„Es braucht eine dezentrale Energieversorgung“
Interview mit GRAFT-Architekten
Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin
„Es braucht eine dezentrale Energieversorgung“
Interview mit GRAFT-Architekten
Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin
Bereits jeder Dritte in Afrika nutzt ein Mobiltelefon. Es wird natürlich zum Telefonieren gebraucht, aber auch als Informationsquelle, für Nachrichten, den Wetterbericht und die aktuellen Lebensmittelpreise. Was fehlt sind flächendeckend Möglichkeiten, die Telefone wieder aufzuladen. In Äthiopien stellt die von den Berliner GRAFT-Architekten mitgegründete Firma „Solarkiosk“ jetzt die ersten sieben Solarkioske auf. Wir fragen, warum.
In Afrika leben rund 1,2 Mrd. Menschen. Jeder Dritte besitzt ein Handy. In manchen Ländern, wie in Botswana oder auf den Seychellen, gibt es mehr Handys als Einwohner, so wie beispielsweise auch in Deutschland.
Das mobile Telefon wird in Afrika ähnlich genutzt wie im Rest der Welt. Zu allererst natürlich zum Telefonieren, aber auch zum weiteren Informationsaustausch, für Bankgeschäfte, zur Überwachung von Warenangeboten und Preisen, insbesondere von Lebensmitteln. Wetterprognose werden mit ihm abgefragt, um beispielsweise die landwirtschaftliche Arbeit besser planen zu können. Verwendet werden dazu nicht nur hochgerüstete Smartphones. Das ganze funktioniert auch mit gewöhnlichen, vermeintlich einfachen oder veralteten Geräten. Für diese werden verbesserte SMS-Nachrichten versandt und funktionale Apps programmiert. Und immer mehr Menschen werden diese Angebote nutzen können.
Mobile Kommunikation ist die einzige Möglichkeit, in Afrika Informationen schnell und allgemein zugänglich zu machen. Denn anders als in Europa ist in Afrika kein kabelbasiertes Netz aufgebaut worden. Dazu fehlten die finanziellen Mittel. Viel leichter ließ sich ein flächendeckendes Mobilfunk-Netz aufbauen. Das ist jetzt vorhanden. Was die Geräte aber immer noch brauchen, ist Strom. Dieser ist nicht überall verlässlich zu bekommen. So wird das Aufladen der Geräte zum Problem – vor allem außerhalb der Städte, in den ländlichen Regionen, wo der Strom häufig ausfällt oder erst gar kein Stromnetz vorhanden ist.
Afrika hat eine etablierte, landestypische Kioskkultur. Hier versorgen sich die Menschen mit Zeitungen, Lebensmitteln, Getränken, Arzneimitteln und eben auch mit Strom für ihre Handys. Dazu wird eine Stromleitung angezapft und Ladegeräte angeschlossen. Doch diese Improvisation ist illegal, gefährlich und störanfällig. Für dieses Problem haben die Berliner Architekten Wolfram Putz, Thomas Willemeit und Lars Krückeberg aus dem Büro Graft, gemeinsam mit den weiteren Partnern Andreas Spiess, Ulrich Möller und Holger Feist mit der Firma „Solarkiosk“ eine Lösung entwickelt.
Ein solar betriebener Kiosk wird zur Energiequelle für die Ladegeräte der Handys. Mit Internetzugang und Kühlmöglichkeiten, beispielsweise für Medikamente, wird er zur wichtigen Basisstation. Da der Kiosk abends erleuchtet ist, erlischt das Leben vor Ort nicht mit dem Sonnenuntergang. Der Kiosk kann so auch soziales Zentrum des Ortes werden.
Das Projekt lief zunächst schleppend an. Mal war die Finanzierung ungewiss, mal die Produktion vor Ort. Jetzt aber sind die ersten sieben Solarkioske in Äthiopien aufgestellt worden, die Pilotphase beginnt.
Warum arbeiten Sie an sozial- und gesellschaftsrelevanten Projekten?
Für uns ist es neben dem Unternehmer-Sein wichtig. Wir haben uns bisher bei singulären Projekten engagiert. Beispielsweise durch den Bau von Krankenhäusern in Afrika oder durch das Wohnhausbau-Projekt in New Orleans nach der Hurrikan-Katastrophe von 2005. Jetzt versuchen wir, einen größeren Skalierungseffekt zu erreichen, indem wir nicht Einmallösungen produzieren, sondern Produktserien.
Wie kam es zu der Idee des Solarkiosks?
Das Projekt entstand durch Beobachtungen. Fehlende Versorgung mit Elektrizität – und zwar in sehr, sehr kleinen Einheiten – ist ein riesiges Thema in Afrika. Hier haben 650 Millionen Menschen keinen Zugang zum Stromnetz. Die Infrastruktur, die wir kennen, also zentrale, große Energieerzeugung und investitionslastige Verteilnetze werden in Afrika niemals entstehen. Es braucht eine dezentrale Energieversorgung. Die funktioniert zurzeit aufwendig und teuer durch Kerosin- und Dieselgeneratoren. Der große Vorteil in Afrika ist aber, dass Sonnenenergie vorhanden ist. Darauf basiert
die Idee des Solarkiosk.
Was waren die größten Schwierigkeiten bei der Realisierung?
Waren? Es wäre schön, wenn es schon Vergangenheit wäre und alles geklappt hätte. Aber wir sind mittendrin. Zuerst war alles zu durchdenken und zu planen, herzustellen, technisch aufzurüsten und „intelligent“ zu machen. Das haben wir im letzten Jahr, teilweise mit Fördermitteln des Bundes, erledigt. Dann wurden die ersten Prototypen in Berlin gebaut. Jetzt folgt das Pilotprojekt in Äthiopien. Äthiopien ist ein sehr armes, bevölkerungsreiches Land. Wenn es dort gelingt, dann glauben wir, dass es woanders auch gelingen kann. Wir produzieren den Kiosk mit Partnern in Addis Abeba. Dazu haben wir in Äthiopien die Firma „Solarkiosk Solutions PLC“ gegründet.
Die nächsten Fragen, die sich uns stellen sind: Wie kann man das, was wir hier mit deutschen Herstellern und Technologien produzieren, in Afrika mit den gleichen Ergebnissen erreichen? Wie kann man die Technik vereinfachen und preiswerter machen? Und dann muss sich das lokal beweisen. Da fangen die großen Hürden eigentlich an.
Wie wird der Kiosk vor Ort produziert?
Der Prototyp sieht vor, dass die Technik aus der „ersten Welt“ kommt. Die Photovoltaikelemente kommen aus China, weil sie derzeit die günstigsten sind. Das Aluminiumgerüst wird in Deutschland produziert.
Aber alles andere, die Ausfachung, das Dach, die Wannen, die Klappe, der Tank, in dem die Batterie in die Erde liegt, um dort thermisch gekühlt zu werden, wird inzwischen in Äthiopien hergestellt. Im nächsten Schritt soll alles, bis auf die Technologie, vor Ort produziert werden. Wir haben dort lange nach Partnern gesucht, die das können. In Addis Abeba haben wir eine Firma gefunden, die mit Aluminium sehr, sehr gut umgehen kann.
Wie funktioniert das wirtschaftliche Modell?
Der Betreiber mietet oder kauft den Kiosk. Die Einstiegsschwelle soll für den einzelnen so niedrig wie möglich sein. So kann er mit wenig Anschubkapital einen Kiosk bekommen, komplett bestückt und mit Belieferungswegen für die Waren, die dort angeboten werden. Und das mit einem Amortisierungskonzept, das auf drei bis fünf Jahre ausgelegt ist. Wahrscheinlich ist es sogar kürzer, weil in Afrika die erwarteten Amortisationszeiträume noch sehr, sehr viel kürzer sind. Danach soll der Kioskwert durch die Lizenzzahlung erwirtschaftet sein. Bis dahin bleibt der Kiosk in unserem Besitz oder im Besitz der Landesunterfirmen.
Wir arbeiten jetzt weiter an der Konstruktion, um den Kiosk noch kostengünstiger herstellen zu können. Das ist der große Hebel. Je preiswerter der Kiosk wird, desto größer ist der Skalierungseffekt. Und darum geht es uns ja.
Wann gibt es die ersten Kioske?
Jetzt gerade. Die ersten Kioske werden in Äthiopien aufgestellt.
Und auch schon mit Betreibern?
Genau. Wir sind nach unserer Nummerierung in Prototypenphase II. Nun geht es vor allem darum, unsere Konsumentenvermutung und Ingenieurlösungen im Feld zu testen. Wie sieht es in der Regenzeit aus, die jetzt gerade in Äthiopien beginnt? Sind die Produkte, die wir anbieten, die Preise, die wir pro Ladung für Batterien anbieten, angemessen? Wir müssen Menschen, die vielleicht gar nicht lesen können, die elektrotechnische Grundlagen für den Betrieb erklären. Funktioniert das alles? Diese Phase dauert bis zum Frühjahr 2013. Dann sollen große Stückzahlen in Serie produziert werden.
Wie viele Kioske sind geplant?
Wir gehen davon aus, dass wir ca. fünfhundert bis tausend in den nächsten zwei Jahren aufstellen können. Äthiopien ist hierfür ein besonders geeignetes Land. Von den 80 Millionen Einwohnern des Landes leben über 80 Prozent im „Off grid-Bereich“, also ohne Netzanschluss.
30 Prozent der Äthiopier leben zudem mehr als 25 Stunden Fußmarsch von dem letzten mit dem Auto erreichbaren Punkt entfernt. Diese Autos sind deshalb wichtig, weil sie bisher die fahrenden Ladestationen waren. Sie versorgen die Leute mit Strom über die Autobatterie, die zum Aufladen der Telefone zweckentfremdet wird.
Nach Äthiopien wollen wir Kioske in Namibia aufstellen. Dort fangen wir grade an.
Das mobile Telefon wird in Afrika ähnlich genutzt wie im Rest der Welt. Zu allererst natürlich zum Telefonieren, aber auch zum weiteren Informationsaustausch, für Bankgeschäfte, zur Überwachung von Warenangeboten und Preisen, insbesondere von Lebensmitteln. Wetterprognose werden mit ihm abgefragt, um beispielsweise die landwirtschaftliche Arbeit besser planen zu können. Verwendet werden dazu nicht nur hochgerüstete Smartphones. Das ganze funktioniert auch mit gewöhnlichen, vermeintlich einfachen oder veralteten Geräten. Für diese werden verbesserte SMS-Nachrichten versandt und funktionale Apps programmiert. Und immer mehr Menschen werden diese Angebote nutzen können.
Mobile Kommunikation ist die einzige Möglichkeit, in Afrika Informationen schnell und allgemein zugänglich zu machen. Denn anders als in Europa ist in Afrika kein kabelbasiertes Netz aufgebaut worden. Dazu fehlten die finanziellen Mittel. Viel leichter ließ sich ein flächendeckendes Mobilfunk-Netz aufbauen. Das ist jetzt vorhanden. Was die Geräte aber immer noch brauchen, ist Strom. Dieser ist nicht überall verlässlich zu bekommen. So wird das Aufladen der Geräte zum Problem – vor allem außerhalb der Städte, in den ländlichen Regionen, wo der Strom häufig ausfällt oder erst gar kein Stromnetz vorhanden ist.
Afrika hat eine etablierte, landestypische Kioskkultur. Hier versorgen sich die Menschen mit Zeitungen, Lebensmitteln, Getränken, Arzneimitteln und eben auch mit Strom für ihre Handys. Dazu wird eine Stromleitung angezapft und Ladegeräte angeschlossen. Doch diese Improvisation ist illegal, gefährlich und störanfällig. Für dieses Problem haben die Berliner Architekten Wolfram Putz, Thomas Willemeit und Lars Krückeberg aus dem Büro Graft, gemeinsam mit den weiteren Partnern Andreas Spiess, Ulrich Möller und Holger Feist mit der Firma „Solarkiosk“ eine Lösung entwickelt.
Ein solar betriebener Kiosk wird zur Energiequelle für die Ladegeräte der Handys. Mit Internetzugang und Kühlmöglichkeiten, beispielsweise für Medikamente, wird er zur wichtigen Basisstation. Da der Kiosk abends erleuchtet ist, erlischt das Leben vor Ort nicht mit dem Sonnenuntergang. Der Kiosk kann so auch soziales Zentrum des Ortes werden.
Das Projekt lief zunächst schleppend an. Mal war die Finanzierung ungewiss, mal die Produktion vor Ort. Jetzt aber sind die ersten sieben Solarkioske in Äthiopien aufgestellt worden, die Pilotphase beginnt.
Warum arbeiten Sie an sozial- und gesellschaftsrelevanten Projekten?
Für uns ist es neben dem Unternehmer-Sein wichtig. Wir haben uns bisher bei singulären Projekten engagiert. Beispielsweise durch den Bau von Krankenhäusern in Afrika oder durch das Wohnhausbau-Projekt in New Orleans nach der Hurrikan-Katastrophe von 2005. Jetzt versuchen wir, einen größeren Skalierungseffekt zu erreichen, indem wir nicht Einmallösungen produzieren, sondern Produktserien.
Wie kam es zu der Idee des Solarkiosks?
Das Projekt entstand durch Beobachtungen. Fehlende Versorgung mit Elektrizität – und zwar in sehr, sehr kleinen Einheiten – ist ein riesiges Thema in Afrika. Hier haben 650 Millionen Menschen keinen Zugang zum Stromnetz. Die Infrastruktur, die wir kennen, also zentrale, große Energieerzeugung und investitionslastige Verteilnetze werden in Afrika niemals entstehen. Es braucht eine dezentrale Energieversorgung. Die funktioniert zurzeit aufwendig und teuer durch Kerosin- und Dieselgeneratoren. Der große Vorteil in Afrika ist aber, dass Sonnenenergie vorhanden ist. Darauf basiert
die Idee des Solarkiosk.
Was waren die größten Schwierigkeiten bei der Realisierung?
Waren? Es wäre schön, wenn es schon Vergangenheit wäre und alles geklappt hätte. Aber wir sind mittendrin. Zuerst war alles zu durchdenken und zu planen, herzustellen, technisch aufzurüsten und „intelligent“ zu machen. Das haben wir im letzten Jahr, teilweise mit Fördermitteln des Bundes, erledigt. Dann wurden die ersten Prototypen in Berlin gebaut. Jetzt folgt das Pilotprojekt in Äthiopien. Äthiopien ist ein sehr armes, bevölkerungsreiches Land. Wenn es dort gelingt, dann glauben wir, dass es woanders auch gelingen kann. Wir produzieren den Kiosk mit Partnern in Addis Abeba. Dazu haben wir in Äthiopien die Firma „Solarkiosk Solutions PLC“ gegründet.
Die nächsten Fragen, die sich uns stellen sind: Wie kann man das, was wir hier mit deutschen Herstellern und Technologien produzieren, in Afrika mit den gleichen Ergebnissen erreichen? Wie kann man die Technik vereinfachen und preiswerter machen? Und dann muss sich das lokal beweisen. Da fangen die großen Hürden eigentlich an.
Wie wird der Kiosk vor Ort produziert?
Der Prototyp sieht vor, dass die Technik aus der „ersten Welt“ kommt. Die Photovoltaikelemente kommen aus China, weil sie derzeit die günstigsten sind. Das Aluminiumgerüst wird in Deutschland produziert.
Aber alles andere, die Ausfachung, das Dach, die Wannen, die Klappe, der Tank, in dem die Batterie in die Erde liegt, um dort thermisch gekühlt zu werden, wird inzwischen in Äthiopien hergestellt. Im nächsten Schritt soll alles, bis auf die Technologie, vor Ort produziert werden. Wir haben dort lange nach Partnern gesucht, die das können. In Addis Abeba haben wir eine Firma gefunden, die mit Aluminium sehr, sehr gut umgehen kann.
Wie funktioniert das wirtschaftliche Modell?
Der Betreiber mietet oder kauft den Kiosk. Die Einstiegsschwelle soll für den einzelnen so niedrig wie möglich sein. So kann er mit wenig Anschubkapital einen Kiosk bekommen, komplett bestückt und mit Belieferungswegen für die Waren, die dort angeboten werden. Und das mit einem Amortisierungskonzept, das auf drei bis fünf Jahre ausgelegt ist. Wahrscheinlich ist es sogar kürzer, weil in Afrika die erwarteten Amortisationszeiträume noch sehr, sehr viel kürzer sind. Danach soll der Kioskwert durch die Lizenzzahlung erwirtschaftet sein. Bis dahin bleibt der Kiosk in unserem Besitz oder im Besitz der Landesunterfirmen.
Wir arbeiten jetzt weiter an der Konstruktion, um den Kiosk noch kostengünstiger herstellen zu können. Das ist der große Hebel. Je preiswerter der Kiosk wird, desto größer ist der Skalierungseffekt. Und darum geht es uns ja.
Wann gibt es die ersten Kioske?
Jetzt gerade. Die ersten Kioske werden in Äthiopien aufgestellt.
Und auch schon mit Betreibern?
Genau. Wir sind nach unserer Nummerierung in Prototypenphase II. Nun geht es vor allem darum, unsere Konsumentenvermutung und Ingenieurlösungen im Feld zu testen. Wie sieht es in der Regenzeit aus, die jetzt gerade in Äthiopien beginnt? Sind die Produkte, die wir anbieten, die Preise, die wir pro Ladung für Batterien anbieten, angemessen? Wir müssen Menschen, die vielleicht gar nicht lesen können, die elektrotechnische Grundlagen für den Betrieb erklären. Funktioniert das alles? Diese Phase dauert bis zum Frühjahr 2013. Dann sollen große Stückzahlen in Serie produziert werden.
Wie viele Kioske sind geplant?
Wir gehen davon aus, dass wir ca. fünfhundert bis tausend in den nächsten zwei Jahren aufstellen können. Äthiopien ist hierfür ein besonders geeignetes Land. Von den 80 Millionen Einwohnern des Landes leben über 80 Prozent im „Off grid-Bereich“, also ohne Netzanschluss.
30 Prozent der Äthiopier leben zudem mehr als 25 Stunden Fußmarsch von dem letzten mit dem Auto erreichbaren Punkt entfernt. Diese Autos sind deshalb wichtig, weil sie bisher die fahrenden Ladestationen waren. Sie versorgen die Leute mit Strom über die Autobatterie, die zum Aufladen der Telefone zweckentfremdet wird.
Nach Äthiopien wollen wir Kioske in Namibia aufstellen. Dort fangen wir grade an.
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