Wer findet, dass Holzbauten – so sehr man sich auch um gestalterische Nüchternheit bemüht –  immer noch ein Rest von Rustikalität anhaftet, den wird Robert Albertins Wohnhaus in Haldenstein eines Besseren belehren.

Holzhaus am Hang, Weinbaugebiet: Stabwerk, großzügig geöffnet, helle Füllungen, Austritte, leichte Dächer – die Legende der süddeutschen Schule, von Schmitthenner („Dort rauscht das Meer, hier wächst der Wein“) bis Behnisch. Doch dann dies hier: kompaktes Volumen, optisch geschlossen – auch ein Holzhaus am Hang. Vielleicht macht kaum etwas den Wandel im Holzbau so deutlich wie dieses bescheidene Haus des Architekten Robert Albertin in Haldenstein. Neues Image, neue Konstruktion – sichtbar wird die Bandbreite, die in diesem Stoff steckt.

Auf einem betonierten Sockel, der Garage, Nebenräume und talseitig einen Büroraum birgt und der den steil abfallen­den Hang befestigt, erhebt sich der zweigeschossige Holzbau aus Brettsperrholz, ein Kubus in den Proportionen von ca. 2/2/3. Das untere Stockwerk mit den Wohnräumen öffnet sich über die volle Hauslänge zum Tal. Dieser Panoramablick wird von der darüber liegenden Wand als Überzug überspannt; die hinter dieser geschlossenen Wand im Obergeschoss gelegenen Schlafräume blicken über eingezogene Loggien den Hang entlang. Zwischen den Zimmern liegen Treppe und Nassräume, belichtet zum Grün des aufsteigenden Hangs. Farben und Ausblicke sind dramatisiert durch das Weiß der Innenräume in allen Dimensionen – weiß gestrichen, wie man es aus gekalkten Ställen kennt, die Oberflächen der tragenden Wand und Deckenscheiben, hellgrau der geschliffene Schallschutz-Estrich.

Den 14,5 Zentimeter starken, tragenden Massivholzwänden ist außen die thermische Hülle vorgestellt: 22 Zentimeter mineralische Dämmung mit Distanzschrauben auf die Tragwand geheftet, abgeschlossen durch Windpappe, Hinterlüftung, horizontale Schalung mit offenen Fugen. Zwei Konstruk­tionsweisen. Zwei Häuser? Dem weißen Innenraum in der Tradition der klassischen Moderne ist ein schwarzes Haus übergestülpt. Dieser schwarze Schatten eines Hauses steht nur wenige Meter von der Kirche des Graubündener Weinbaudorfs entfernt. Zurückhaltend, wie ein Schweizer Kritiker meint, aus Rücksicht auf die hell gestrichenen Putzbauten der Nachbarschaft? Oder in seiner Hermetik eher Bezug suchend zu den Bergeschuppen, die heute meist verlassen und verschlossen sind? Ins Innere zurückgezogen die strahlende Zuversicht der Moderne, außen die bildlose Gestalt des Geräts und die Melancholie geometrischer Körper in einer Umgebung, deren Wandel ins Ungewisse geht? Nur genaues Hinsehen offenbart, wie vorsichtig dieser Bau etwa auf die Topografie reagiert.

Zwei Gründe sprachen für den Holzbau. Zum einen die sehr kurze Bauzeit dank Montage der fertig gelieferten Wandscheiben und anschließend zügiger Verschalung mit modernster Dämmtechnologie – gewährleistet durch einen Holzbauer, dem Logistik, computergestützte Fertigung und klassische Zimmerei vor Ort vertraut sind. Zum anderen die Leidenschaft für das Material, in ökologischer Hinsicht (das Haus erfüllt den hohen „Minergie-Eco“-Standard), vor allem aber auch hinsichtlich seiner sinnlichen Qualitäten. Das Material als Ganzes spüren, nicht als dünne Platte – immer wieder kommt der Architekt auf die Blockhäuser der Walser zu sprechen, um im selben Atemzug anzuschließen: bloß nicht rustikal. Ein Balanceakt.

Fakten
Architekten Albertin, Robert, Haldenstein (Schweiz)
Adresse 7023 Haldenstein/Chur

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aus Bauwelt 41.2010
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