Bauwelt

Stadtmuseum Lugo


Turm und Grotte


Text: Thein, Florian, Berlin


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    Foto: Fernando Alda

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Nach dem Stadtmuseum in San Sebastián (Bauwelt 22.11) operieren Nieto Sobejano erneut an der Schnittstelle von Architektur und Landschaft. Das unterirdische Besucherzentrum in Lugo verwischt die Grenze zwischen Museum und Park. Ein Blick auf das Gebäude vor Eröffnung der Ausstellung offenbart Motive traditioneller Gartenbaukunst.
Ein Museum in der spanischen Provinz im touristischen Kontext – das lässt an die imagebildende Architektur der späten neunziger Jahre denken. Nieto Sobejano haben das Museo Interactivo de la Historia de Lugo (MIHL) jedoch ganz unprätentiös unter die Erde gepackt. Dabei büßt es nicht an atmosphärischer Kraft ein.
Lugo, sechs Busstunden nördlich von Madrid gelegen, ist die älteste Stadt Galiciens und geht auf eine römische Gründung zurück. Knapp 100.000 Einwohner zählend,  verzeichnet sie ihre Haupteinnahmequellen in der Agrarwirtschaft und im Tourismus. Dessen Expansion mag für Lugo der Grund gewesen sein, einen weiteren touristisch attraktiven Anlaufpunkt zu schaffen. Mit staatlichen Mitteln im Rücken lobte die Stadt 2007 den Wettbewerb für ein museales Besucherzentrum zur interaktiven Vermittlung der Stadtgeschichte aus.

Vorbild und Modell

Ein Zeugnis der römischen Wurzeln Lugos liefert die Stadtmauer. Sie umgrenzt die typische spanische Altstadtkulisse mit Kathedrale, öffentlichen Plätzen und schmalen Gassen. Der breite Wehrgang der spätrömischen Befestigungsanlage bildet einen zwei Kilometer langen Stadtumlauf in gut zehn Metern Höhe. Dem Autoverkehr enthoben, begegnet man hier Spaziergängern, Joggern und spielenden Kindern auf Augenhöhe mit den Dächern der Stadt. Besonderheit der Mauer sind ihre zahlreichen, halbkreisförmigen Bastionen. Wo immer man sich in der Stadt bewegt, fällt einer der Türme ins Blickfeld – die stadtbildprägende Mauer ist allgegenwärtig.
Das neue Stadtmuseum, eine gute halbe Stunde fußläufig von der Altstadt gelegen, zeigt schon auf den ersten Blick eine auffällige formale Analogie zur Stadtmauer. Den stadträumlich sichtbaren Teil des überwiegend unterirdisch angelegten Volumens bildet eine frei geformte Parklandschaft, die partiell von runden Cortenstahltürmen durchstoßen wird – die Architekten haben die halbkreisförmigen Bastionen der Mauer in Zylinder aus rostigem Metall übersetzt. Mit der Adaption der Türme als Identitätsträger der Stadt gelingt ein direkter Bezug auf Ort und Geschichte.

Parkerweiterung

Zwischen Geschosswohnungsbau der achtziger Jahre im Süden, einem Gewerbegebiet mit Sportanlagen im Norden und einer zweispurigen Schnellstraße im Osten gelegen, soll das ehemalige Gewerbegrundstück jetzt als Park genutzt werden. Die Anbindung an das heterogene Umfeld erscheint auf den ersten Blick reichlich optimistisch. Ein schmaler Grünstreifen schafft jedoch in westlicher Richtung Verbindung zum bestehenden Parque de la Milagrosa. Ein dazwischen liegendes, am Wochenende gut besuchtes Veranstaltungszentrum und ein dienstags und donnerstags stattfindender Textil- und Lebensmittelmarkt lassen hoffen, dass der von den Architekten angebotene Freiraum von den Anwohnern angenommen wird.
Die hügelige Topografie wird von einem durch Stahlbänder abgesetzten, organisch geformten Wegesystem durchschnitten. Das Potential der schattenlosen Rasenfläche ist  noch nicht ausgelotet. Auf die Frage, ob eine Tag und Nacht zugängliche Parklandschaft mit der Museumsnutzung im Hinblick auf Vandalismus vereinbar sei, winkt Projektarchitektin Alexandra Sobral ab. Zum einen sei dergleichen in einer ruhigen Stadt wie Lugo nicht zu erwarten, zum anderen wären die betreffenden Bereiche umfassend videoüberwacht.

Metallskulpturen und versunkene Höfe

Die frei angeordneten, in der Größe variierenden stählernen Zylinder geben keinen Hinweis auf die museale Nutzung im Untergeschoss. Nur an Details kann man erahnen, dass jeder der Türme eine dem Museum zugeordnete Funktion beherbergt. An einigen Stellen gibt sich die Cortenstahlhülle geschlossen, an anderer Stelle, als Streckmetall ausgebildet, semitransparent. Hier gibt eine präzise detaillierte Öffnung, dort ein Schlitz oder eine Klappe Hinweis darauf, dass es sich eigentlich um Fluchttreppe, Belichtung, Aufzug, Abluftschacht oder Befüllstutzen der Hackschnitzelheizanlage handelt. In der Gruppe bleiben die stählernen Türme homogen und skulptural. Dekorativ angeordnet, verstärken sie das Erscheinungsbild eines Parks und wirken wie eine moderne Interpretation der „Fabriques“ oder „Follies“ aus den Landschaftsgärten des 18. Jahrhunderts. Die Nachahmung der Typologie eines bestehenden historischen Bauwerks war auch vielen der kleinen Gartenarchitekturen inhärent.
Der Zylinder zieht sich als formales Motiv konsequent durch den Entwurf. Als negatives Volumen drücken sich drei kreisförmige Innenhöfe ins Erdreich und sorgen für die Belichtung der Räume im Untergeschoss. Die Ausstellungsräume sind über den größten zentralen Patio erschlossen, dem eine der Kreisform folgende flache Treppe einbeschrieben ist.

Höhlensystem

Das Foyer mit Information und Garderobe schließt unmittelbar an den Hauptpatio an. Zu den Höfen hin geschosshoch mit gebogenen Scheiben verglast, wird der Raum von der Restfläche zwischen den gläsernen Zylindern und den geschlossenen, kreisförmigen Innenräumen gebildet. Obwohl sich Außen- und Innenraum hier unmittelbar und mehrfach durchdringen, schafft die gewählte Materialität eine eindeutige Differenzierung. Rostiger Stahl, Rasen- und Kiesflächen im Außenraum, Streckmetalldecke, weiße Wände und polierter Estrichboden im Innenraum evozieren den Kontrast zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit. Mit der Gegensätzlichkeit von Natur und Kultur, aber auch mit ihrer Überlagerung und Verschmelzung klingt wiederum ein romantisches Thema an.
Die Addition und Verschneidung der Geometrien wirkt selbstverständlich. Präzise fügt sich Kreis an Kreis, schneiden sich Öffnungen als Kreissegmente aus den Volumen. Der Raum ist dabei sehr präsent und weit entfernt vom zurückhaltenden White Cube. Die Architekten schaffen vielfältige  Perspektiven und inszenieren Blickbeziehungen von innen nach außen nach innen nach außen. Man ist erneut an Motive des klassischen Landschaftsgartens erinnert. Die Grotte als künstliches verzweigtes Höhlensystem lässt Gewachsenes und Gebautes ineinanderfließen, bleibt hier jedoch angenehm schmucklos und beschränkt sich auf die Wirkung von Proportion und Lichtführung. Befindet man sich bereits im Museum oder noch im Park?
Der Übergang vom Foyer in die Ausstellung verläuft ebenfalls unscharf. Das Erkunden der Räume, teils sind sie Restflächen zwischen den Zylindern, teils zylindrischer Innenraum, folgt dem von den Architekten entworfenen Programm abschreitbarer Szenen. Gezielt wird der Außenraum auf verschiedene Weise integriert oder ausgeschlossen.
Den Atmosphärischen Auftakt der Wechselausstellung bildet der Skyroom, der sich als schmaler Zylinder zehn Meter hoch bis über die Oberfläche erhebt. Ein zweiter, stalaktitartig von der Decke wachsender Zylinder wirft konzentriertes Licht nach unten und lässt senkrecht in den Himmel blicken. Dagegen wirkt die anschließende flurartige Fläche der temporären Ausstellung etwas nüchtern, was auch einer angestrebten größtmöglichen Flexibilität geschuldet sein mag. Höhepunkt der Höhlenerkundung ist der große Saal, das Zentrum des Museums. Der zu Projektionszwecken fast völlig schwarz gehaltene, ebenfalls zylindrische Raum reicht noch ein weiteres Geschoss tiefer in die Erde. Wie beim Eingangspatio führt eine mächtige Treppe aus Cortenstahl hinab. Nur über einen Steg zu erreichen ist die in den Raum gehangene, ebenfalls zylin­drische Bibliothek.

Bitte so bleiben!

In wenigen Wochen wird das MIHL eröffnen, man möchte jedoch den derzeitigen Zustand einfrieren. Die hohe atmosphärische Dichte kann durch zusätzliche Einbauten und Exponate eigentlich nur leiden. Dass das geplante Ausstellungskonzept ebenfalls zylindrische Elemente vorsieht, stimmt dabei so wenig zuversichtlich wie die interaktive Mitmach-Ausrichtung.



Fakten
Architekten Nieto Sobejano Arquitectos, Madrid/Berlin
Adresse Avda. Infanta Elena. Lugo. Spain


aus Bauwelt 39-40.2011
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