Childs’ One World Trade Center
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Childs’ One World Trade Center
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Die Glasturm-Gruppe am Memorial in New York könnte auch in Dubai, Moskau oder Guangzhou stehen. Der Hauptturm links ist derzeit bis zum 60. Geschoss emporgewachsen. Ein wenig Licht in diese Planung von Silverstein Properties brachte David Childs’ Vortrag im Kongresspalast von Bologna, der im Rahmen der Cersaie 2010 stattfand.
David Childs wird in diesem Jahr 70. Er ist Senior am Sitz New York des 1937 in Chicago gegründeten Architekturbüros Skidmore, Owings & Merrill (SOM), mit rund eintausend realisierten Bauten weltweit eine der bedeutendsten Architekturfirmen der USA. Childs’ erste Worte machen sehr betroffen. Er erzählt von seinen Erlebnissen in den Räumen des New Yorker Architekturbüros von SOM am 11. September 2001. Das Büro liegt in der Wall Street, in unmittelbarer Nähe standen die zwei Türme des World Trade Centers. Er und einige Mitarbeiter sind an dem Morgen der Anschläge dort gewesen und haben das Inferno erlebt. In den ersten Tagen nach den Anschlägen war an ein Arbeiten nicht zu denken, zu sehr waren das Unbegreifbare und das Grauen der Ereignisse präsent.
Stachel der Freiheit
Bald zehn Jahre sind seit jenem Tag vergangen. Childs stellt seine Planungen für den Ground Zero vor, das 6,5 Hektar große Areal, wo die Zwillingstürme standen. Dabei findet die Grundlage der Gesamtkonzeption nur knapp Erwähnung: David Libeskinds Projekt mit den in einem Halbkreis platzierten fünf Türmen und dem extrem schlanken „Freedom-Stachel“, ein Entwurf, der auf dem Erfolg beim offenen Wettbewerb von 2002 basiert (Bauwelt 8.2002, 30.2003). Die Geschichte dieser Planung mit Libeskind ist komplex. Trotz ihrer großen Bedeutung übergeht Childs sie einfach. Fest steht, dass der Immobilienhändler Larry Silverstein, der frühere Pächter des World Trade Centers und jetzige Bauherr, sowie der Eigentümer, die Hafenbehörde von New York und New Jersey, bei diesem Großprojekt den Planungs-Riesen und Wolkenkratzer-Routinier SOM, der sich mit der Optimierung von Büroflächen bestens auskennt, beauftragen wollten. Libeskind, der „Museumsarchitekt“, konnte sich mit SOM nicht einigen, wurde 2005 nach einem Streit ausgehebelt und musste sich schließlich mit dem Masterplan begnügen, der in großen Zügen Bestand hat. Childs erläutert bei seinem Vortrag dann ausführlich, dass es bei der städtebaulichen Situation des früheren World Trade Centers von 1973 des US-Architekten Minoru Yamasaki (1912–1986) unterbrochene Straßenführungen gegeben habe. Beim neuen Konzept sei dies nun anders, zumindest soll die Blickbeziehung in Nordsüd-Richtung wieder möglich sein. Dass die Planungen an so exponierter Lage in Lower Manhattan viele Jahre dauern, nachdem man sich endlich einig war, was hier entstehen soll, hat nicht nur mit den Fragen der Finanzierung und der Maximierung gut vermarktbarer Flächen zu tun, sondern mit den schwierigen Gründungen und den hochkomplizierten unterirdischen Verkehrsanbindungen.
Suche nach Mietern
Die Gewichtung beim Vortrag ist eindeutig: Childs bezieht sich allein auf seinen Hauptturm, den Freedom-Tower, der den Platz von Libeskinds „Stachel“, die Nordwestecke von Ground Zero, einnimmt und seit 2009 angeblich aus Gründen der besseren Vermarktung „One World Trade Center“ heißt. Andere Bauten werden mit Ausnahme von Childs’ kleinerem Turm, dem World Trade Center 7 von 2007 am nördlichen Rand von Ground Zero, und einer Darstellung des Renderings der Gedenkstätte nicht erwähnt. Das Memorial mit den Wasserbecken auf den Grundrissen der beiden Türme ist bekannt. Auch der Regionalbahnhof, ein typischer, aber schmächtiger Bau in Raupenform von Santiago Calatrava, dessen erster Entwurf nach einem Disput mit dem Bauherrn vereinfacht wurde, war nicht zu sehen. Man muss sich die Frage stellen, warum die Planung für Ground Zero in Einzelteile zerfällt, anstatt als ein Ensemble begriffen zu werden, an dem mehrere Architekten beteiligt sind. Die Entscheidung für konforme Büro- und Kommerzflächen, die potenzielle Mieter ansprechen sollen, scheint, so hart dies auch klingen mag, alles andere zu überdecken. Aber die Finanzierung der Türme steht noch lange nicht. Silverstein feilscht hartnäckig um staatliche Subventionen.
Florenz
David Childs’ 541 Meter hoher, natürlich LEED-tauglicher Turm ist in seiner Gestalt bieder, pragmatisch und weckt keine Neugier. Child zeigt als Leitidee den Obelisken von Washington, der allerdings eine völlig andere Symbolkraft besitzt. Auch der aufgesetzte Ring, die „Korona“, die die 130 Meter hohe, bei Dunkelheit einen Lichtstrahl in den Himmel werfende Antenne stabilisieren wird, ist banal. Die einzige wirkliche Symbolik des Turms, seine Höhe von 1776 Fuß, die dem Jahr der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung entspricht, basiert noch auf einer Idee von Libeskind beim Wettbewerb 2002. Immerhin wird der Freedom Tower der höchste Turm der USA sein. Er war im September letzten Jahres bereits auf rund 50 Geschosse angewachsen und soll 2013 fertig sein. Besonders irritierend ist das Konzept mit dem „bombensicheren“ Sockel, der mit 60 Metern sehr hoch ausfällt, ursprünglich sogar in Beton geplant war, dann in Aluminium mit Fensterstreifen und jetzt eine dicke, gut gesicherte Glashaut zeigt. Ganz unten soll es als steinernes Bollwerk Sitzbänke geben. Bei seinem Vortrag in Italien scheint Childs besonders stolz darauf zu sein, dass er sich bei seinen Steinbänken vom Sockel des Palazzo Medici in Florenz habe inspirieren lassen.
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