Designpark mit Sonnenbrille
Die Hochschule für Gestaltung in Ulm
Text: Tilmann, Christina, Berlin
Designpark mit Sonnenbrille
Die Hochschule für Gestaltung in Ulm
Text: Tilmann, Christina, Berlin
Das Gebäude der ehemaligen Hochschule für Gestaltung in Ulm soll unter anderem für einen „Designpark“ umgenutzt werden. Das kommerzielle Verwertungskonzept der Eigentümerin, der Stiftung HfG Ulm, stößt immer mehr auf Widerstand. Wird hier das Erbe der HfG Ulm verschleudert? Max Bills Werk (Bauwelt 41.1955) steht unter Denkmalschutz. Doch zurzeit werden blau glänzende Fenster eingebaut.
Die Hochschule für Gestaltung in Ulm, 1953 von Otl Aicher, Inge Aicher-Scholl und Max Bill gegründet und schon 1968 wieder geschlossen, ist unbestreitbar Deutschlands wichtigste Design-Hochschule nach dem Zweiten Weltkrieg. Doch die Diskussion um ihr Erbe gleicht einer Provinzposse, mit zunehmender Tendenz zur Eskalation. Von einer angemessenen Würdigung und Wahrung der HfG-Tradition ist man in Ulm gegenwärtig himmelweit entfernt.
Ende vergangenen Jahres ist der seit langem schwelende Streit publik geworden. In einem von der Stiftung Bauhaus Dessau initiierten Offenen Brief an Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Stefan Mappus hatten über 70 Ehemalige der Hochschule, unter ihnen der einzige noch lebende Rektor Tomás Maldonado und ein Großteil der damaligen Dozenten, besorgt auf den Zustand der HfG-Stiftung hingewiesen. Auch die Söhne von Max Bill, Otl Aicher und Hans Gugelot haben den Brief unterzeichnet. Zuvor schon waren die Intendantin Regula Staempfli und die externen Mitglieder des Fachbeirats des Ulmer Internationalen Forums für Gestaltung (IFG) zurückgetreten und hatten heftige Vorwürfe erhoben. Es geht um die Personalstruktur der HfG-Stiftung, um den Umgang mit den denkmalgeschützten Gebäuden, es fallen Worte wie „Kommerzialisierung“, „Ausverkauf“ und „Insiderwirtschaft“. Vor allem aber geht es darum, wer die Zukunft der traditionsreichen Marke HfG Ulm bestimmt. Zentrum der Angriffe ist die private Stiftung HfG Ulm, die das ehemalige Hochschulgelände auf dem Oberen Kuhberg in Ulm verwaltet. Schon 1986 hatte Otl Aicher der damaligen Stiftung die Weiterführung des Namens Geschwister Scholl untersagt, weil sie nur noch immobilienwirtschaftliche Interessen verfolge. Daran hat sich im Grunde bis heute nichts geändert: Die Stiftung vermietet die HfG-Gebäude und kümmert sich um die Sanierung. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der HfG-Tradition und ihrer Relevanz für die Gegenwart ist dem Internationalen Forum für Gestaltung (IFG) überlassen, das auf diese Weise die Gemeinnützigkeit der Stiftung sichert. Ehemalige Angehörige der HfG werden kaum gehört. Hinzu kommt, dass alle Beteiligten in Ulm inzwischen heillos zerstritten sind. Der Geschäftsfüh-rer der Stiftung, der ehemalige DaimlerBenz-Manager Dieter Bosch, agiert zunehmend selbstherrlich. Pressesprecher Frank Schulz wimmelt ab: Man habe kein Interesse, mit Kritikern zu sprechen. Auf der Website der Stiftung spricht Bosch von „HfG-Ulm Pharisäern“, „selbsternannten Erben“ und einer „neuen Qualität der Streitsucht“.
Grund der Aufregung: Das legendäre Hochschul-Gelände auf dem Oberen Kuhberg in Ulm steht vor einem Umbruch. Nach Auszug der Universität, die das Gelände seit Schließung der HfG 1968 nutzte, gilt es, ein neues Konzept für die denkmalgeschützten Bauten von Max Bill zu finden. Die Stiftung HfG Ulm plant als Eigentümerin der Gebäude ab 2013 ein Drei-Säulen-Modell aus Tagungs-, Dokumentations- und „Innovationszentrum“. Doch als auf einer Konzeptpräsentation vor ehemaligen Hochschulangehörigen Worte wie „Designpark“ und „Exzellenz-Cluster“ fielen, schrillten die Alarmglocken. Auch Otl Aichers Sohn, der Architekt und Publizist Florian Aicher, betrachtet die Vorgänge mit großer Sorge und plädiert für eine Nutzung der Gebäude durch Ausstellungen und Veranstaltungen zur HfG-Geschichte. Das Vorgehen der Stiftung, die mit dem Namen HfG Ulm um kommerzielle Mieter wirbt, bezeichnet er als „Geschäftlemacherei“.
Derzeit werden die alten Hochschulgebäude erst einmal saniert. Beauftragt ist der Ulmer Architekt Adrian Hochstrasser, der nach eigenen Aussagen quasi auf dem Kuhberg aufgewachsen ist. Doch sein Versuch, die Gebäude von Max Bill heutigen Energie- und Brandschutzverordnungen anzupassen, wird von Fachleuten scharf kritisiert. Es geht vor allem um die Entscheidung, für die großen Glasfenster der Hochschulgebäude, die ein Drittel der Fassade ausmachen, blau getöntes Isolierglas zu wählen: eine Art „Sonnenbrilleneffekt“.
Die Sorge um die denkmalgerechte Sanierung ist nur ein Teil des HfG-Dramas. Das Grundproblem liegt in der Trägerstruktur. Otl Aicher hatte mit Blick auf die NS-Zeit und das Schicksal der ihm freundschaftlich verbundenen Geschwister Scholl bei Gründung der HfG Ulm bewusst für Staatsferne plädiert. Heute jedoch führt die privatrechtliche Organisation der HfG-Stiftung dazu, dass keine Kontrollmöglichkeit über ihr Geschäftsgebaren besteht. Nicht nur, dass Stiftungsgeschäftsführer Dieter Bosch quasi allgegenwärtig ist. Auch andere Beteiligte treten in Mehrfachfunktionen auf. So ist Stiftungsvorsitzender Alexander Wetzig gleichzeitig Baubürgermeister von Ulm, Adrian Hochstrasser der Sohn des Achitekten und Ehrenvorsitzenden der HfG-Stiftung Fred Hochstrasser, der in den 70ern und 80ern den ersten Umbau der HfG-Gebäude verantwortete, und auch neue Mieter, die für das künftige Design-Zentrum gefunden wurden, sind eng mit der Stiftung verbunden. Und fast alle wohnen in Hochschulgebäuden auf dem Kuhberg. Man sieht sich täglich. Doch eine ernsthafte Auseinandersetzung damit, was die HfG Ulm für die Entwicklung der internationalen Designgeschichte bedeutet und wie ihre Philosophie in der Gegenwart fortgeschrieben werden könnte, findet nicht statt. Die Auseinandersetzung ist eben keine Provinzposse von nur lokaler Bedeutung. Nimmt man die Rolle der HfG als Weiterträgerin des Bauhaus-Gedankens ernst, wäre eine Kooperation mit der Dessauer Bauhaus-Stiftung naheliegend – und eine finanzielle Ausstattung, die ein inhaltlich relevantes Arbeiten ermöglicht.
0 Kommentare