Bauwelt

Umwandlung einer Fabrikhalle



Text: Dubois, Marc, Gent


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    Kristien Daen

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    Paul Robbrecht

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Marc Dubois hält die Revitalisierung einer Fabrikhalle aus den siebziger Jahren für beispielhaft, weil unter dem kruden Dach nicht nur neue Büros Platz gefunden haben, sondern auch noch ein ganzer Hallengarten.
Ein zukunftsweisendes Architekturprojekt in Belgien? Für mich fällt das neue Büro der Architekten Robbrecht + Daem in diese Kategorie, weil es ein ganz besonderes Konzept im Umgang mit vorhandener Bausubstanz sichtbar macht. Es handelt sich um eine einst als Lager für ei­nen Baustoffhandel genutzte Industriehalle aus den frühen 70er Jahren. Den Hauptraum der gro­ßen Halle ließen Robbrecht + Daem unange­tastet, hier entstand eine Art semi-überdachter Garten. In einen Nebentrakt entlang der Hallenlängsseite passten sie die beiden Geschosse der Büroräume ein. Große Fensterfronten fassen den Blick auf den „Hallengarten“. Dahinter steht die Idee, den von der alten Dachkonstruk­tion überspannten Raum nicht aufzubrechen, sondern als Teil eines neuen urbanen Gefüges aufzufassen. Ein solcher Ansatz böte auch für andere Kontexte – z.B. für Schulen – eine ungewohnte Alternative: Statt aufgelassene Industriebauten abzureißen und durch neue Bauten zu ersetzen, könnte die existierende Struktur als wichtiger Baustein im Rahmen eines neuen Entwurfs reinterpretiert werden.
Das zunächst gar nicht so beabsichtigte Umbauprojekt entstand bei der Suche der Architek­ten nach neuen Büroräumen. Im Genter Arbeiterviertel Brugsepoort stieß Paul Robbrecht auf den alten Industriebau: eine große Holzlagerhalle, die zwischen Wohnhäusern und Garagen verborgen lag. Es war, wie man so sagt, Liebe auf den ersten Blick. Ohne auch nur einen Augenblick zu zögern, entschied sich der Architekt zum Kauf. Das Potenzial der ausrangierten Anlage, hier neben den geplanten Büroräumen einen großen Garten anlegen zu können, hatte er sofort erkannt. Die Dachkonstruktion der Halle könnte dann so bleiben, wie sie war. Dar­über hinaus bot das Grundstück an der Straßenfront noch Raum für ein privates Wohnhaus. Der Dachstuhl selbst besteht aus einer Spantenkonstruktion aus Schichtholz, auch als Glulam (glued laminated timber) bezeichnet. Gebaut hatte ihn das Unternehmen De Coene, das sich mit einer Reihe von Pavillons für die Brüsseler Weltausstellung von 1958 einen Namen gemacht hatte.
Als ich die Halle das erste Mal zu Gesicht bekam, musste ich unwillkürlich an eine Kirche denken, mit einem großen Haupt- und einem schmalen Seitenschiff. Gerade dieser lang gestreckte Seitentrakt war wichtig für den Architekten, weil sich hier die Räume für gleich zwei Büros unterbringen ließen. Im Erdgeschoss befinden sich heute mehrere Besprechungsräume, die Modellbauwerkstatt und eine geräumige Küche mit Aufenthaltsraum. Im Obergeschoss liegen die Büros. Für alle Räume gilt der unverstellte Ausblick über das Innere des ehemaligen Lagerhangars. Die Dachabdeckung des Hauptschiffs wurde zum Teil abgetragen, so dass nun von Westen her die volle Abendsonne in die Halle fällt. Wo früher einmal Holz gelagert wurde, liegt heute ein offener Raum mit be­sonderen Qualitäten. Es gibt ein paar Bäume, abgesteckte Areale mit Blumen und Gräsern und einen Teich. Wasserpflanzen sorgen für eine biologische Selbstreinigung. Man kann sogar schwimmen, der Teich ist tief genug. Ein Teil der Halle ist mit Betonplatten ausgelegt und fungiert als Standort für temporäre Kunstinstallationen. Im Garten steht eine Arbeit von Isa Genzken. Ein Parkplatz für Autos und Fahrräder ist ebenfalls vorhanden. Im Kellergeschoss unter der Halle wurde eine Anlage für die Erdwärmeheizung aufgestellt.
Die Kernidee des Entwurfs bestand darin, die Halle zu öffnen und die Sichtachsen zu erhalten. Die Architekten wollten einen Raum, der die Themen Holz und Natur in den Vordergrund stellt, einen offenen Raum – selbst Vögel finden sich hier ein. Diese Umnutzung ist ein Beispiel dafür, dass in alten Industriebauten ein größeres Entwicklungspotenzial steckt, als man gemeinhin annimmt. Erst wenn man die schnellen Lösungen wie Abriss oder Teilabriss zu über­denken beginnt, stößt man auf die Möglichkei­ten vorhandener Binnenräume, die im Kontext der Stadt oft „fantastische“ Orte avant la lettre bieten. Das Genter Vorgehen wäre auch für eine Schule oder für eine soziale Einrichtung
im Rahmen des Quartiersmanagement denkbar. Für solche Entwurfsansätze ist Bescheidenheit notwendig. Robbrecht + Daem haben auf eine Entwurfsidee gesetzt, die die Qualität des Or-tes an sich herausstreicht – statt auf einen spek-takulären Show-Effekt abzuzielen, wie er bei ver­gleichbaren Projekten oft genug zum Einsatz kommt.



Fakten
Architekten Robbrecht + Daem, Gent
aus Bauwelt 43.2010
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