Bauwelt

Masterplan für Roombeek



Text: Ibelings, Hans, Amsterdam


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Hans Ibelings hält den niedergebrannten und wieder aufgebauten Stadtteil Roombeek in Enschede für das wichtigste Stadtplanungsprojekt der letz­ten Jahre, weil hier umgesetzt wurde, was sonst kaum gelingt: unterschiedliche Bevölkerungsschichten an einem Ort zusammenzubringen.
Am 13. Mai 2000 explodierte in Roombeek ein Feuerwerkslager: 23 Menschen verloren ihr Leben, über 900 trugen Verletzungen davon, und mit 43 von insgesamt 62 Hektar wurde mehr als die Hälfte des Viertels zerstört. Innerhalb des niederländischen Städtebaus nimmt der Wiederaufbau dieses Stadtteils von Enschede einen besonderen Platz ein. Auf den Trümmern der Katastrophe entstand das neue Roombeek – in enger Absprache mit den Be­wohnern, die die Katastrophe überlebt, von de­nen aber viele ihr gesamtes Hab und Gut ver­loren haben. Pi de Bruijn vom Architekturbüro de Architekten Cie. aus Amsterdam hat den Masterplan für den Wiederaufbau von Roombeek konzipiert.
Nicht nur vor dem Hintergrund des verheeren­den Unglücks ist das neue Roombeek ein Ausnahmeprojekt. Die Tabula-rasa-Situation innerhalb einer dicht besiedelten Stadt und das einzigartige Engagement der Bewohner beim Wiederaufbau machten das Projekt zu einem besonderen, ja beispielhaften Fall. In den Niederlanden dienen die meisten Wohnungsbauvorhaben entweder zur Stadterweiterung bis in die Peripherie hinein, oder sie betreffen Ver­dichtungsoperationen in und um die Innenstadt. Bei Roombeek handelt es sich weder um das eine noch um das andere.
Der größte Unterschied zu anderen Plänen für Wohnquartiere liegt darin, dass der städtebauliche Plan, der dem Wiederaufbau zugrunde liegt, überraschend entspannt angelegt ist. Es wurden vorab sowohl in städtebaulicher Hinsicht als auch bezüglich der verschiedenen Bauprojekte viel weniger strikte Festlegungen getroffen, als dies sonst der Fall ist. Ursprünglich bestand das Stadtviertel aus Reihenhaussiedlungen, in deren Rücken einst große Ackerbauflächen lagen, die dann später teilweise in Indus­triegelände umfunktioniert wurden – Grolsch braute hier beispielsweise lange Zeit sein Bier.
Diese Beschaffenheit von Roombeek vor der Feuerkatastrophe mit all seinen unterschiedlichen Wohnmilieus und Lebensbereichen bildete den Ausgangspunkt für den Wiederaufbau. In den Niederlanden, wo es einen Hang zu vollständiger Kontrolle gibt, ist der städtebauliche Rahmenplan von Roombeek recht ungewöhnlich, da hier eben nicht jedes Detail in konkre­ten Zahlen fixiert worden ist.
Einigen wichtigen Projekten, wie etwa dem keilförmigen Park in der Mitte, einem Regionalmuseum (Bauwelt 23.2008) sowie den kulturellen und sozialen Einrichtungen, die den Park umgeben, hat man viel Aufmerksamkeit geschenkt. Die weitere Umsetzung jedoch wurde frei gehandhabt – private Auftraggeber übernahmen zum Beispiel die Ausgestaltung der Freiräume. Roombeek wurde ausdrücklich nicht nur mit Blick vom Großen zum Kleinen entworfen, sondern auch vom Kleinen zum Gro­ßen. Ent­scheidend waren dabei die individuel­­­len Wünsche der Bewohner, die ihre Ansichten und Ideale bei zahlreichen Versammlungen ar­tikulieren konnten; die enge Verbundenheit der Roombeeker mit ihrem Viertel wurde hier sichtbar. Beim Wiederaufbauplan standen zwei Maximen im Vordergrund: die Wiederherstellung der sozialen Zusammenhänge, gleichzeitig aber auch die Unterstützung des Nebeneinanders unterschiedlicher sozialer Gruppen. Neben Low-Budget-Häusern wurden auch teure Wohnungen geplant, und Privatpersonen erhielten die Möglichkeit, individuelle Häuser zu bauen, wenn auch nicht frei stehend, sondern im Townhouse-Konzept. Mit seiner Mischung aus zwei Dritteln Wohnungen und einem Drittel kommerzieller und öffentlicher Einrichtungen weist das neue Roombeek eine höhere programmatische Diversität auf als zuvor. Wie schon bei seiner Projekt­leitung für den „Arena Boulevard“, das Gebiet um das Fußballstadion von Ajax Amsterdam in Amsterdam-Zuidoost, ist es Pi de Bruijn auch in Roombeek gelungen, eine Planung umzusetzen, die so selbstverständlich und alltagspraktisch ist, dass man sie kaum bemerkt. Ostentative Gestaltung findet man hier nicht. Die planerischen Freiräume beim Wiederaufbau von Roombeek lassen sich inzwischen nachweisen: der Sterilität üblicher niederländischer Pläne wurde hier mit mehr Raum für Spontaneität, aber auch für Dissonanzen und Kontraste begegnet – und doch hält alles zusammen. In Roombeek stehen banale Wohnhäuser, die geradewegs einem Ka­talog entnommen sind, neben herausragender Architektur, wie etwa den Häusern von Yushi Uehara, 2012 Architecten und Cino Zucchi, dem Wohnungsbau von Claus en Kaan Architecten und dem Kulturzentrum von SeARCH. Es ist diese Balance zwischen banal und originell, die die Qualität von Roombeek ausmacht.



Fakten
Architekten Planer Pi de Bruijn, de Architekten Cie., Amsterdam
aus Bauwelt 43.2010
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