Palais Barberini in Potsdam
Alles wird schön. Die nachgebaute Häuserreihe an der Ostseite des Alten Markts ist fertig. Der größte Prachtbau: das Palais Barberini, ein Werk von Hilmer & Sattler und Albrecht.
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
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Die drei reich ausgestatteten Schaufassaden haben ihre Vorbilder in Rom, Vicenza und Verona. Im Hintergrund die Lange Brücke und der Hauptbahnhof.
Foto: Helge Mundt
Die drei reich ausgestatteten Schaufassaden haben ihre Vorbilder in Rom, Vicenza und Verona. Im Hintergrund die Lange Brücke und der Hauptbahnhof.
Foto: Helge Mundt
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Vorbild Palazzo Barberini an der Via delle Quattro Fontane in Rom mit dem Bienen-Wappen von Papst Urban VIII.
Foto: Sebastian Redecke
Vorbild Palazzo Barberini an der Via delle Quattro Fontane in Rom mit dem Bienen-Wappen von Papst Urban VIII.
Foto: Sebastian Redecke
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Während der Öffnungszeiten dient die Eingangs-halle auch als Durchgang zur Uferpromenade an
der Havel. Die Bänke entwarf Thomas Albrecht aus amerikanischen Kirschholz.
Foto: Stefan Müller
Während der Öffnungszeiten dient die Eingangs-halle auch als Durchgang zur Uferpromenade an
der Havel. Die Bänke entwarf Thomas Albrecht aus amerikanischen Kirschholz.
Foto: Stefan Müller
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Die Ausstellungssäle in den Seitenflügeln sind auf allen drei Ebenen in etwa gleich und durch eine Zwischenzone mit Fluchttreppe und Technik untergliedert.
Foto: Stefan Müller
Die Ausstellungssäle in den Seitenflügeln sind auf allen drei Ebenen in etwa gleich und durch eine Zwischenzone mit Fluchttreppe und Technik untergliedert.
Foto: Stefan Müller
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Die Rückseite mit der Freitreppe zur Alten Fahrt/Havel. Links der Café-Pavillon.
Foto: Stefan Müller
Die Rückseite mit der Freitreppe zur Alten Fahrt/Havel. Links der Café-Pavillon.
Foto: Stefan Müller
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Das 1945 weitgehend zerstörte Palais Barberini wurde ganz unterschiedlich genutzt, u.a. für die „Lichtspiele Palast Barberini“.
Foto: Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum
Das 1945 weitgehend zerstörte Palais Barberini wurde ganz unterschiedlich genutzt, u.a. für die „Lichtspiele Palast Barberini“.
Foto: Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum
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Foto: Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum
Foto: Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum
Bienen haben es heute schwer in unserer Region. Die Völker fühlen sich wegen der Umweltbelastungen und mangelnden Blütenstaubs nicht mehr wohl. Doch die Bienen sind wertvoll, nahezu unverzichtbar für das gesamte Ökosystem, und müssen daher geschützt werden. Zahlreiche Initia-tiven bemühen sich, den Bienenvölkern wieder ein angemessenes Umfeld zu bieten.
Diese große Sorge um die Bienen hat man auch im Land Brandenburg mit seinen rund 2500 Imkern, und es wäre bei der historisierenden Rekonstruktion des Palais Barberini vielleicht ein passender Anlass gewesen für eine kleine bauliche Ergänzung mit einem Bienen-Wappen. Der dem hochbarocken Palazzo Barberini in Rom nachempfundene Bau, 1772 nach Plänen von Carl von Gontard und Georg Christian Unger fertiggestellt, steht seit Anfang dieses Jahres wieder als ein Baustein der historischen Mitte von Potsdam am Alten Markt.
Im 18. Jahrhundert hatte man das große steinerne Wappen mit den drei Bienen weggelassen, das beim römischen Palazzo Barberini am Hauptgesims die Mitte über den Torbögen ziert. Damals wollte man wohl nur die Fassade haben und sich nicht an die Papstfamilie mit dem Bienen-Wappen erinnern, das Fleiß symbolisieren soll. Papst Urban VIII. (1623–44) aus der einflussreichen florentiner Kaufmannsfamilie Barberini ließ während des Pontifikats Kirchenbauten mit allzu viel Prunk errichten, erklärte antike Baudenkmäler zu Steinbrüchen und war vor allem wegen seiner Vetternwirtschaft nicht beliebt.
In der preußischen Residenzstadt Potsdam wollte Friedrich II. mit dem Palais Barberini eine stadträumliche Einbettung bzw. Inszenierung rund um sein Schloss weiterführen. Das in der damaligen Zeit prächtigste Bürgerhaus wurde später für alles Mögliche genutzt. Auf einem Foto um 1913 zeigen Schilder, dass sich hinter der Front zum Platz neben den Wohnungen u.a. Läden für Confitüren und Nähmaschinen befanden. In die Gaststätte mit Bier der „Berliner Bock Brauerei“ kehrte man gerne ein. Auf der Rückseite gelangte man zum Terrassengarten am Ufer der Alten Fahrt/Havel mit Blick auf die Freundschaftsinsel. Außerdem gab es eine Mal- und Zeichenschule, Räume zahlreicher Kulturvereine und ab 1910 auch den Kinosaal „Lichtspiele im Palast Barberini“. Als das Rathaus unter Raummangel litt, kaufte die Stadt das Gebäude, und es zogen das Standesamt, die Stadtbüche-rei und später eine Fernsprechzentrale ein. Beim Bombenangriff auf Potsdam im April 1945 wurde das Gebäude fast vollständig zerstört, und die Reste wurden drei Jahre später abgetragen.
Das neu errichtete Palais Barberini ist wieder in Privatbesitz – diesmal gehört es der Stiftung des in Potsdam und Kalifornien lebenden SAP-Gründers und Milliardärs Hasso Plattner. Der Mäzen schätzt das Besondere: Für seinen Wohnsitz hat er in Potsdam-Babelsberg die Villa Urbig gekauft, ein Frühwerk Mies van der Rohes von 1916. Zunächst plante Plattner für seine Kunstsammlung und für Wechselausstellungen einen Neubau. Hierfür sollte das Inter- und spätere Mercure-Hotel neben dem Stadtschloss abgerissen werden, eine Plattenbau-Höhendominante von 60 Metern aus dem Jahr 1969, die nach heftigem Widerstand der Potsdamer Bürger und einem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung stehen bleibt.
Die Stadtverordneten waren es auch, die 2010 ein „integriertes Leitbautenkonzept Potsdamer Mitte“ beschlossen hatten. Dazu gehören wenige Schritte vom Hochhaus entfernt das Palais Barberini und andere Bauten am Alten Markt. In das Palais wollte man mit dem Architekten Bernd Albers ein Hotel einpassen. Dies scheiterte jedoch, da wegen schlechter Raumzuschnitte in der vorgegebenen Kubatur keine Hotelkette anbiss. So war für Plattner Platz. Der Oberbürgermeister machte ihm 2012 das Angebot, und der griff gleich zu. Das Bauvorhaben wurde innen für Ausstellungen umgestrickt. Der Auftrag wechselte zu den Architekten Hilmer & Sattler und Albrecht, die sich im Museumsbau auskennen. Schon ein Jahr später schritt man zum ersten Spatenstich. Das Nutzungskonzept mit Ausstellungen ist ein passender Rahmen für das Palais, zumal auch die zwei Flügelbauten zur Verfügung stehen, die beim Vorgängerbau Mitte des 19. Jahrhunderts durch Ludwig Persius angesetzt wurden – und in Rom in anderer Form auch vorhanden sind.
Die 48 Meter breite Hauptfassade zum Platz wurde unter Mitwirkung des Bildhauers Guntram Kretschmar errichtet. Kein einziges Originalteil der Fassade war mehr auffindbar, was schon etwas verwundert. So mussten für den Nachbau zuvor alle Einzelheiten neu gezeichnet und die dekorativen Teile als Modell vorgeformt werden, um sie per Hand oder Fräs-Roboter aus Stein herstellen zu können. Der mittlere Teil des Kopfbaus hat wieder nur fünf deutlich hervortretende Achsen statt der sieben beim römischen Original. Die seitlichen Fenster zeigen wie früher den Wechsel der Verdachungen. Die Fassade entstand diesmal im Ortbeton. Der in traditioneller Technik davor gesetzte Stein kommt aus dem tschechischen und sächsischen Elbsandsteingebirge. Bei den Bögen der Fenster im Mittelteil hatten die Natursteinbauer Bedenken, so entschied man sich für Beton, der passend zum Stein eingefärbt wurde. Rechts vom Eingang fällt das große Tor für die Anlieferung ins Auge, das
es vorher nicht gab. Das Palais hat sogar vorne und hinten seine Prunkvasen als Abschluss der Dachbalustrade wieder. Sie wurden nach Fotos gezeichnet und gebaut. Hinter der Balustrade verbirgt sich unter einem flach geneigten Dach die Abluft der Klimaanlage. Die Fassaden der Flügelbauten sind heute eher originalgetreue Annäherungen und weisen mehrere Blindfenster auf, damit genug Spielraum für die Hängung der Kunst bleibt. Die Fassaden mit flachen, die Flächen gliedernden Vorlagen erhielten eine Dickputz-Thermohaut, ein klarer Bruch zur Front des Mittelbaus.
Eine deutliche Veränderung stellte die Anzahl der Geschosse dar. Früher hatte das Gebäude fünf Geschosse, davon zwei niedrigere Zwischengeschosse, die kleinen rechteckigen Fenster rechts und links vom Mittelbau zeugen davon. Jetzt gibt es nur noch zwei Obergeschosse. Rekonstruktion ist flexibel: Beim Wiederaufbau des gegenüber stehenden Stadtschlosses durch Peter Kulka (Bauwelt 11.2014) war es genau anders herum. Statt der drei Geschosse des früheren Schlosses nehmen die Flügelbauten mit den Landtagsbüros nun, ziemlich gestopft, fünf Geschosse auf.
Sonderbar ist gleich rechts neben dem Palais der Anschluss an die ebenfalls mit wenigen Ummodelungen wieder errichtete Fassade des Palazzo Chiericati. Bei diesem Palazzo wurde im 18. Jahrhundert vom Original Palladios in Vicenza nur das mittlere Fassadenstück zugeschnitten und als Kopie an den Alten Markt gestellt. Jetzt sind hinter der Fassade 15 exklusive Wohnungen entstanden und im dahinter liegenden Neubau „Riva Vista“ noch einmal 14 Wohnungen. Rechts daneben steht ebenfalls neu die Fassade vom Palazzo der Familie Pompei aus Verona von Michele Sanmicheli. Die beiden wieder entstandenen Fassaden Carl von Gontards und Carl Ludwig Hildebrandts sind der ganze Stolz der Bauherren Prinz von Preußen Grundbesitz AG und Kondor Wessels Wohnen Berlin GmbH. An der Brauerstraße links vom Palais Barberini kommen die Architekten Dietz Joppien und der aus Vicenza stammende Berliner Schlossbauer Franco Stella zum Zuge. Gebaut werden relativ einfache Wohnbauten oder mit ganz wenigen historischen Bezügen. Hilmer & Sattler und Albrecht kennen Stella gut. Sie arbeiten mit ihm seit langem in der Projektgemeinschaft „FS HUF PG“ Berliner Schloss/Humboldt-Forum zusammen.
Schönste Aufgabe
Das Treffen mit Thomas Albrecht bleibt unvergessen. Selten habe ich einen Architekten erlebt, der mit solcher Euphorie von seiner Planung erzählt. Für die Einordnung und Charakterisierung seines Architekturverständnisses ein Zitat: „Einen barocken Palazzo exakt wieder aufzubauen, samt all seinen Unregelmäßigkeiten und Brüchen – noch dazu inmitten eines historischen Stadtkerns – das gehört sicherlich zu den schönsten Aufgaben.“ Man ist irritiert – muss aber konstatieren, dass Albrecht nicht nur eine Fassade rekonstruierte, sondern sich intensiv bis in alle Details in die Geschichte des Gebäudes hineinversetzt hat und mit den baulichen Möglichkeiten von heute passende Lösungen für die neue Nutzung suchte. Dies gelang mit einer entscheidenden Voraussetzung: Der Bauherr ließ Freiheiten zu, vor allem bei den Kosten. Man hatte freie Hand, und nach nur vier Jahren war alles fertig. Mir welcher Intensität das Projekt startete, zeigte sich bereits beim Muster-Ausstellungssaal in einer Stahnsdorfer Lagerhalle. Dort wurden die Säle „auf ein Optimum getrimmt“. Auch dieser besondere Wunsch des Architekten eines Musterraums stellte kein Problem für Plattner dar.
Drinnen ist natürlich im Vergleich zum Vorgängerbau nahezu alles anders. Nur die Eingangshalle hat Ähnlichkeiten mit früher. Sie bietet gute Orientierung, ist auch ein Raum der Begegnung und zugleich ein öffentlicher Durchgang vom Platz zum Ufer der Alten Fahrt. Die Säulen aus Beton erhielten wegen der gewünschten Entasis eine spezielle Unterkonstruktion für den Putz. Die Säulenreihen stehen wie beim Vorgängerbau nicht exakt in einer Achse, sondern fluchten leicht zur Mitte hin. Für den Terrazzoboden war eine italienische Firma zuständig. Sonderbar ist die flache, von der Konstruktion losgelöste Gewölbeform (Gipsputz auf Metallgeflecht). Ein historisches Foto belegt, dass sie auch früher schon so ähnlich ausgesehen hat. Seitlich der Halle befinden sich das Café und gegenüber der Ticketverkauf. Ein Shop mit Büchern und Geschenkartikeln, die Garderobe und die Sanitäranlagen sind leider im Untergeschoss untergebracht. Für
die Räume der Verwaltung sind im Palais kein Platz.
Die zwei für den Bau überraschend geräumigen Treppenhallen heben sich ab. Leicht glänzender Stuccolustro an den Wänden und Stützen und die umlaufenden bronzenen Handläufe geben ihnen eine eigene Note. Die Treppen sind, dies räumt auch der Architekt ein, zu steil. Der Aufzug ist schlicht, aber mit edelsten Materialien, ebenfalls in Bronze oder zumindest bronzen gestaltet. Ansonsten befinden sich auf Erdgeschossebene zwei gleich gestaltete Ausstellungsräume in den Seitenflügeln. Auch hier ist das Ambiente gediegen, die Materialien erinnern an die Gemäldegalerie am Berliner Kulturforum, die die Architekten 1998 fertiggestellt haben. Zu- und Abluft liegen verborgen in der Wand. Technikauslässe im Boden sind randlos in das Parkett integiert und fallen so gut wie gar nicht ins Auge. Für die Kunstlichtbeleuchtung sorgen Lichtbänder hinter den umlaufenden Vouten, Strahler und, im zweiten Obergeschoss, großformatige, farblich modulierbare Lichtdecken. Die Fenster haben entsprechend den Erfordernissen Verdunkelungs- und Sonnenschutzrollos. Im Obergeschoss sind die Ausstellungsräume der Seitenflügel, die gleich groß sind, aber niedriger und dadurch in ihren Proportionen nicht so überzeugend ausgefallen. Der Raum über der Halle im Mitteltrakt nennt sich Lelbachsaal. Er öffnet sich mit seinen sieben Fenstern zum Alten Markt mit dem Stadtschloss und bietet sich mehr für Plastiken an. Im zweiten Obergeschoss ist diese zentrale Halle das Auditorium Plattners, denn das Palais soll auch ein Haus der kulturellen Begegnung und Schulung sein. Eine riesige Smart Wall führt die dort sitzenden Besucher digital durch die Sammlung. Der Saal ist für Veranstaltungen mit bester Technik ausgestattet und stellt eine gewisse Inszenierung von Plattners Software-Unternehmens dar. Auch der Audioguide mit Barberini-App für die Ausstellungen glänzt durch Perfektion.
Zurzeit sind mehrere im Umfang überschaubare Ausstellungen zu sehen: „Von Hopper bis Rothko. Amerikas Weg in die Moderne“ aus der Phillips Collection Washington. Dazu „Abstraktion in den USA. Von 1960 bis heute“, Werke von Künstlern der DDR aus Plattners Sammlung und „Rodin im Dialog mit Monet. Die gemeinsame Ausstellung im Jahr 1889“. Ein Saal ist bis auf weiteres der Geschichte des Palais Barberini gewidmet. Für Aufsehen wird eine Ausstellung ab 28. Oktober sorgen, wenn alle 16 großformatigen Wandgemälde vom Berliner Palast der Republik aus dem Jahr 1976 zu sehen sein werden. Vorgabe für die beauftragten Künstler in der Tradition der realistischen Malerei war damals das Lenin-Zitat „Dürfen Kommunisten träumen“. Dass sich Milliardär Hasso Plattner der DDR-Kunst verpflichtet fühlt, zeigt sich auch im Hof. Dort steht zentral die bekannte Plastik „Jahrhundertschritt“ des Leipziger Künstlers Wolfgang Mattheuer.
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