Bauwelt

Sugar Hill


Affordable housing, also bezahlbarer Wohnraum, als Stimulus der Stadtentwicklung? In New York kombiniert ein gemeinnütziger Bauherr Wohnungen mit Kultur- und Bildungsangeboten. Mit der schroffen Architektur indes kann sich nicht jeder anfreunden. Was steckt in der dunkelgrauen Hülle?


Text: Schindler, Susanne, New York


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    Das Grundstück liegt zwischen der St. Nicholas Avenue im Westen, dem etwa 10 Meter tiefer verlaufenden St. Nicholas Place im Osten, und der 155. Straße, einer der wenigen Verbindungsstraßen zwischen Manhattan und der Bronx.
    Abb.: Adjaye Associates

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    Das Grundstück liegt zwischen der St. Nicholas Avenue im Westen, dem etwa 10 Meter tiefer verlaufenden St. Nicholas Place im Osten, und der 155. Straße, einer der wenigen Verbindungsstraßen zwischen Manhattan und der Bronx.

    Abb.: Adjaye Associates

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    Blick nach Westen, entlang der steil ansteigenden 155. Straße
    Foto: Adjaye Associates

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    Blick nach Westen, entlang der steil ansteigenden 155. Straße

    Foto: Adjaye Associates

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    Die Ost- und die Westfassade liegen auf der Parzellengrenze, daher erlaubten die Brandschutzvorschriften nur kleinteilige Öffnungen
    Foto: Adjaye Associates

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    Die Ost- und die Westfassade liegen auf der Parzellengrenze, daher erlaubten die Brandschutzvorschriften nur kleinteilige Öffnungen

    Foto: Adjaye Associates

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    Detailansicht der Fassade, deren Betonpaneele in Kanada vorgefertigt wurden. Das von Rosen inspirierte Muster ist bei schrägem Lichteinfall erkennbar.
    Foto: Adjaye Associates

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    Detailansicht der Fassade, deren Betonpaneele in Kanada vorgefertigt wurden. Das von Rosen inspirierte Muster ist bei schrägem Lichteinfall erkennbar.

    Foto: Adjaye Associates

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    Foto: Adjaye Associates

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    Foto: Adjaye Associates

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    Foto: Adjaye Associates

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    Eingangsgeschoss
    Zeichnung: Adjaye Associates

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    Eingangsgeschoss

    Zeichnung: Adjaye Associates

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    1. Obergeschoss
    Zeichnung: Adjaye Associates

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    1. Obergeschoss

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    Untergeschoss
    Zeichnung: Adjaye Associates

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    Untergeschoss

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    Schnitt
    Zeichnung: Adjaye Associates

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    Schnitt

    Zeichnung: Adjaye Associates

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    3.–7. Obergeschoss
    Zeichnung: Adjaye Associates

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    3.–7. Obergeschoss

    Zeichnung: Adjaye Associates

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    8. Obergeschoss
    Zeichnung: Adjaye Associates

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    8. Obergeschoss

    Zeichnung: Adjaye Associates

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    Schlafzimmer vor Bezug der Wohnung
    Foto: Susanne Schindler

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    Schlafzimmer vor Bezug der Wohnung

    Foto: Susanne Schindler

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    Korridor im Wohngeschoss
    Foto: Susanne Schindler

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    Korridor im Wohngeschoss

    Foto: Susanne Schindler

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    Der Gemeinschaftsraum im 8. Obergeschoss während der temporären Ausstellung „If You Build It“
    Foto: Whitney Browne

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    Der Gemeinschaftsraum im 8. Obergeschoss während der temporären Ausstellung „If You Build It“

    Foto: Whitney Browne

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    Ein Apartment als Arbeitsraum der durch das Insti-tute for Public Architecture geförderten Stipendiaten
    im Rahmen der Kunstinitiative „No Longer Empty“.
    Foto: Whitney Browne

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    Ein Apartment als Arbeitsraum der durch das Insti-tute for Public Architecture geförderten Stipendiaten
    im Rahmen der Kunstinitiative „No Longer Empty“.

    Foto: Whitney Browne

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    Die Gemeinschaftsterrasse mit Installation
    Foto: Whitney Browne

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    Die Gemeinschaftsterrasse mit Installation

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    Einer der zwei Höfe der Vorschule
    Foto: Susanne Schindler

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    Einer der zwei Höfe der Vorschule

    Foto: Susanne Schindler

An der höchst gelegenen Stelle des New Yorker Stadtteils Sugar Hill ist ein Monument des affordable housing (bezahlbarer Wohnraum) entstanden. Es besteht aus 124 Wohnungen für Geringverdiener und ehemalige Obdachlose, einer Vorschule mit 100 Plätzen für 2- bis 5-Jährige und einem Kunstmuseum für Kinder. Der Komplex, der den Namen des ganzen Quartiers für sich beansprucht, stellt eine integrative Vision von Stadtentwicklung dar, in der das Wohnen eine von mehreren Komponenten ist. Doch diese Tatsache verbirgt sich in einer Architektur, die bislang bei vielen Kommentatoren auf Unverständnis stößt. Für mich stellen das Auskragen des oberen Gebäudevolumens, die Fassade aus dunkelgrauen, texturierten Betonfertigteilen und die unregelmäßige Fensterplatzierung eine unverfrorene Neuinterpretation von New Yorks Wohnungsbaualltag aus Turm, rotem Backstein und Lochfassade dar.
Der Bau wurde von Broadway Housing Communities (BHC) unter der Leitung von Ellen Baxter entwickelt und von Adjaye Associates, dem in London, New York und Accra agierenden Büro von David Adjaye, entworfen. BHC hat sich in seiner 30-jährigen Geschichte einen Namen als gemeinnütziger Träger von supportive housing gemacht, dauerhaft betreutem Wohnen für Personen mit besonderen Bedürfnissen. David Adjaye ist als Architekt von Privathäusern und Museen bekannt. Dass beide Akteure in diesem Projekt zusammenfanden, ist außergewöhnlich und spiegelt die Bedeutung wider, die BHC ihrem ersten Neubau beimessen. Für die vielen Kritiker jedoch bestätigt das Resultat dieser Zusammenarbeit die weit verbreitete Haltung, dass die kulturellen Ansprüche von Architektur mit den sozioökonomischen Zielen von Wohnungsbau nicht vereinbar sind.
Die Zeitung Crain’s New York Business mokierte sich darüber, dass die „Stadtverwaltung 550.000 Dollar pro Wohneinheit Entwicklungskosten als ‚bezahlbar‘ bezeichnet“, obwohl die Durchschnittskosten üblicherweise zwischen 350.000 und 400.000 Dollar lägen. Das New York Magazine bezeichnete den Bau als „gekünstelte Festung“ und damit als Undienst an der sozialen Sache; ein Urteil, dem sich die New York Times anschloss. David Adjaye widerspricht diesem ästhetischen Urteil vehement: „Es ist ein Klischee, dass Wohnungsbau für Arme hübsch sein muss.“ Mit Blick auf seine zahlreichen, ganz in schwarz gehaltenen Privathäuser fragt er zu Recht: „Warum ist so etwas ‚cool‘ für die Reichen, aber ‚hart‘ für die Armen?“
Dass die Gesamtkosten von 73 Millionen (geplant) auf 89 Millionen Dollar gestiegen sind, macht die Argumentation nicht leichter. Doch bedürfen diese Zahlen einer näheren Betrachtung. Nur zwei Gründe für den Anstieg: Das gut erschlossene, zwischen Harlem und Washing-ton Heights gelegene Grundstück wurde von privater Hand erworben und nicht etwa, wie im bezahlbaren Wohnungsbau oft üblich, von der Stadt gestellt. Darüber hinaus wurden dem Projekt unvorhergesehene Infrastrukturmaßnahmen in der Wasser- und Stromversorgung aufgehalst, die dem gesamten Stadtteil zugute kommen. Doch solche, hier nur angedeuteten komplizierten Verhältnisse zwischen öffentlichen und privaten Aufgaben im Wohnungsbau lassen sich nicht leicht darstellen, weswegen Sugar Hill in der öffentlichen Wahrnehmung inzwischen in derselben Schublade gelandet ist wie andere Modellvorhaben für bezahlbaren Wohnungsbau, die nach Kostensteigerungen für gescheitert erklärt wurden, allen voran die Wohnanlage Via Verde in der Bronx (Bauwelt 10.2012). Produktiver und zukunftsweisender als Diskussionen um Aussehen und Geld wäre bei Sugar Hill der Blick auf die Nutzungsmischung und, damit eng verbunden, die Mischung unterschiedlichster Finanzierungsquellen, die diese erst ermöglicht hat.

Integratives Finanzkonstrukt

Der Bau vereint fünf Nutzungen auf dem mehr als zehn Meter abfallenden Grundstück. Die Vorschule, das Museum und die Wohnungen werden über voneinander unabhängige Eingänge an einem kleinen Vorplatz auf Ebene der St. Nicho-las Avenue erschlossen. Die Vorschule umfasst sechs, nach Norden und Osten vollverglaste Klassenräume und zwei Höfe. Das Museum, dessen Lobby am Platz liegt, erweitert sich nach unten und erhält dort Tageslicht durch Oberlichter. Der Eingang zu den Wohnungen liegt schlauchartig dazwischen. Ein für gemeinnützige Unternehmen reserviertes Ladenlokal befindet sich an der 155. Straße, darunter liegt die Tiefgarage.Im zurückgesetzten 8. Geschoss gibt es einen Gemeinschaftsraum mit Dachterrasse für die
Bewohner und außerdem die Büros der BHC.
Einen Wohnturm auf einen kommerziellen Sockel zu setzen, ist in New York nichts Besonderes. Außergewöhnlich ist, wenn dies ein gemeinnütziger Träger macht, der alle Komponenten selbst verwaltet und sie einander stimulieren lassen will; und dazu mit Fördermitteln agiert, die meist nur eine einzige Nutzung gestatten.
Mit Sugar Hill widerlegt der Bauherr die vorherrschende Auffassung, nur mit der Mischung der Bewohner nach Einkommen ließe sich ein finanziell und sozial nachhaltiger Wohnungsbau entwickeln. De facto läuft das bei den meisten Vorhaben auf eine Mischung aus market-rate (unreglementiert) und affordable (einkommens- und preisgebunden) hinaus. Unter dem vorigen Bürgermeister Michael Bloomberg pflegte man diesbezüglich ein Verhältnis von 80 zu 20. Sein Nachfolger Bill de Blasio, der sich das ambitionierte Ziel von 200.000 bezahlbaren Wohnungen gesetzt hat – davon 80.000 Neubauten – propagiert in seinen Verhandlungen mit Projektentwicklern ein Verhältnis von 50 zu 50. Ellen Baxter schaffte mit Sugar Hill einen Bau, der 100 Prozent bezahlbare Wohnungen bietet, allesamt für Einkommensgruppen, die als „arm“ oder „sehr arm“ eingestuft werden. Die Einbindung von Bildungs- und Kulturangeboten war für diesen Erfolg essentiell.
In der Baxter`schen Mischfinanzierung gibt es mindestens drei Neuheiten: erstens, ein, mit insgesamt 14.5 Millionen Dollar, bisher unerreichter Betrag an karitativen Geldern für Wohnungsbau, zumeist Spenden von Stiftungen; zweitens, die Bündelung zweier föderaler Instrumente, die nicht darauf angelegt sind, in einem einzigen Projekt zusammenzukommen: Low Income Housing Tax Credits (die Hauptfinanzierungsform für bezahlbaren Wohnungsbau in den USA) und die New Markets Tax Credits (eine neuere Steuerabschreibung für Investitionen in Quartieren mit mangelnden kommerziellen, bildungs- oder kulturellen Ressourcen); drittens, ein eigentlich ausgeschlossenes Querfinanzieren, so etwa der Vorschule durch Mittel der New Yorker Wohnungsbaubehörde Housing Preservation and Development (HPD), die nominell allein dem Wohnungsbau zugute kommen dürfen. Hier liegt das Modellhafte an Sugar Hill: den Wohnungsbau nicht als isoliertes Ressort, sondern als ein Mittel zur Stadtentwicklung zu betrachten und damit ein breites Spektrum an finanziellen Mitteln zu bündeln.
Im Gegensatz zu dieser Glanzleistung des Gesamtprojekts enttäuschen die Wohnungen. Das Gebäude repliziert den Wohnungsschlüssel aller vom HPD geförderten Wohnungsbauten: Studios und Wohnungen mit einem, zwei oder drei Schlafzimmern. Damit scheiden größere Familien oder auch Haushalte mit mehreren Generationen als Mieter aus. Ellen Baxter, die die Nachfrage nach großen Wohnungen bestens kennt, gesteht, dass die insgesamt 51 Studios „ein strikt finanzielles Eingeständnis an das Gesamtziel von 124 Wohneinheiten“ waren. Das HPD subventioniert pro Wohneinheit, unabhängig von der Wohnungsgröße. Für Projektentwickler gibt es damit keinen Anreiz, größere Wohnungen zu bauen.
Eingefahrene ökonomische Formeln haben die typologische Durchschnittlichkeit des Wohnanteils von Sugar Hill bestimmt. Der zentrale Korridor gilt als die effizienteste Erschließungsform, er charakterisiert die Mehrheit des Wohnungsbaus in New York. Die Probleme sind bekannt: Der Korridor hat kein Tageslicht, die Treppenhäuser laden ebenso wenig zur Nutzung ein, und die Wohnungen haben selten mehr als eine Ausrichtung. Für den Architekten blieb im Grunde nur noch die Fokussierung auf das Äußere, die nicht zu unterschätzen ist, aber nichts zu besseren oder flexibleren Wohnformen beiträgt. Die Auskragung der oberen fünf Geschos-se ist eine überraschende Antwort auf den Rücksprung, der im zoning code in 23 Metern Höhe verlangt wird. Die unterschiedlich großen Fenster in verschiedenen Höhen zu verteilen, verleiht den banal geschnittenen Wohnungen einen gewissen Charme, doch die Fassadenversprünge führen in den Wohnungen oft zu eigenartigen und schwer nutzbaren Nischen. Das Äußere und das Innere kommen räumlich nicht zusammen. Insofern ist Sugar Hill als Monument für den bezahlbaren Wohnraum nur fast gelungen.
Leicht gekürzte Fassung eines Artikels, der im September 2014 in der Online-Zeitschrift Urban Omnibus erschien.



Fakten
Architekten Adjaye Associates, London
Adresse Sugar Hill, New York, NY, USA


aus Bauwelt 44.2014

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