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Nationalmuseum


Wer war Garibaldi?


Text: Peterle, Lukas


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Die neue Erinnerungsstätte der Symbolfigur der Einigung Italiens im Jahr 1861 befindet sich seit kurzem auf der Insel Caprera im Norden Sardiniens. Pietro Carlo Pellegrini baute hierfür mit wenigen Mitteln mehrere Gebäude einer alten Kaserne um. In der Nähe liegt die „Casa bianca“, das Wohnhaus von Garibaldi.
Garibaldi fehlt nirgends. Jede Stadt der Italienischen Republik hat ihre Piazza Garibaldi, ihren Corso Garibaldi oder ihre Via Garibaldi. Mit ihm verbindet sich ein besonderes Kapitel der Geschichte des Landes. Giuseppe Garibaldi (1807–1882) trug neben Cavour und Mazzini, nach denen ebenfalls viele Straßen und Plätze benannt sind, tatkräftig dazu bei, dass vergleichsweise spät, erst im Jahr 1861, die Vereinigung des Landes zu einer Nation gelang. Mit ihm entstand das Königreich Italien. Der letzte König, Umberto II., dankte 1946 ab. Das vereinigte Land hat bis heute Bestand, obwohl es Bestrebungen gibt, wieder neue Grenzen zu setzen. Besonders im Norden des Landes kommt es wiederholt  zu Spannungen durch die Seperationsbestrebungen der Partei „Lega Nord“, die sich lautstark Gehör verschafft. Das Land gerät zudem immer wieder in politisch schwierige Situationen mit unstabilen Regierungsmehrheiten, wie auch bei der jüngsten Parlamentswahl, die am 24. und 25. Februar stattfand. Somit ist Garibaldi als Symbolfigur der Einheit für Italien wichtig.   
Bevor die neue Erinnerungsstätte zu Garibaldi vorgestellt wird, soll auf die Person selbst eingegangen werden. Garibaldi war ein großer Abenteurer und fuhr in jungen Jahren zur See, immer darauf fixiert, ferne Länder zu erkunden. Dafür sollte ihm aber später keine Zeit mehr bleiben, denn bald schon widmete er sein Leben dem Kampf für die Unabhängigkeit seines Volkes wie auch für die anderer Völker. Das heutige Italien war Mitte des 19. Jahrhunderts nicht frei, sondern aufgeteilt in Königreiche, Herzogtümer und in den Kirchenstaat. Zum Teil wurde es von Franzosen und Österreichern besetzt, und so ergaben sich immer wieder kriegerische Auseinandersetzungen. Garibaldi nahm mit 26 Jahren am erfolglosen Aufstand der Regionen Ligurien und Piemont gegen die französische Vorherrschaft teil. Er musste fliehen, ging ins Exil, zunächst nach Tunesien, später nach Südamerika, wo er von 1834 bis 1848 lebte. Auch dort stand der Freiheitsgedanke für ihn an erster Stelle. Er unterstützte die Unabhängigkeitsbewegungen in Brasilien, Argentinien und Uruguay. 1848 kehrte er nach Europa zurück, um am italienischen Unabhängigkeitskrieg gegen Österreich teilzunehmen. 1849 rief Giuseppe Mazzini die „Römische Republik“ aus, die jedoch nur wenige Monate währte – gegen die Übermacht der französischen Armee waren Garibaldi und seine Mannen chancenlos. Nach der Niederschlagung sah sich Garibaldi gezwungen, die Führung der Revolutionsarmee aufzugeben und erneut zu flüchten – diesmal nach New York. Erst fünf Jahre später kehrte er nach Italien zurück und unterstützte nun das Königreich Piemont-Sardinien in einem weiteren Krieg gegen Österreich. Von größter Tragweite sind seine Taten ab 1860, die ihn zum Nationalhelden gemacht haben.
Er segelte mit eintausend sogenannten Rothemden (Freischärlern) von Genua aus nach Süden, um Neapel-Sizilien von der Bourbonenherrschaft zu befreien. Dieser „Zug der Tausend“ ging in die italienische Geschichte ein. Nach dem Ende Oktober 1860 errungenen Sieg in der Schlacht am Volturno, an welcher Garibaldis Eingreifen in vorderster Linie angeblich erheblichen Anteil gehabt haben soll, war das Ende des Königreichs Neapel-Sizilien besiegelt. Schon im gleichen Jahr wurde in Tu-rin (der ersten Hauptstadt Italiens) Viktor Emanuel II. von Garibaldi als König von ganz Italien anerkannt.
Casa bianca
Garibaldi hatte vor der Nordküste Sardiniens sein privates Domizil. Es befindet sich auf der nur knapp 16 Quadratkilome-ter großen Insel Caprera, die über eine Brücke von der größeren und bekannteren Insel La Maddalena aus zu erreichen ist. Beide Inseln gehören heute zu einem Nationalpark. Garibaldi lebte mit mehreren Unterbrechungen von 1856 bis zu seinem Tod auf der Insel. Für ihn war es ein wichtiger Rückzugsort, wenn er mit einem seiner Projekte scheiterte, und diese Erfahrung machte er öfters. Seine „Casa bianca“ des heutigen „Compendio Nazionale Garibaldino“ war ein Landgut mit Viehzucht, das er mit seiner Familie und den Bediensteten betrieb und mehrmals ergänzte, unter anderem mit einer Windmühle und einer „Casa di ferro“, einem Lagergebäude aus Fertigteilen. Es gibt viele Erzählungen um die Person Garibaldi. Von besonderer Bedeutung war die Lebensphase mit der Schriftstellerin Marie Espérance von Schwartz, einer Freundin von Franz Liszt, die nach Caprera kam und ihn in allen seinen Unternehmungen unterstützte.
Von außen betrachtet ist nur schwer zu verstehen, was Garibaldi angetrieben hat, sich mit großem Risiko immer wieder für die italienische Einigungsbewegung „Risorgimento“ einzusetzen. Es müssen wohl andere Staatengebilde in Europa gewesen sein, die ihm ein Vorbild waren und seinen Willen beflügelten, ein starkes Italien zu schaffen. Trotz seines großen Erfolgs zog er sich nach der Einigung endgültig zurück, da er die im Bündnisvertrag festgelegte Abtretung seiner Geburtsstadt Nizza an die Dritte Französische Republik ablehnte. Er starb am 2. Juni 1882 auf Caprera und wurde neben seinem Haus beerdigt.
Auf der Festung
Garibaldis Domizil auf Caprera war schon immer ein Ausflugsziel mit Museum, in dem mehrere Räume noch mit ori­ginalgetreuer Ausstattung zu besichtigen sind. Vor zwei Jahren wurde zum 150. Jahrestag der Vereinigung Italiens wenige hundert Meter vom Haus entfernt eine neue Erinnerungsstätte errichtet. Die Bauten gehören zur Festung Arbuticci, die Ende des Zweiten Weltkriegs für den Schutz der italienischen Marine von Bedeutung war. Die ehemaligen Kasernen standen lange leer und wurden für ihre neue Funktion entsprechend der „Casa bianca“ weiß gestrichen.
Der Architekt Pietro Carlo Pelligrini sanierte die schlichten Bauten und ordnete die Ausstellungsräume mit einem festgelegten Rundgang. Zum Gesamtkonzept gehören auch Pelle­grinis Arbeiten aus Cortenstahl. Gleich am Eingang, wenn man die Fußgängerbrücke passiert hat, gelangt man zum Gittertor, das auf die Bedeutung des Ortes hinweist. Dahinter schließt ein Platz mit einer weiteren Inschrift auf einer mächtigen Stahlkonstruktion an. Sie lenkt nach rechts zu den Gebäuden. Die bescheidene Anlage lebt von der einzigartigen Lage auf der Insel mit den weiten Ausblicken.
In der Ausstellung wird Garibaldis Leben chronologisch vorgestellt. Dazu hat der Architekt im Hauptgebäude ziemlich beengt eine zentrale Vitrinenwand eingebaut. Der kleine Bau ist dem Mythos Garibaldi gewidmet. Das schmale Haus am Eingang nimmt die Information, den Buchladen und den Sanitärbereich auf. Auf der Giebelwand dieses ebenfalls weiß getünchten Hauses sind mit wenigen Linien Garibaldis Gesichtszüge und seine Unterschrift zu sehen. Nahezu alle Exponate stammen aus der privaten Sammlung des ehemaligen, heute über achtzig Jahre alten Bürgermeisters am Ort. 
Die Einigung Italiens, Garibaldis bedeutungsvolle Tat, ist auf der „Piazza Italia“ vor dem Haupthaus in Form einer stilisierten Landkarte der Halbinsel aus kantig zugeschnittenen ro- ten Steinplatten zu erleben – eine Idee des Architekten. Auf der von Sitzblöcken umgebenen Landkarte hebt sich Garibaldis Insel Caprera mit einer gläsernen Murano-Fliese besonders hervor. Gut vorstellbar, dass manch ein Besucher sich angeregt fühlt, hier in der Einsamkeit über die Bedeutung der Einigung vor 150 Jahren nachzudenken.



Fakten
Architekten Pellegrini, Pietro Carlo, Lucca; Garibaldi, Giuseppe (1807–1882)
Adresse Isola Caprera 07024 La Maddalena Olbia-tempio, Italia


aus Bauwelt 9.2013
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