Theater in Wolfsburg
Winfried Brenne zeigt mit der Sanierung, dass auch ein Bau der siebziger Jahre mit den Methoden der klassischen Denkmalpflege bearbeitet werden kann
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
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Die originale Travertinverkleidung konnte weitgehend erhalten bleiben, ...
Foto: Lars Landmann
Die originale Travertinverkleidung konnte weitgehend erhalten bleiben, ...
Foto: Lars Landmann
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... trotz der teilweise nötigen neuen Befestigung der Platten.
Foto: Lars Landmann
... trotz der teilweise nötigen neuen Befestigung der Platten.
Foto: Lars Landmann
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Das weitläufige Foyer entfaltet nun, befreit von manch späterer Zutat, wieder seine einstige Weitläufigkeit. Neue Technikauslässe, für verschiedene Veranstaltungen erforderlich, wurden in die Decke integriert.
Foto: Lars Landmann
Das weitläufige Foyer entfaltet nun, befreit von manch späterer Zutat, wieder seine einstige Weitläufigkeit. Neue Technikauslässe, für verschiedene Veranstaltungen erforderlich, wurden in die Decke integriert.
Foto: Lars Landmann
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Die Stuhllehnen, jetzt mit neuen Verwirbelungsgittern. Die Luft wird aus einer unter dem Parkett angeordneten Druckkammer geblasen. Eine zweite, unter dem Rang geplante Druckkammer entpuppte sich als gar nicht ausgeführt.
Foto: Lars Landmann
Die Stuhllehnen, jetzt mit neuen Verwirbelungsgittern. Die Luft wird aus einer unter dem Parkett angeordneten Druckkammer geblasen. Eine zweite, unter dem Rang geplante Druckkammer entpuppte sich als gar nicht ausgeführt.
Foto: Lars Landmann
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Der Zuschauersaal wird über ein großes Fenster natürlich belichtet – ein wichtiges Element für die oft mehrere Wochen hier probenden Gastensembles.
Foto: Lars Landmann
Der Zuschauersaal wird über ein großes Fenster natürlich belichtet – ein wichtiges Element für die oft mehrere Wochen hier probenden Gastensembles.
Foto: Lars Landmann
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Die komplette Erneuerung der Bühnentechnik bietet dem Spielbetrieb neue Möglichkeiten.
Foto: Lars Landmann
Die komplette Erneuerung der Bühnentechnik bietet dem Spielbetrieb neue Möglichkeiten.
Foto: Lars Landmann
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Statt eines provisorischen Zelts wartet ein kleiner Pavillon auf die Raucher unter den Besuchern.
Foto: Lars Landmann
Statt eines provisorischen Zelts wartet ein kleiner Pavillon auf die Raucher unter den Besuchern.
Foto: Lars Landmann
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Der Eingang auf der Ostseite. Außen wurde die ursprüngliche Farbigkeit der Rundstützen wieder hergestellt.
Foto: Lars Landmann
Der Eingang auf der Ostseite. Außen wurde die ursprüngliche Farbigkeit der Rundstützen wieder hergestellt.
Foto: Lars Landmann
Die helle Linie in der Grünfläche am Fuß des Klieverbergs lenkt das Auge schon von weitem auf die Erneuerung: Das Wolfsburger Theater von Hans Scharoun (1893–1972) steht plötzlich ein wenig anders da als gewohnt. Es handelt sich um die neue Sitzkante entlang der südlichen Uferlinie des ursprünglich geplanten, doch nie realisierten Teichs, in dem sich diese „Stadtkrone“ nach Willen ihres Architekten spiegeln sollte. Wie ein Terrassen- oder Stützmäuerchen wirkt diese Sitzkante, und sie gibt dem Bau eine neue Standlinie, die seine Silhouette umso zackig-expressiver vor den dunklen Fond des Höhenzugs zeichnet. Doch nicht nur mit Blick auf die Fernwirkung der Architektur ist die Sitzkante aufschlussreich, sie steht auch symbolisch für einen weniger augenfälligen Aspekt der Sanierung des Baudenkmals: für die Erneuerung des Gebäudesockels.
Dass ein Gebäude nur ein gutes Jahrzehnt nach seiner Eröffnung schon als Denkmal anerkannt wird, ist selten genug. Denkmalschutz lässt sich für gewöhnlich erst für das Erbe einer als abgeschlossen betrachteten Ära diskutieren; es braucht Distanz dafür. Das Wolfsburger Theater, nach dem Wettbewerb 1965 ab 1969 realisiert und 1973 eröffnet (Bauwelt 34.1973), hat die seltene Eigenschaft, neu und gleichzeitig bereits vergangen zu sein, schon früh bewiesen: Schon 1984 wurde es in die Liste der „Kulturdenkmäler“ aufgenommen. Das ist selbst für ein Werk des „organhaften Bauens“ eine Besonderheit – dem zeitgleichen Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven beispielsweise wurde diese Ehre erst 2005 zuteil.
Der Bausubstanz und Ausstattung dürfte die Entscheidung nicht geschadet haben. Zu Beginn der rund 32 Millionen Euro schweren, von Bund, Land und Deutscher Stiftung Denkmalschutz geförderten Erneuerung, die 2014 begann und im Januar dieses Jahres abgeschlossen worden ist, fand sich das Theater – anders als viele Theaterbauten jener Zeit – noch weitgehend im Originalzustand und auch vergleichsweise gut gealtert. Trotzdem bestand Handlungsbedarf. Es galt, eine Reihe kleinerer Mängel und Schäden zu beheben, teils konstruktiver, teils funktionaler, teils technischer Natur, um das Theater, das ein reiner Gastspielort ohne eigenes Ensemble ist, langfristig attraktiv zu halten. Und selbstverständlich spielte auch die Frage der energetischen Effizienz eine Rolle. „Nicht einpacken, aber denkmalgerecht verbessern, war unsere Aufgabe“, umreißt der Berliner Architekt Winfried Brenne, dessen Büro als verantwortlich aus dem zur Planerauswahl durchgeführten VOF-Verfahren hervorgegangen ist, den Kern dieses Aufgabenbereichs. Er ist nur ein Bestandteil der Gesamtmaßnahme und für den Theaterbetrieb möglicherweise von untergeordneter Bedeutung, für die Architektur aber ist er von herausragender Relevanz, da mit potenziell großem Einfluss auf ihre Erscheinung.
In diesem Fall kann Entwarnung gegeben werden – wer das Gebäude nicht wirklich sehr gut kennt, wird kaum eine Veränderung gegenüber dem Urzustand feststellen, und dies, obwohl der Energieverbrauch um rund 40 Prozent reduziert werden konnte. Die Fassaden wurden in ihrem Aufbau belassen, weite Partien der originalen Oberflächen erhalten; Dämmmaßnahmen beschränkten sich auf Dachflächen und Attika, wobei deren charakteristische-Abdeckung aus Natur-Aluminium zu 95 Prozent belassen blieb, auf die Verglasungen, welche, mit Ausnahme der großen und entsprechend schweren Panoramascheibe in der Südfassade, in den alten Profilen erneuert werden konnten, und auf den Sockelbereich. Vor allem Letzterer war eine für alle Beteiligten überraschende energetische Schwachstelle, als die Aufnahmen der Wärmebildkamera ausgewertet wurden.
Die eigentliche Herausforderung war aber die Herangehensweise im Ganzen: Wie lässt sich eine halbindustriell erstellte Architektur mit den ihr eigenen, gegenüber älteren, noch rein handwerklich errichteten Bauten besonderen Verfahren und Materialien mit heutigen Mitteln angemessen erneuern? Welche Alterungsspur ist als Patina akzeptabel und kann erhalten bleiben? Um für diesen Balanceakt die richtigen Planer zu finden, hatte die Stadt Wolfsburg eine kleine Entwurfsaufgabe in das VOF-Verfahren mit eingebaut: Die Konkurrenten sollten einen Entwurf für die Neugestaltung der Kassenhalle abliefern.
Diese zeigt sich heute als der einzige Part, dem die Erneuerung auf den ersten Blick anzusehen ist. Schon vor dem Haupteingang empfängt die Besucher eine digitale Programmanzeigerstele statt der wild geklebten Plakate, die die gläserne Eingangsfassade zuvor verunzierten. Gleich links hinter dem Eingang, quasi im Windfang des Theaters, zeigt sich die Kassenhalle dann als auf ganzer Breite dieses Übergangsraums verglaster, dezent schimmernder Tresen.
Doch dies ist eine Ausnahme der Sanierung, die sich in fünf Bereiche von unterschiedlicher „Bearbeitungstiefe“ gliedert. Die Kassenhalle ist dem Bereich „Weiterbauen“ zugeordnet, zu dem auch die Sanitärbereiche und die Küche der Cafeteria zählen – der Denkmalpflege war es klar, dass heutigen Ansprüchen in diesen Bereichen Rechnung zu tragen ist, um die Akzeptanz des Hauses im Ganzen stabil zu halten. Daraus leiten sich auch die wenigen, der Architektur neu hinzugefügten Elemente ab: Die zu geringe Anzahl der Damen-WC’s etwa führte zu einem Anbau auf der Hangseite, der sich dort unauffällig anschließen ließ – sicher ein Vorteil von Scharouns gegliederter Architektur. Hier konnte auch ein barrierefreier Zugang und ein Raucherpavillon Platz finden, der das bisherige Provisorium ersetzt und die bisherige „Hinterhofsituation“ in Richtung „umlaufender Außenraum“ verschiebt. Ein zweiter Anbau, die Erweiterung des Lagers, entstand an der Südwestecke des Bühnenturms, verkleidet mit dem selben Naturstein wie dieser, aber mit anderem Fugenbild.
Die sich ans Kassenhäuschen anschließenden, weitläufigen Foyerflächen und der sich außen an das Massiv des Theatersaals schmiegende Büro- und Künstlertrakt gehören hingegen zum Bereich „Renovierung“. Dort war es Ziel, die ursprüngliche Raumanmutung zu bewahren. Die Elemente der komplett ersetzten Abhangdecke im Foyer etwa wurden vom ursprünglichen Hersteller eigens nachproduziert, und auch für den komplett zu erneuernden Teppichboden fand sich ein identisch aussehender Ersatz. Der Charakter der Beleuchtung mit ihren unterschiedlichen Helligkeitsbereichen konnte trotz Umstellung auf LED in den originalen Leuchten nachempfunden werden: Ein speziell entwickelter, über die LED-Platine gestülpter Kolben sorgt für die gewünschte Streuung des Lichts. Darüber hinaus sind nun aber auch unterschiedliche Lichtinszenierungen all jener Veranstaltungen realisierbar, die im Foyer auch stattfinden – von der Ausstellung bis zur Dichterlesung. Die übrige für diese Termine erforderliche Technik findet neue Anschlusspunkte in Downlight-Größe in die Decke integriert, sodass die zuvor ins Foyer gelangten Zutaten verschwinden konnten.
Als mit höchster Vorsicht zu behandeln galt der dem Bereich „Instandsetzung“ zugeordnete Theatersaal – die kleine Schwester der Berliner Philharmonie. Hier konnte die Eschenholzverkleidung von der später teilweise aufgebrachten Weißlasur wieder befreit werden, so dass die ursprüngliche Erscheinung wiederhergestellt ist. Für den Besucher vielleicht noch wichtiger sind die im Rahmen von Versuchen entwickelten neuen Verwirbelungsgitter der Lüftungsauslässe in den Stuhllehnen, mit denen das frühere Zugempfinden passé sein sollte. Das Lüftungssystem selbst, mit der Druckkammer unter dem Parkett, blieb als Teil des Baudenkmals selbstverständlich unangetastet.
Fakten
Architekten
Scharoun, Hans (1893–1972); Brenne Architekten, Berlin
Adresse
Mitte-West, Klieverhagen 50, 38440 Wolfsburg
aus
Bauwelt 25.2016
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