Bauwelt

Militärmuseum in Soesterberg


Das Nationaal Militairmuseum (NMM) erzählt von der niederländischen Kriegsgeschichte. Auf einem ehemaligen Flugfeld entstand ein imposantes Gebäude, das Anleihen bei großen Vorbildern aus der Baugeschichte nimmt


Text: Ballhausen, Nils, Berlin


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    Blick von Norden auf das Museum, das mehrere Hangars am ehemaligen Flugfeld ersetzt.
    Foto: Christian Richters

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    Blick von Norden auf das Museum, das mehrere Hangars am ehemaligen Flugfeld ersetzt.

    Foto: Christian Richters

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    Ausstellung im Erdgeschoss unterhalb der Eingangsplattform
    Foto: Christian Richters

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    Ausstellung im Erdgeschoss unterhalb der Eingangsplattform

    Foto: Christian Richters

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    Der Baldachin in Camouflage-Optik markiert den Shop.
    Foto: Christian Richters

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    Der Baldachin in Camouflage-Optik markiert den Shop.

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    Die lichte Höhe von 13 Metern war von den Abmessungen der Exponate vorgegeben.
    Foto: Christian Richters

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    Die lichte Höhe von 13 Metern war von den Abmessungen der Exponate vorgegeben.

    Foto: Christian Richters

Jedem Krieg liegt eine Kosten-Nutzen-Rechnung zugrunde: Wie viel Blut für wie viel Gewinn? Ganz gleich, ob es dabei um Land, Einfluss oder die Freiheit geht, immer kostet es Menschenleben. Friedenszeiten kosten nichts, sie setzen eher etwas frei: Der Militärflugplatz Soesterberg, zwischen Utrecht und Amersfoort gelegen, wurde mit dem Ende des Kalten Krieges überflüssig. 1994 flogen zum letzten Mal Maschinen der US Air Force in Europe von hier ab, und 2008 waren auch die letzten Helikopter der niederländischen Luftstreitkräfte an andere Standorte verlegt. 2011, genau einhundert Jahre nach Gründung dieses Flugplatzes, der als Wiege der niederländischen Luftfahrt gilt, schrieb das Verteidigungsministerium für den Standort Soesterberg das Nationale Militärmuseum aus. Im Dezember 2014 konnte König Willem-Alexander das Haus feierlich einweihen.
Das Projekt ist in öffentlich-privater Partnerschaft realisiert worden. Dazu musste zunächst ein Partner für den sogenannten DBFMO-Kontrakt (Design Build Finance Maintain & Operate) gefunden werden, der das Museum entwirft, finanziert, baut, unterhält und betreibt. Dafür garantiert der Staat für die Dauer von 25 Jahren eine festgeschriebene Mietzahlung, und erst danach wird der Bau staatliches Eigentum. Eine Art Leasing-Geschäft, in diesem Fall mit einem Gesamtvolumen von 160 Millionen Euro (davon 67 Mio. für Bau und Haustechnik). Das Verteidigungsministerium als Auftraggeber ließ drei Konsortien miteinander konkurrieren und erteilte nach etwa einjähriger Planungsphase dem Baukonzern Heijmans den Zuschlag. Zu dessen Team gehörten federführend die Architekten (Felix Claus und Dick van Wageningen), die Landschaftsarchitekten (HNS) und die Ausstellungsgestalter (Kossmann de Jong). Außer den Entwurfsverfassern waren auch Spezialisten für Finanzierung und Rechtsfragen, Facility Management und Museumsbetrieb an der Planung beteiligt – insgesamt rund 100 Leute.

Unter einem Dach

Als Einschränkung empfand der Architekt Felix Claus dies nicht, im Gegenteil: Man habe in dieser Konstellation frühzeitig Konflikte identifizieren und auflösen können und im Übrigen viel voneinander gelernt. Für die Architektur war es von Vorteil, dass man für Unterschreitung der Kos-tenobergrenze, sprich: durch Preisdrückerei, beim Auftraggeber nicht punkten konnte; überdies funktionieren in den Niederlanden noch immer die staatlichen Gestaltungsgremien. Der Kerngedanke des Entwurfs habe bereits früh festgestanden: ein riesiges Dach, unter dem sich alles zusammenbringen lässt. Diese starke Gebäudefigur und das klare und überaus klug zonierte Raumkonzept mögen dazu beigetragen haben, dass alle Mitglieder im Planungsorchester sich auf ihre Zuständigkeiten konzentrierten; gravierende Änderungen mussten am Entwurf nicht vorgenommen werden. Ein Lehrsatz könnte lauten: Reduziere deine Idee auf ihre elementaren Bestandteile, dann kommt sie heil durch das Minenfeld unterschiedlichster Interessen.

Einfachheit als stabilisierender Faktor, nicht nur dieser Aspekt lässt an Mies van der Rohe denken, auch die Neue Nationalgalerie in Berlin kann einem hier in der Heidelandschaft in den Sinn kommen. Nein, die sei nun überhaupt kein Vorbild gewesen, widerspricht Felix Claus. Er bevorzuge es, wenn die Raumbegrenzung identisch ist mit der Konstruktion. Dementsprechend liegen im Militärmuseum die Tragstruktur und die Hülle in einer Ebene, wenn auch die Stützen außen stehen und die rundum laufende Verglasung nach innen weist – quasi eine „gewendete“ Fassade. Nicht im Detail, wohl aber in der Wirkung nimmt das Gebäude seine Anleihen recht unverblümt bei der East Hall des McCormick-Kongresszentrums in Chicago, 1968 von Gene Summers im Büro C.F. Murphy entworfen – ebenfalls ein flaches, schwarzes Riesendach aus Fachwerkträgern. Auch das weit überstehende Vordach des Flugsteigs von Berlin-Tempelhof sei eine wichtige Inspiration für den Entwurf gewesen.

Dynamik unter der Decke

In Soesterberg sind unter der 110 x 250 Meter großen Dachfläche die Sammlungen sowohl des Heeres (vormals in Delft) als auch der Luftstreitkräfte erstmals vereint (die Königliche Marine betreibt ihr eigenes Museum in Den Helder). Das schwere Kriegsgerät der beiden Gattungen wird in einer übergroßen Vitrine fusioniert: am Boden die Kanonen, Fahrzeuge und Panzer, am Dachtragwerk hängend all das, was früher einmal flog. Diese Anordnung ist nicht nur platzsparend, sondern auch sehr anschaulich. Einen Geländeversprung überbrückend, betreten die Besucher das Museum im Obergeschoss, ihre Augen sind da schon etwa auf mittlerer Höhe des 13 Meter hohen Raumes und blicken bereits vom Eingangsfoyer auf einige der Flugzeuge, die einander durch die lichte Halle zu jagen scheinen.
Wer gleich hinter der Kasse in die eingestellte Blackbox abzweigt, wird in sechs Themenräumen mit der Geschichte und der gesellschaftlichen Bedeutung von Militär und Krieg hierzulande vertraut gemacht: vom Kampf der Niederländer gegen das Wasser, von der „Hollandse Waterlinie“, mit der das Land im Verteidigungsfall kontrolliert überflutet werden konnte, von den Kriegen des 17. und 18. Jahrhunderts gegen Spanien, England, Frankreich bis hin zur Invasion der Deutschen 1940, über den Kalten Krieg und die UN- und Nato-Missionen der Gegenwart. Inszeniert, aber ohne multimedialen Overkill, ist eine zugängliche und das facettenreiche Thema aufweitende Präsentation zu sehen. Ältere, unspektakuläre Exponate wie Uniformen, Orden, Handfeuerwaffen usw. sind wie in einem Schaulager konzentriert. Jeder Raum hat eine andere Atmosphäre. Dazwischen liegen äußerst nüchtern gehaltene „Fugen“, Zonen, in denen die Besucher sich ausruhen oder auf Plattformen in die große Halle hinaustreten können. Im Erdgeschoss stehen ein Raum für Wechselausstellungen und ein interaktiver Bereich zur Verfügung, und wer möchte, kann dort in einen Panzer kriechen.
Der Anspruch der Seriosität versteht sich allein schon wegen des Auftraggebers von selbst. Architekten und Ausstellungsgestalter hatten sich während der Planungsphase in vergleichbaren Einrichtungen über die internationalen Standards dieses Sujets umgesehen, im Militärhistorischen Museum in Dresden (Bauwelt 43.2011), im Luftwaffenmuseum in Berlin-Gatow, im Imperial War Museum in London. Verglichen mit diesen Nationen, betrachtet sich die Militärmacht der Niederlande schon seit langem eher „als Teil von etwas Größerem“ (Felix Claus). Hier fällt es leichter, ein positives und konsensuales Bild vom Soldatenberuf zu zeichnen als beispielsweise in Deutschland, wo vielleicht solch ein schwarzbraunes, flugzeugträgergroßes Ausstellungsterminal als martialische Provokation verstanden werden würde. Die Dimension des Gebäudes ist es jedoch, die die darin ausgestellten Kriegsmaschinen auch für pazifistische Betrachter so greif-bar macht wie in einem Modellbauladen. Es bleibt in jeder Richtung genügend Raum für eigene Gedanken. Man kann schließlich nicht nur auf Militaria-Freunde setzen, rund 200.000 Besucher müssen jedes Jahr ein Ticket kaufen, damit sich das Unternehmen für den Betreiber rechnet. Das 45 Hektar große, ehemals streng abgeriegelte Flugfeld kann dagegen ohne Eintrittsgeld betreten und durchwandert werden. Es wurde zu einem Naturschutzgebiet umgewandelt. Ob das Militärmuseum, falls der Frieden einmal enden sollte, wieder als Hangar genutzt werden kann?



Fakten
Architekten Felix Claus Dick van Wageningen Architecten, Amsterdam
Adresse Verlengde Paltzerweg 1, 3768 MX Soest, Niederlande


aus Bauwelt 8.2015
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