Parasit
Der Trüffel
Text: Geipel, Kaye, Berlin
Der Trüffel, spanisch „trufa“, ist ein Parasit, der im Schutz der Wurzeln einiger Bäume gedeiht. Der Architekt Antón García-Abril wollte solch einen parasitären Entwicklungsprozess in Architektur übersetzen. Nach vielen Vorversuchen fand er den passenden Weg. Die Referenz auf Le Corbusiers Hütte („Le Cabanon“) an der französischen Riviera ist beabsichtigt.
Im Materialraum des Architekten war vor drei Jahren ein Holzverschlag aufgebaut, eine große, nach oben offene Kiste. Sie war gefüllt mit Sand. Auf den Tischen nebenan standen die Architekturmodelle. Die Kiste störte. Man hätte meinen können, unter den Mitarbeitern sei eine Organic-Food-Manie ausgebrochen, hier würden Diätkartoffeln und anderes Gemüse gezüchtet. In Wirklichkeit testete Antón García-Abril in diesem Verschlag Gußformen für seine Hütte in Galizien.
Nicht Architektur, sondern Stein
Schon bei den Wohnbauten aus riesigen Stahlbetonfertigteilen, bei der Villa Martemar an der Costa del Sol und dem Hemeroscopium in Madrid (Bauwelt 15–16.07), ging es dem Architekten um eine Anverwandlung des Bestehenden. Überdimensionierte Brückenträger wurden „as found“ verwendet, die Details sozusagen hinterherkonstruiert. Im Fall der Hütte an der Costa da Morte geht die Anverwandlung noch weiter, das Projekt soll förmlich aus der Erde heraus entwickelt werden. Dies hat unter anderem pragmatische Gründe. In dem Naturschutzgebiet sind keine Häuser erlaubt, nur Schuppen und ähnliche kleine Nutzbauten werden toleriert. „What we created was not architecture, it was a stone“, sagt der Architekt. Tatsächlich ist die freigelegte Oberfläche des Betons mit dem Erdwall als Schalung eine braungraue Verbindung eingegangen, die allerdings weniger an einen Stein, denn an einen freigelegten Wurzelstumpf nach einem Sturm erinnert.
Als Corbusier sein Cabanon in Cap Martin (Seite 19) fertiggestellt hat, waren damalige Kritiker („bloß eine Holzbaracke?“) erstaunt über das brave Äußere. Die Nonchalance des Architekten gegenüber der Form hatte verblüfft. Im Inneren hingegen sah es anderes aus. Le Cabanon war ein Testlabor für eine minimale Raumzelle, ein Austesten dessen, was zum Wohnen und Arbeiten in der Natur unter den Bedingungen der Moderne notwendig ist. Die Architektur, einschließlich der sauber detaillierten Möbel und einem raffinierten Klappfenster, fand im Inneren statt. García-Abril bezieht sich bei seinem Entwurf zwar auch auf Corbusiers Cabanon, aber seine Hütte zielt auf etwas anderes ab. Er will ausprobieren, wie man mit archaischen, eigentlich unbeherrschbaren Produktionsprozessen zeitgemäße Architektur erzeugen kann. Die Ausstattung der Hütte im Inneren, vom Kamin bis zur teuren Sanitäranlage, ist hingegen ziemlich konventionell.
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