Kein Fügen ins Unvermeidliche
Vor kurzem wurde der Bauzaun gelüftet, der das Frankfurter Dom-Römer-Areal Jahre lang hermetisch abgeriegelt hatte. Anlass für eine weitere Diskussionswelle über die „neue Altstadt“, die mit einem 1,5 Millionen teuren Fest im September eröffnet wird.
Text: Santifaller, Enrico, Frankfurt am Main
Kein Fügen ins Unvermeidliche
Vor kurzem wurde der Bauzaun gelüftet, der das Frankfurter Dom-Römer-Areal Jahre lang hermetisch abgeriegelt hatte. Anlass für eine weitere Diskussionswelle über die „neue Altstadt“, die mit einem 1,5 Millionen teuren Fest im September eröffnet wird.
Text: Santifaller, Enrico, Frankfurt am Main
Die Welle der Empörung, die blieb aus. Wer glaubte, dass sich über Frankfurts neue Altstadt – zumindest in der Fachöffentlichkeit – eine Lawine der Kritik erheben würde, sieht sich getäuscht. In ihrer überwiegenden Mehrheit bemühen sich die Edelfedern der Feuilletons ebenso wie die heimische Architektenschaft um differenzierte Urteile und sachliche Analyse (Bauwelt 16.2017). Vor allem versuchen sie positive Schlüsse aus dem Quartier zu ziehen. Nicht, weil jetzt die neue Altstadt nun mal da ist, also ein Fügen ins Unvermeidliche, sondern weil urbane Dichte, Detailliebe sowie die Leistungen der Handwerker und Planer beeindrucken. Was bei Neubau-Vierteln derzeit ja eher selten der Fall ist.
Von früheren Gegnern hört man, dass sie nun, nachdem sie das Altstadt-Areal besucht hätten, „geläutert“ seien. Einige wenige geben sich unversöhnlich. Und sie trauern: Ja, wenn Stadt und Bauherren so viel Geld, Sorgfalt, Zeit und juristische Fantasie doch nur in ein Quartier mit zeitgenössischer Architektur gesteckt hätten – ohne sofort an den Return of Investment zu denken, ohne Ämterkabbelei, ohne Bedenken um Nutzungskonflikte, ohne die Einschränkungen des Brandschutzes.
Natürlich ist die neue Altstadt eine museale Inszenierung, eine nostalgische Kulisse. Das räumen sogar ihre Fans ein. Anderes wäre schon allein bauordnungsrechtlich gar nicht möglich. Der juristische Kniff war, das gesamte Quartier als ein einziges Gebäude zu behandeln. Die Parzelle, die jede für sich entwickelt wurde, wurde zu Brandabschnitts-Paketen zusammengefasst. Und die Sträßchen, Gässchen und Plätzchen, die nun Nostalgiker bezaubern, fungieren wie innere Gebäude-Erschließungswege. Übrigens gilt hierfür einheitlich die Brandwiderstandsklasse F60, weshalb eine aufwändige und entsprechend teure Brandmeldeanlage mit Frühwarnsystem installiert wurde.
Die Bundsandstein- und Kalkbruchsteinfassaden, der ganze Figurenschmuck, die verzierten Kragsteine, die die Altstadt-Besucher auf eine Zeitreise durch die Baugeschichte schicken, wurden feinsäuberlich mit der Mineralstoffdämmung an die Betonmauern montiert. Wobei die Wohngeschosse bei den 15 Rekonstruktionen und den 20 unter einer strengen Gestaltungssatzung neu geplanten Häuschen allesamt mit den Passivhaus-Richtlinien konform gehen.
Natürlich gibt es Fehlgriffe und Widersprüche, die dem Laien verborgen bleiben. Unbefriedigende Anschlüsse zwischen den Häusern, weil sich die beteiligten Architekten nicht immer abgestimmt hatten. Oder rote Granitsockel und -fensterbänke bei einer roten Sandstein-Fassade. Oder über die Fassade mäandrierende Fallrohre. Die bisweilen verzweifelten Versuche, in den engen, dunklen Hinterhöfen kaum benutzbare Balkone hinzuzimmern. Die ganze Problematik der Barrierefreiheit und der Rettungswege: Das Haus Markt 7, neben der rekonstruierten Goldenen Waage, funktioniert vor allem als Treppenhaus, um für das benachbarte Gebäude den Fluchtweg und den Behinderten-Zugang sicherzustellen.
Teure Wohnungen, dunkle Wohnungen – aber gefragt
Auch die von Altstadt-Freunden gerühmten „Neubauten“ sind häufig banal, einige anständig, doch in allen Punkten überzeugen kann keiner. Wenn jetzt manche Journalisten – wie in der FAZ – vorschnell eine „Neue Frankfurter Bauschule“ erkennen mögen, dann möchte man ihnen „gemach, gemach!“ zurufen. Denn ob sich die rund 200 Bewohner in ihren teuren, aber dunklen Wohnungen wirklich wohlfühlen, ob sie mit den täglichen Touristenmassen, mit den aufdringlichen Straßendudlern und sonstigen Schaustellern leben können, muss sich erst noch beweisen.
Teure Wohnungen, dunkle Wohnungen – aber gefragt
Auch die von Altstadt-Freunden gerühmten „Neubauten“ sind häufig banal, einige anständig, doch in allen Punkten überzeugen kann keiner. Wenn jetzt manche Journalisten – wie in der FAZ – vorschnell eine „Neue Frankfurter Bauschule“ erkennen mögen, dann möchte man ihnen „gemach, gemach!“ zurufen. Denn ob sich die rund 200 Bewohner in ihren teuren, aber dunklen Wohnungen wirklich wohlfühlen, ob sie mit den täglichen Touristenmassen, mit den aufdringlichen Straßendudlern und sonstigen Schaustellern leben können, muss sich erst noch beweisen.
Und die Kosten? Offiziell ist von nur rund 200 Millionen Euro die Rede, doch viele Ausgaben verbergen sich in anderen Haushaltstiteln, andererseits wird mit 90 Millionen aus dem Verkauf der Wohnungen gerechnet. Man kann deswegen auch den Ärger von Architekt Jürgen Engel verstehen: Sein Büro KSP gewann 2005 den städtebaulichen Wettbewerb, der jene ungeheure Empörungsdynamik auslöste, an deren Ende 2007 das Frankfurter Stadtparlament die Rekonstruktion der Altstadt beschloss. Aber der Wettbewerb hatte damals eine andere Prämisse: Die Stadt wollte das Areal des Technischen Rathauses an einen einzelnen Investor verkaufen. Und Engel entwarf das, was viele Investoren wünschen: einen mit Natursteinkleidern behübschten BGF-Klotz, allerdings weniger klotzig als üblich. Wenn Engel nun die „glitzernden Traumwelten“ der Altstadt beklagt, dann darf man an das Frankfurter Palais Thurn und Taxis erinnern, dessen Rumpf-Rekonstruktion aus seinem Büro KSP stammt und das zusammen mit Christoph Mäcklers Wiederaufbau der Alten Stadtbibliothek erst die Rekonstruktionsdebatte an den Main geholt hatte.
Initiative eines Rechtsradikalen?
Zuletzt sorgte nun der Stuttgarter Professor Stephan Trüby für Aufsehen. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung stellte Trüby die Behauptung auf, die Altstadt sei allein der Initiative eines Rechtsradikalen, des Politologen Claus Wolfschlag, zu verdanken. Diese These ist inzwischen ergänzt und korrigiert worden: Die Frankfurter Altstadt hat viele Mütter und Väter – durch die gesamte Parteienlandschaft. 2007 beschlossen CDU, Grüne, FDP und BFF („Bürger für Frankfurt“, für die Wolfschlag als Berater tätig war) gemeinsam eine Rekonstruktion von mindestens sechs historischen Häusern. Die SPD forderte sogar noch mehr Rekonstruktionen. Gespannt kann man auch sein, wie der von Trübys Verteidigern ins Leben gerufene „Rekonstruktions-Watch“ reagiert, wenn nach dem Barcelona-Pavillon und den Dessauer Meisterhäusern andere abgerissene Denkmale der Moderne wiederaufgebaut werden sollen.
Initiative eines Rechtsradikalen?
Zuletzt sorgte nun der Stuttgarter Professor Stephan Trüby für Aufsehen. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung stellte Trüby die Behauptung auf, die Altstadt sei allein der Initiative eines Rechtsradikalen, des Politologen Claus Wolfschlag, zu verdanken. Diese These ist inzwischen ergänzt und korrigiert worden: Die Frankfurter Altstadt hat viele Mütter und Väter – durch die gesamte Parteienlandschaft. 2007 beschlossen CDU, Grüne, FDP und BFF („Bürger für Frankfurt“, für die Wolfschlag als Berater tätig war) gemeinsam eine Rekonstruktion von mindestens sechs historischen Häusern. Die SPD forderte sogar noch mehr Rekonstruktionen. Gespannt kann man auch sein, wie der von Trübys Verteidigern ins Leben gerufene „Rekonstruktions-Watch“ reagiert, wenn nach dem Barcelona-Pavillon und den Dessauer Meisterhäusern andere abgerissene Denkmale der Moderne wiederaufgebaut werden sollen.
Von Frankfurts neuer Altstadt bleibt vor allem eine Aufgabe: Wieder und wieder über die Realisierungsmöglichkeiten von urbaner Dichte nachzudenken und nie aufhören, sie von Politik, Verwaltung und Bauherrn einzufordern.
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