Super-Shell-Reihenhäuser
7 hoch 3 Wohnvarianten
Text: Berg, JaapJan, Amsterdam
Flexibilität schaffen, indem man möglichst wenig festlegt. Aber darf man das überhaupt, ein vollkommen leeres Wohnhaus verkaufen – ohne Küche, Toilette und Bad? Man darf, zumindest in den Niederlanden, haben die Architekten Casanova + Hernández herausgefunden und in Groningen 36 Reihenhausrohlinge gebaut.
Die 36 „Super Shell“-Reihenhäuser sind Teil des sogenannten Stadswerf-Projekts im Norden Groningens. Stadswerf, im Quartier Florabuurt am Van Starkenborghkanaal gelegen, ist ein typisches Stadterneuerungsgebiet, eine Mischung aus neuen Wohnhäusern und älteren Gewerbebauten. Im Jahr 2001 hatte sich die Stadt Groningen mit dem Areal bei Europan 6, dem internationalen Wettbewerb für junge Architekten und Stadtplaner, beteiligt. Helena Casanova und Jesús Hernández gewannen den Wettbewerb mit einem Bebauungsplan, der vorsah, auf dem Grundstück mit verschiedenen Typologien zu experimentieren, die eine Mischung von Wohnen und Arbeiten erlauben. Wenn das Stadswerf-Projekt einmal abgeschlossen ist, sollen neben den Super-Shell-Häusern weitere 90 Reihenhäuser im freien und 41 Reihenhäuser im sozialen Wohnungsbau, 41 Geschosswohnungen sowie ein Parkhaus gebaut worden sein.
Neue Wohnfreiheit
Der Städtebauentwurf von Casanova + Hernández basiert auf der Kombination zweier Stadtbausteine: zum einen ein massiver „Sockel“, überwiegend mit Ziegeln verkleidet, in dem sich die Reihenhäuser konzentrieren; zum anderen drei leichter wirkende, höhere Baukörper mit Fassaden aus Glas- und Aluminiumpaneelen. Letztere fungieren, wenn man so will, als Leuchttürme am Kanal. Der erste, bereits realisierte „Leuchtturm“, ein Apartment-Hochhaus mit behindertengerechten Wohnungen, bildet den südlichen Abschluss der Super-Shell-Häuser. Den Architekten ging es bei ihrem Entwurf darum, eine möglichst große Auswahl verschiedener Wohnungen anzubieten. Diese Absicht muss man vor dem Hintergrund einer wachsenden Tendenz im holländischen Wohnungsbau sehen, den künftigen Bewohnern größere Einflussmöglichkeiten bei der Organisation und Gestaltung ihrer Häuser einzuräumen. Es handelt sich dabei um eine relativ junge Tradition – jahrzehntelang war das Gros des niederländischen Wohnungsbaus durch ein streng reglementiertes Top-down Planungs- und Entwurfssystem gekennzeichnet. Casanova + Hernández versuchen, diese „neue Freiheit“ mittels dreier Strategien umzusetzen, für die im Bebauungsplan jeweils ein Reihenhaus-Streifen vorgesehen ist. Die drei Ansätze sind: „Typen auswählen“, „Varianten auswählen“ und „Selbermachen“ .
Geschossdecken mit drei Löchern
Die erste Strategie bietet den künftigen Nutzern schlicht und ergreifend eine Auswahl aus verschiedenen Typologien an, die jeweils auf eine bestimmte Zielgruppe hin entworfen wurden – für Familien mit Kindern, für Freiberufler, die hier arbeiten und wohnen wollen, oder für Paare. Die zweite Strategie sieht zusätzliche Optionen vor, ein Haus zu individualisieren: Badezimmer- und Küchenausstattung, variable Trennwände, Farben und Materialien. Schließlich die „Selbermachen“-Strategie, die bei den Super-Shell-Häusern zur Anwendung kam: Innerhalb eines vorgegebenen Rahmens kann der künftige Nutzer sein Haus selbst gestalten und vollenden. Ein Experiment mit einem Maximum an Freiheit, denn nichts weiter als Geschossdecken und Gebäudehülle („Super shell“) sind festgelegt. Drei strategisch günstig in den Decken platzierte „Löcher“ erlauben es, den Installationsschacht an drei verschiedenen Positionen zu installieren – was eine enorme Variationsbreite bei der Anordnung von Küchen, Toiletten und Bädern ermöglicht. Dazu bietet das Erdgeschoss mit seiner Raumhöhe von fast vier Metern weitere Möglichkeiten, das Haus individuell auszubauen.
Mit den Super-Shell-Häusern erweitern Casanova+Hernández das bekannte Repertoire von Flexibilitätsstrategien um eine verblüffend simple Variante, formulieren gleichzeitig aber auch die Notwendigkeit eines übergreifenden Entwurfskonzepts für ein solches Ensemble: Der potentiellen „Gefahr“ eines bunten Durcheinanders begegnen sie mit einer verhältnismäßig rigiden Strenge bei der Fassadengestaltung.
Aus dem Englischen von Michael Goj
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