Charta von Prinz Charles
Der Prince of Wales formuliert „Zehn Grundsätze für ein nachhaltiges städtisches Wachstum, das die Tradition wertschätzt“
Text: Prinz Charles, London
Charta von Prinz Charles
Der Prince of Wales formuliert „Zehn Grundsätze für ein nachhaltiges städtisches Wachstum, das die Tradition wertschätzt“
Text: Prinz Charles, London
1
Stadtentwicklung muss das Land respektieren. Bauprojekte sollten nicht aufdringlich sein; sie sollten so gestaltet sein, dass sie in die Landschaft passen, die sie besetzen.
2
Architektur ist eine Sprache. Wir müssen die Grundregeln ihrer Grammatik befolgen, sonst kommt es zu reichlich Misstönen und Verwirrung. Deshalb können Bauvorschriften so wertvoll sein.
3
Maßstäblichkeit ist entscheidend. Gebäude sollten sich nicht nur auf menschliche Proportionen beziehen, sondern auch dem Maßstab der Bauten und Dinge um sie herum entsprechen. Zu viele unserer Städte sind durch gedankenlos platzierte, überdimensionierte Bauten verschandelt, die sich kaum voneinander unterscheiden und ohne gesellschaftliche Bedeutung sind.
4
Harmonie – das Zusammenspiel aller Teile. Das Aussehen eines Gebäudes sollte in Einklang mit seinen Nachbarn stehen, was nicht bedeutet, dass man Einförmigkeit schafft. Reichtum kommt von Vielfalt, wie die Natur beweist, doch es braucht Zusammenhalt, der sich oftmals durch Aufmerksamkeit gegenüber Details erzielen lässt, etwa bei der Gestaltung von Türzargen, Balkonen, Gesimsen und Geländern.
5
Die Schöpfung gut gestalteter Freiräume. Durch Gebäude gefasste und geschützte Räume sind nicht nur für das Auge befriedigender als eine Anhäufung zusammengewürfelter Häuser, sie regen darüber hinaus dazu an, zu Fuß zu gehen, und vermitteln ein Gefühl von Sicherheit.
6
Materialien sind von Bedeutung. In Großbritannien sind wir, wie überall, abhängig geworden von nichtsagenden, standardisierten Baustoffen. Es kommen viel zu viel Beton, Kunststoff, Aluminium, Stahl und Glas zum Einsatz, mit denen es nicht gelingt, einem Ort einen eigenständigen Charakter zu verleihen. Damit Gebäude so aussehen können, als gehörten sie dazu, müssen wir aus dem Angebot örtlicher Materialien und regionaler, traditioneller Bauweisen schöpfen.
7
Schilder, Beleuchtung und Versorgungseinrichtungen. Davon gibt es bei weitem zu viele. Wir sollten außerdem möglichst viele Leitungen in die Erde vergraben und die Verwendung von Leuchtreklame einschränken. Poundbury lehrt uns, dass es möglich ist, die Straße von nahezu allen Verkehrszeichen zu befreien, indem wir „Ereignisse“ nutzen – eine Kurve, einen Platz, einen Baum –, die in Abständen von 60 bis 80 Metern aufeinander folgen. Das bringt Autofahrer auf natürlichem Wege dazu, ihre Geschwindigkeit zu drosseln.
8
Der Fußgänger muss im Zentrum des Entwurfsprozesses stehen. Die Straßen müssen vom Auto zurückgefordert werden.
9
Dichte. Raum ist ein kostbares Gut, trotzdem müssen wir nicht auf Hochhäuser zurückgreifen, die Entfremdung und Vereinsamung begünstigen. Ich bin überzeugt, dass Reihenhäuser und Geschosswohnungsbauten weitaus größere Vorteile für gemeinschaftliches Leben bieten. Kensington und Chelsea sind mit ihrem Charme und ihrer Schönheit anschauliche Beispiel für das, worauf ich hinaus will. Häufig gerät in Vergessenheit, dass dies die am dichtesten besiedelten Stadtteile Londons sind.
10
Flexibilität. Starre, konventionelle Planungsvorschriften für den Straßenbau lassen die vorangestellten neun Punkte auf der Stelle null und nichtig werden. Doch habe ich herausgefunden, dass sich auch in Richtlinien Flexibilität einbauen lässt. Und ich bin erfreut, sagen zu können, dass viele der Neuerungen, die wir in den vergangenen 20 Jahren erprobt haben, inzwischen Eingang in nationale Baubestimmungen gefunden haben, etwa in das britische Straßenbauhandbuch The Manual For Streets.
Zuerst veröffentlicht in The Architectural Review, Januar 2015
Aus dem Englischen: Agnes Kloocke
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