Bauwelt

„Was ist das Bild eines Windkanals?“


Interview mit Peter Ackermann über das neue BMW-Versuchszentrum


Text: Ballhausen, Nils, Berlin; Ackermann, Peter, München


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    Christian Gahl

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Beim Neubau des Aerodynamischen und energietechnischen Versuchszentrums in München ergriffen die Architekten von Ackermann und Partner die Gelegenheit, durch Verdichtung und plastische Überformung den technischen und gestalterischen Anspruch ihres Bauherrn BMW nach außen zu kehren.
Herr Ackermann, was gab den Anstoß für den Bau des neuen Versuchszentrums von BMW?

Testfahrten in Südafrika, Chile oder Norwegen erfordern einen großen personellen und energetischen Aufwand. Wenn ein Test­ingenieur aus der Arktis nach München telefonierte und dem Entwicklungsingenieur sagte, es gebe da ein Riesenproblem, dach­ten die Entwicklungsingenieure mitunter: Bis der zurück ist, wird er sich schon wieder beruhigt haben. Um derartige Verzöge­rungen und Umwege in der Entwicklung zu unterbinden, werden die Tests im Forschungs- und Innovationszentrum, dem FIZ, in München zusammengefasst.
 
Welche Vorteile hat die Simulation unterschiedlichster Wetterbedingungen?

Ergebnisse, die bei einer Testfahrt ermittelt wurden, kann man nicht unter denselben Bedingungen wiederholen. Im Forschungszentrum lässt sich der Test nicht nur wiederholen, sondern er kann auch auf dem kürzesten Weg mit den Entwicklungsingenieuren bearbeitet werden.
 
Wie kamen Sie zu diesem ungewöhnlichen Auftrag?

Es gab ein Wettbewerbsverfahren unter drei Windkanalherstellern. Das Unternehmen Jacobs Engineering aus den USA hat sich mit uns zusammengetan, und gemeinsam haben wir zwei Alternativen entwickelt, die relativ unterschiedliche Ansätze hatten.
 
Worin unterschieden sich die beiden Entwürfe?

Man muss dazu wissen, dass die Bauaufgabe aus drei Teilen bestand: dem Bereich mit den beiden aerodynamischen Windkanälen, dem Bereich mit drei thermischen Kanälen und dem Studiogebäude als Bindeglied zwischen den beiden Prüfzentren. Der Bauherr favorisierte zunächst den konventionelleren Entwurf, bei dem die Windkanäle, wie üblich, in Boxen unter­gebracht waren. Als der Projektleiter von BMW diesen Entwurf vor 40 Ingenieuren vorstellte, ging ein Murren durch die Reihen, dass da soundso viele Dinge nicht funktionieren würden usw. In einer Pause legten wir unseren zweiten Entwurf vor, den wir selber wegen seiner funktionalen Vor­teile favorisierten. Nach einer halben Stunde war das erste Projekt gekippt und entschieden: Wir machen dies hier!
 
Hatte das mit der dynamischen Form zu tun?

BMW wollte ein Gebäude, das mehr ist als eine Box. Und es gab die technische Neugierde, etwas Neues auszuprobieren. Wenn man einen so großen Windkanal auf die Erde stellt, mit Betonwänden, die allein wegen der Akustik bis zu 60 Zentimeter stark sind, dann wird der Innenraum, das Auge sozusagen, unzugänglich. Dann entsteht eine verlorene Fläche, weil man einen Windkanal nicht einfach durchqueren kann. Das FIZ liegt aber mitten in der Stadt, der knappe Raum muss ausgenutzt werden. Zusammen mit den Jacobs-Ingenieuren entstand die Idee, den einen Windkanal in das Auge des anderen einzupflanzen. Damit das funktioniert, muss der umschließende Windkanal angehoben werden. Das führte zu einer spannenden plastischen Konfiguration, die wir technisch wie gestalterisch in den Griff bekommen mussten.
 
Inwieweit folgt hier die Form der Funktion?

Es ist nicht so, dass die Airline auch die Außenlinie wäre. Aerodynamisch sind Dinge gefordert, an denen kann auch der Architekt nichts ändern. Der Ventilator zum Beispiel ist die engste Stelle im Windkanal, weil hier die Luft beschleunigt wird. Für uns stellte sich die Frage: Was ist das Bild eines Windkanals? Das ist eben der Ventilator. Um den nach außen abzubilden, haben wir seine Hülle größer ausgeführt. Die Windkanal-Ingenieure sahen darin Vorteile, weil dadurch die Wartung des Ventilators erleichtert wird.
 
Warum hat der kleinere Windkanal eine andere Form?

Er muss sich anders darstellen, sonst verschwimmt alles, was wichtig ist. Wir haben das Ventilatorgehäuse des Modell-Windkanals formal einfacher gehalten, um ihn nicht in Konkurrenz zu seinem großen Bruder treten zu lassen.
 
Wie waren die Rückmeldungen aus den Abteilungen?

Es ging irgendwann rauf bis zum Vorstand, der eigentlich in diesen Dingen nicht mitredet. Aber auf unserer Projektebene war man sich nicht sicher, ob so eine expressive Außendarstellung zum Unternehmen passt, das in München zumeist dezent auftritt. Es gab den Versuch, alles wieder in eine Kiste zu verpacken. Als es zu keiner Entscheidung kam, wurde der Entwicklungsvorstand eingeschaltet, der sich beide Konzepte – das exponierte und das konventionelle – hat vorstellen lassen und danach mit einer Vehemenz, mit der ich nicht gerech­net hatte, sagte: Ihr müsst zeigen, was BMW macht. Damit war auch der Weg frei, eine Fassade zu entwickeln, die davon lebt, dass ihre Linien rundum durchlaufen und auch die Dach­ansicht mit derselben Sorgfalt behandelt wird.
 
Welche Einflussmöglichkeiten haben Architekten bei so hochspezialisierten Gebäuden?

Man kann sie nicht aus dem Bauch heraus, gestalterisch oder künstlerisch begreifen, sondern aus der Herausforderung der verschiedenen Disziplinen, von der Aerodynamik bis zur Statik. Daraus gilt es eine Form zu entwickeln, ein Gebäude, das funktioniert. Wir haben die Windkanalhersteller immer mit der Frage getrieben: „Wie macht ihr es denn sonst?“ Von Korea bis Detroit: immer nur Blechkisten und günstigste Hallen. Es wurde nie daran gedacht, dass ein optischer Anspruch besteht, dass es eine Arbeitsstätte ist, dass man die Ingenieure stolz machen kann, wenn sie ein Gebäude bekommen und nicht nur einen Prüfstand.
 
Wie würden Sie das neue Versuchszentrum im Architekturportfolio von BMW einordnen?

Den „Vierzylinder“ der Hauptverwaltung von Karl Schwanzer halte ich noch immer für eines der besten Hochhäuser der Welt. Das Versuchszentrum ist kein Gebäude, das repräsentie­ren soll und will. Es ist, im Unterschied etwa zur BMW-Welt, ein Arbeitsgebäude, das zeigt, was im Inneren passiert.



Fakten
Architekten Ackermann und Partner, München
Adresse Schleißheimer Straße 416-41880809 München


aus Bauwelt 28.2010

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