bauwelt 3.2018
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