Bauwelt

Krematorium von Parma


Mit dem Krematorium von Parma hat Paolo Zermani die Bauaufgabe in Italien salonfähig gemacht. Das Projekt demonstriert nicht nur deren rituellen Gehalt, es gibt auch eine Antwort auf die Frage, wie das Heilige durch Architektur anschaulich werden kann


Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin


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    Noch ist das unmittelbare Umfeld des Krematoriums nicht Teil der suburbanen Umgebung von Parma
    Foto: Mauro Davoli

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    Noch ist das unmittelbare Umfeld des Krematoriums nicht Teil der suburbanen Umgebung von Parma

    Foto: Mauro Davoli

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    Die westliche Umfassungsmauer dient als Bestattungsraum der Urnen

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    Die westliche Umfassungsmauer dient als Bestattungsraum der Urnen

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    Vier Wasserbecken sowie ein von Wasser überspülter Travertinblock prägen den Hof der Bestattung.
    Foto: Mauro Davoli

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    Vier Wasserbecken sowie ein von Wasser überspülter Travertinblock prägen den Hof der Bestattung.

    Foto: Mauro Davoli

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    Das diffuse Licht, dass durch den hohen Schlitz in der Westwand des Aufbahrungssaals sichtbar ist, ist das zentrale Element des Projekts
    Foto: Mauro Davoli

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    Das diffuse Licht, dass durch den hohen Schlitz in der Westwand des Aufbahrungssaals sichtbar ist, ist das zentrale Element des Projekts

    Foto: Mauro Davoli

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    Außer mit Säulen ist der Aufbahrungssaal nur mit einer Kanzel aus Travertin möbliert; jegliche religionsspezifischen Elemente wurden ausgespart

    Foto: Mauro Davoli

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    Außer mit Säulen ist der Aufbahrungssaal nur mit einer Kanzel aus Travertin möbliert; jegliche religionsspezifischen Elemente wurden ausgespart

    Foto: Mauro Davoli

Lang hingestreckt lagert das Krematorium in der Ebene im Westen von Parma. Gerade mal zwei Kilometer sind es vom Friedhof Valera und seinem neuen Annex bis in die Stadt, und noch weniger ist es bis zur im Norden verlaufenden Hauptstraße der Region, der antiken Via Emilia. Doch während rechts und links der heutigen Staatsstraße 9 die knapp 190.000 Einwohner zählende Universitätsstadt weit in die Ebene ausgreift, ist hier, am Rand der kleinen Ortschaft Valera, trotz der nahen Umgehungsstraße durchaus noch ein Eindruck von der über Jahrhunderte entstandenen Kulturlandschaft zu gewinnen: von der römisch-rechtwinkligen Flurgliederung über die eine oder andere, wie verwunschen vor sich hin bröckelnde Renaissance-Villa bis hin zu den Maulbeerbäumen, die einst der Seidenraupenzucht dienten und noch bis ins 19. Jahrhundert in großer Zahl die Wege säumten, sind ihre wesentlichen Bestandteile erhalten. Die Wucht und Präsenz, mit der das Krematorium in diesem Kontext formuliert ist, überrascht, wenn man bedenkt, wie einflussreich die katholische Kirche in Italien noch immer ist und wie widerstrebend nur sie die Feuerbestattung anerkennt. Tatsächlich ist der mit 3,3 Millionen Euro budgetierte „tempio di cremazione“, wie das Bauwerk offiziell und selbstbewusst heißt, die erste derartig ambitionierte Umsetzung der Bauaufgabe in Italien – und vielleicht auch eine Ursache dafür, dass seit seiner Inbetriebnahme die Zahl der Feuerbestattungen in Parma deutlich zugenommen hat, auf inzwischen rund 20 Prozent gegenüber nur sechs Prozent in anderen Städten und Gemeinden der Provinz.
Konzentriert und feierlich, das ist der erste Eindruck, den der Besucher gewinnt von der Anlage, die Architekt Paolo Zermani entworfen hat. Der rituelle Charakter des Anlasses – Versammlung der Trauernden, Aufbahrung des Toten, Verbrennung seines Leichnams und Bestattung der Asche – wird schon in der räumlichen Anlage deutlich. Der Komplex besteht aus einer linearen Abfolge von fünf im Grundriss quadratischen Räumen: dem Hof des Zusammenkommens im Osten, dem Saal der Aufbahrung und des Abschieds, dem eigentlichen Verbrennungssaal und dem „Hof der Asche“ mit seinen vier Wasserbecken im Westen. Der fünfte, Zentrum der Anlage, ist der in diffuses Zenitlicht getauchte, im Übrigen aber leere „Raum des Übergangs“. Umgeben werden diese Räume von einer hohen Ummauerung, in der die Urnen aufbewahrt werden können. Die einheitliche Verwendung des für die Region typischen Backsteins bindet die Einfriedung der Höfe und das eigentliche Gebäude zusammen – ein wiederkehrendes Motiv im Werk des Architekten wie in der ländlichen Architektur der Emilia-Romagna. Das Spezifische des Projekts findet sich denn auch im Inneren des Gebäudes.
Licht aus einer anderen Welt
„Wie lässt sich das Heilige in der Architektur anschaulich machen?“, fragte sich Paolo Zermani bei der Konzeption des Krematoriums. „Indem man in einem Raum sitzt, in den das Licht aus einer anderen Welt scheint.“ Dieses „andere“ Licht zu schaffen, wurde zur eigentlichen Aufgabe, denn dieses Licht ist das einzige, was
den Toten von der Aufbahrung zur Verbrennung geleitet, das Überwinden dieser Schwelle, der Moment des Übertritts von der Welt der Lebenden in das Reich der Toten.
Wer im Saal des Abschieds steht, wird dieses „andere“ Licht – und damit die Schwelle – unweigerlich bemerken. Der Raum des Übergangs schließt sich mittels einer raumhohen schmalen Öffnung direkt an, sodass die verschiedenen Lichtstimmungen nebeneinander stehen. Denn auch der große Raum, in dem die Angehörigen vom Verstorbenen Abschied nehmen, wird von einem Oberlicht erhellt – dieses aber ist selbst an einem verhangenen Tag hell und klar; das Licht hingegen, das von oben in den Raum des Übergangs fällt, ist weicher, ruhiger, es wirkt, als falle es aus einer anderen Quelle herab. Die Beschränkung auf dieses Phänomen stand nicht nur im Mittelpunkt der entwurflichen Aufmerksamkeit – sie brachte auch die meisten Diskussionen mit dem Auftraggeber mit sich: Der Bauherr wünschte sich zunächst eine geradezu theatralische Instrumentierung dieser Schwelle, hatte sogar Kontakt aufgenommen zu den Szenographen am Königlichen Theater von Parma, wie der Architekt berichtet. Doch wurde der konzentrierten Situation seit Inbetriebnahme des Krematoriums nichts hinzugefügt.
Religionsspezifische Ausstattungsmerkmale jeder Art hingegen fehlen, das Gebäude sollte ganz bewusst glaubensübergreifend angenommen werden. Das soll allerdings nicht bedeuten, dass der Raum leer wirkt – die Leere ist schließlich dem Schwellenraum vorbehalten. Zwei mal zwölf Säulen umstehen die Versammelten wie Bäume eine Lichtung. Wie die Wände sind sie aus Ziegeln gemauert – und zwar aus kreissegmentförmigen, eigens für dieses Projekt gebrannten. Konstruktive Bedeutung haben die Säulen nicht, ihre Aufgabe ist rein symbolischer Natur: „Säulen wider die Einsamkeit“, nennt sie der Architekt.
Entsprechend sind auch die Pfeiler der beiden Vorhallen zu verstehen – auch sie haben keine tragende Funktion, wie der Versatz zum Gebälk andeuten soll; sie dienen dazu, die Trauergesellschaft zu empfangen und zu verabschieden, Ein- und Austritt aus dem Gebäude zu signalisieren. Dessen Schmalseiten hat der Architekt bewusst nicht als Fassaden gestaltet, das Gebäude wirkt wie abgeschnitten: Die eigentliche Schwelle ist im Innersten des Tempels zu überschreiten, stellt diese architektonische Entscheidung klar.



Fakten
Architekten Zermani, Paolo, Parma
Adresse Valera Cimitero, Italien


aus Bauwelt 13.2015
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