Neues Quartier
Abgerissen und wieder aufgebaut
Text: Maier-Solgk, Frank, Düsseldorf
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Foto: Christa Lachenmaier
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Foto: Christa Lachenmaier
Foto: Christa Lachenmaier
Welche Qualität soll beibehalten werden, wenn die Wohn-Riegel der späten 50er Jahre abgerissen werden und das Budget bei den „Ersatzbauten“ sehr eng gefasst ist? Das Architekturbüro Astoc zeigt in der Siedlung Buchheimer Weg in Köln eine Reihe von Prinzipien, nach denen neu gebaut werden kann.
Köln-Ostheim, auf der schälen, der rechtsrheinischen Seite gelegen, ist keine sehr gute Gegend. Mehrere Autobahnen tangieren das ehemalige Arbeiterviertel, das baulich von Großsiedlungen der Nachkriegszeit und einem dichten Hochhausensemble aus den 70er Jahren geprägt ist, das seit geraumer Zeit als sozialer Brennpunkt Probleme bereitet. Eine größere, aus zwei Dreiecken bestehende Fläche nimmt in diesem Viertel die Siedlung Buchheimer Weg ein. Sie wurde zwischen 1954 und 1958 von der Gemeinnützigen Aktiengesellschaft für Wohnungsbau errichtet, um den Wohnbedarf zu decken, der durch den Zuzug von Spätheimkehrern und DDR-Flüchtlingen erheblich gewachsen war.
Gestaltungsarme Zwischenräume
Zwischen den 396 standardisierte Wohneinheiten in aufgelockerter, drei- bis viergeschossiger Zeilenbauweise, meist als Dreispänner realisiert, entstanden jene charakteristischen, gestaltungsarmen Grünflächen, mit denen man das Leitprinzip der gegliederten und aufgelockerten Stadt auf nüchtern-unspektakuläre Weise umsetzte. Bekanntlich prägt dieser Siedlungstyp der Nachkriegszeit, der seinerzeit vor allem dort entstand, wo in der Nähe Arbeit zu finden war, noch heute größere Teile fast aller deutscher Städte. Es ging und geht vor allem um günstigen Wohnraum, wobei die Vorzüge – eine gute Belichtung, das umgebende Grün und eine gewisse stadträumliche Großzügigkeit – auch heute geschätzt werden. Nun, da die technische Sanierung fällig wurde, stellte sich die Frage, wie mit diesem Bestand zu verfahren sei, dessen Nachteile ebenfalls kaum zu übersehen waren: Zu kleine Wohnungen, meist ohne Balkone, genügten den heutigen Ansprüchen nicht mehr; vor allem der wenig strukturierte, in gewisser Weise fast verschenkte Freiraumbereich, der in der Regel auch kaum Spielplätze aufwies, wirkte völlig überholt. Städtebaulich präsentierten sich diese Räume als eintöniges Areal ohne klar identifizierbare Raumkanten.
In den 70er Jahren hatte die Eigentümerin, die GAG, mit 42.000 Wohnungen die größte Kölner Wohnungsbaugesellschaft, eine erste Sanierung für die Hälfte der Siedlungen durchgeführt. Damals wurden Balkone vorgesetzt, Wärmedämmung angebracht, die Bäder modernisiert und eine Zentralheizung eingebaut. Wegen der schlechten Bausubstanz entschied man sich jetzt für den Abriss der noch verbliebenen Hälfte und eine Neubebauung. In einem Gutachterverfahren wurden verschiedene Modelle analysiert, wobei die in Summe gesehen kostengünstigere Lösung des Neubaus, für die man sich schließlich entschied, auch ein grundsätzliches Überdenken dieses Siedlungstyps erlaubte.
Das Konzept der Planer vom Büro Astoc, die das Verfahren für sich entscheiden konnten, stellt in der Tat eine modellhafte Lösung für eine Erneuerung dieser in die Jahre gekommenen Siedlungsform dar: Sie lässt deren Charalter bestehen, verstärkt ihn sogar noch durch eine Reihe von gestalterischen Elemente, die als Label fungieren und sich an die Umgebung anpassen, bricht jedoch in der differenzierteren Anordnung der Wohnblöcke aus der bisherigen anonymen Monotonie aus. Dies erreichen die Architekten durch einen leichten Knick bzw. eine Richtungsänderung der neuen Wohnblöcke, wodurch der Effekt einer stärkeren Raumbildung entsteht. Je zwei Blöcke, unterschiedlich konvex oder konkav ausgerichtet, bilden nun eine hofähnliche räumliche Situation aus. Zum anderen wurde auf Durchsichten geachtet, die wie grüne Achsen wirken. Durchweg wurde eine größere Durchlässigkeit angestrebt. So konnten die dunklen Ecken, die es noch zwischen den alten Baukörpern gab, vermieden werden – soziale Kontrolle qua städtebaulicher Gliederung. Und nicht zuletzt ermöglichte die neue Gruppierung der Riegel auch die angestrebte Verdichtung.
Das zweite Gestaltungselement der Siedlung Buchheimer Weg, man könnte sagen, ihr Markenzeichen, ist die Farbgebung. Sie wirkt einheitlich, ohne auf Differenzierungen zu verzichten. Für den Dämmputz wurde ein Grün in fünf verschieden hellen Tönen gewählt, die am Gebäudeknick jeweils wechseln und die dadurch, dass die der Sonne zugewandtere Fläche heller gestrichen wurde, die plastische Wirkung der Baukörper betonen. Darüber hinaus verändert sich der Helligkeitsgrad vom Siedlungsrand zur Siedlungsmitte von Dunkel zu Hell. Zwischen all dem Grün markiert das Grau der seriellen Sichtbetonscheiben für Eingänge und Treppenhäuser die halböffentlichen Nutzungen.
Die bisherigen Satteldächer gibt es nicht mehr. Stattdessen zogen die Architekten den mittigen Dachfirst auf die Außenecken des Baus, wodurch in Verbindung mit dem Knick der Eindruck steigender und fallender Traufkanten entstand und die Dachform eine gewisse dynamisch-prismatische Extravaganz erhielt. Wenig überzeugend ist allerdings, dass sich die Anhebung der Traufen im Inneren nicht durch entsprechende großzügigere Wohnformen widerspiegelt.
Vergleicht man die Siedlungsform von 1955 und 2011, so fällt die abgestufte Gliederung der Freiflächen auf, zu der nun auch private Gärten gehören. Die Erdgeschosswohnungen erhielten Vorgärten, die durch niedrige Hecken abgegrenzt werden, geschickt wurden Zwischenzonen und auch die Bereiche integriert, die für Parkplätze und für die Müllcontainer notwendig sind. Die Gestaltung ist zurückhaltend, doch bei Nähe besehen bietet sie den Bewohnern Zonen für ganz unterschiedliche Nutzungen. Der Baumbestand, unter anderen eine Reihe schöner Silberahorne, wurde teilweise erhalten. Gerade diese Grünbereiche machen deutlich, wie sehr sich die Nutzungsgewohnheiten im Laufe der vergangenen Jahrzehnte verändert haben. Dort, wo zuvor eine merkwürdige anonyme Stille herrschte, gibt es jetzt zusammenhängende, lebendigere Freibereiche, die überwiegend verkehrsberuhigt sind und von junge Familien in Beschlag genommen werden.
Modulare Zuordnung bei den Grundrissen
Verschiedene soziale sowie infrastrukturelle Elemente konnten mit den Neubauten umgesetzt werden: drei Tiefgaragen mit direktem Zugang zu den Gebäuden, Fahrstühle in zwei der Wohnblocks, und in unmittelbarer Nachbarschaft finden sich jetzt auch Gemeinschaftseinrichtungen wie ein Mietercafé und eine Kindertagesstätte. Ein Wohnhaus wurde für Demenzkranke ausgestattet, ein Teil der Wohnungen außerdem rollstuhlgerecht gebaut und sämtliche Häuser barrierefrei erschlossen.
Was die Grundrisse betrifft, erlauben sogenannte Schaltzimmer in den Gebäudeköpfen eine modulare Gestaltung der Wohnungsdisposition mit Größen von 45 bis 75 Quadratmetern, 1- bis 4-Zimmer-Wohnungen. Zur Ausstattung gehören Einbauschränke und barrierefreie Bäder; zur Wohnqualität tragen nicht zuletzt die aus der Fassadenflucht leicht hervorgehobenen Balkone bei, die gemeinsam mit den Vorgärten im Erdgeschoss, zu einer stärkeren Verschränkung von Innen und Außen beitragen.
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