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Ein neues Odeon?

München kann sich bei der Suche nach einem neuen Konzertsaal nicht entscheiden

Text: Parker, Dorothea, München

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Die Philharmonie im Kulturzentrum Gasteig, das in den Jahren 1978–85 errichtet wurde

Foto: Andreas Praefcke/Wikipedia

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Die Philharmonie im Kulturzentrum Gasteig, das in den Jahren 1978–85 errichtet wurde

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Ein neues Odeon?

München kann sich bei der Suche nach einem neuen Konzertsaal nicht entscheiden

Text: Parker, Dorothea, München

Wohin damit? Kontrovers diskutierte Standortsuchen haben in München Tradition – man erinnert sich an die umstrittenen Vorschläge zur Staatskanzlei oder zu einem mediengerechten Fußballstadion. Seit langem und zuletzt intensiver sucht man auch nach einem Standort für den idealen Konzertsaal. Im Zweiten Weltkrieg wurden sowohl das von Leo von Klenze 1826–28 erbaute Odeon, heute als überdachter Hof vom bayerischen Innenministerium umschlossen, wie auch die von Martin Dülfer 1895 entworfene Tonhalle an der Türkenstraße, Heimat der Münchner Philharmoniker, zerstört. Damals hat man auf einen Wiederaufbau der beiden Säle verzichtet. Doch weder der Herkulessaal, der 1951 in die Residenz eingefügt wurde, noch die Philharmonie am Gasteig, die 1985 in einem Kultur- und Bildungszentrum eröffnete, werden von den Kritikern als Ersatz akzeptiert. Der ideale Klangraum für die sinfonischen Konzerte der großen und renommierten Münchner Klangkörper ist noch nicht gebaut.
Momentan teilen sich die Münchner Philharmoniker und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks die akustisch schwierige, oder besser anspruchsvolle Philharmonie im Gasteig (2400 Plätze) und den ungeliebten Herkulessaal, der nicht für große Orchester geschaffen ist (1450 Plätze). Da die Philharmoniker als Beteiligungsgesellschaft der Stadt im städtischen Gasteig das Erstbelegungsrecht haben, geht die Initiative zu einem neuen, staatlichen Konzertsaal vor allem vom Rundfunkorchester aus. Der Bayerische Rundfunk kann sich aber seinen Konzertsaal nicht in eigener Regie bauen. Als öffentlich-rechtliche Körperschaft, die durch Gebühren finanziert wird, hat er keinen Anspruch auf staatliche Beihilfen – und die wären sicher nötig. Sein Intendant Ulrich Wilhelm, früher Pressesprecher der Bayerischen Staatsregierung, hat andere Prioritäten. Er will, so hört man, Rundfunk und Fernsehen zusammenlegen, in ein neues Gebäude in Freimann umziehen und das Funkhaus beim Hauptbahnhof gewinnbringend verkaufen – ein Deal nach dem Vorbild der Süddeutschen Zeitung. Die schönen Studio-Konzertsäle im Funkhaus gingen dabei verloren.
Vom Staat wurde schon 2007 ein Standort für einen neuen Konzertsaal konkretisiert: Unter Ministerpräsident Stoiber und Finanzminister Faltlhauser entwickelte man Pläne, das Marstallgebäude im Umfeld der Residenz durch Um- und Anbauten zu einem Konzertsaal umzubilden. In einem offenen Ideenwettbewerb wurde damals ein erster Preis für einen Konzertsaal mit 1800 Sitzplätzen an einen Entwurf von Axel Schultes und Charlotte Frank vergeben (Bauwelt 44.2007). Nachdem sich bei der Begutachtung durch einen japanischen Star-Akustiker herausstellte, dass die Akustik nicht zu machen sei, wurde die Suche wieder aufgenommen.
2011 dann stellte der damalige bayerische Kunstminister Heubisch (FDP) eine Findungskommission zusammen, die den Kongresssaal des Deutschen Museums als besten Standort für einen Konzertsaal ausmachte. Beim Neujahrsempfang 2012 versprach Ministerpräsident Seehofer ein „Konzerthaus der Weltklasse“, und das an der Isar. Allerdings unter dem Vorbehalt, dass der Standort Museumsinsel tatsächlich realisierbar sei. Wie man nun weiß, ist er das nicht – warum, wurde nie klar ausgesprochen. Minister Heubisch wurde zum Oktober 2013 abgewählt.
Danach kam der alte Finanzgarten, eine Grünverbindung zwischen Hofgarten und Englischem Garten, ins Gespräch. Ein neuer Saal in seiner westlichen Hälfte wird vom engagierten Verein Konzertsaal für München e.V. favorisiert. Der Verein hat die Abschlussarbeit eines Nürnberger Architekturstudenten als Teaser vorgelegt. Markus Krempels hat einen Saal mit einem baumähnlichem Tragwerk entworfen. Auch hier liegen die Gegenargumente auf der Hand. Schon 1982, bei der Standortsuche für die Staatskanzlei, haben Bürger der Maxvorstadt um den Erhalt dieser Grünfläche gekämpft. Im Dezember 2011 wurde ein erstes Finanzgarten-Seminar abgehalten: „Wie kette ich mich schmerzfrei an einen Baum?“ Man kann sich künftige Demonstrationen vorstellen. Ministerpräsident Seehofer jedenfalls scheint zum Schluss gekommen zu sein, dass seine Philharmonie auch nicht im Finanzgarten gebaut werden kann.
Gleichzeitig hat die Stadt Konzertsaal-Sorgen. Das Zentrum am Gasteig mit seiner Philharmonie wurde 1978–85 vom Münchner Büro Raue, Rollenhagen und Lindemann nach dem Vorbild des Londoner Barbican Center entworfen – ein Konglomerat kultureller Nutzungen, wie in London mit Tiefgarage, Backsteinfassade und Teppichböden. Von Kritikern wurde es als Kulturvollzugsbunker verspottet. Tatsächlich ist der Klotz auf der Isarhöhe nicht elegant, wird aber von den Münchnern bestens angenommen. Nach 30 Jahren intensiver Nutzung muss es nun renoviert werden. Für die Sanierung wird ein Gesamtbetrag von 300 Millionen Euro angesetzt. Dabei könnte man die Akustik der Philharmonie gezielt verbessern. Natürlich müssen aber Nutzung und Nutzer vorab geklärt werden.
Anfang Februar schlossen Stadt und Staat, der neue OB Reiter und Ministerpräsident Seehofer, einen Pakt. Der Freistaat beteiligt sich mit 200 Millionen Euro an der Sanierung der Philharmonie im Gasteig und verzichtet auf einen zweiten Konzertsaal. Der Landtag stimmte diesem Konzept zu. Natürlich erhob sich großer Protest: Seehofer habe sein Versprechen gebrochen, einen neuen Saal zu bauen. Die Strahlkraft der international bedeutenden Musikstadt München stünde auf dem Spiel. Es sei unverantwortlich, während der rund fünfjährigen Sanierungszeit kein angemessenes Ausweichquartier zu haben. Gleichzeitig gab es Besänftiger: Die Münchner Philharmoniker erklärten, bei dieser Konstellation auf ihr Erstbelegungsrecht zu verzichten. Ein Kenner der Philharmonie wies darauf hin, dass der Klang dort besonders differenziert sei und dass bauliche akustische Verbesserungen tatsächlich gut möglich seien. Am Aschermittwoch ruderten Seehofer und Reiter zurück. Wohin? Zum Umbau der Philharmonie oder zum Abriss und Neubau des Gasteigs? Zu einem zweiten Saal, vielleicht neben Vorhölzers denkmalgeschütztem Paketzustellamt oder als Point de vue auf der Münchner Freiheit? Eine Arbeitsgruppe aus Vertretern von Stadt, Staat und Orchestern und ein Gutachter einer Beraterfirma sollen bis Mai Vorschläge machen.

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