Großes Haus in großer Krise
Zum 80. Jahrestag will das Münchener „Haus der Kunst“ seine Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte festlich feiern. Doch es kam anders
Text: Stock, Wolfgang Jean, München
Großes Haus in großer Krise
Zum 80. Jahrestag will das Münchener „Haus der Kunst“ seine Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte festlich feiern. Doch es kam anders
Text: Stock, Wolfgang Jean, München
Exakt zum 80. Jahrestag prangerte die „Süddeutsche Zeitung“ auf ihrem Titelblatt das Haus der Kunst (HdK) als „Problemzone“ an. Auf der prominenten „Seite Drei“ folgte ein Artikel, der es in sich hatte. Punkt für Punkt stellten zwei Kulturredakteurinnen eine Art Krisenbilanz auf: Der seit 2011 amtierende künstlerische Direktor Okwui Enwezor lebe „mit seinen schönen Ideen auf allzu großem Fuß“, weshalb das Haus derzeit eminente Geldsorgen habe. So habe es Mühe, Handwerker- und Lieferantenrechnungen zu bezahlen. Auch deshalb sei das Klima im HdK „vergiftet“ – in einer Beschwerde warfen zahlreiche Mitarbeiter der Geschäftsführung schon im Herbst 2015 „Missmanagement“ vor. Hinzu kommen strafrechtliche Ermittlungen gegen die Leitung, weil der Verdacht besteht, dass durch den externen, erst kürzlich entlassenen „Personalverwalter“ das Haus von Scientology unterwandert sein könnte. Und schließlich ist das HdK seit Monaten öffentlichen Protesten ausgesetzt, weil die Pläne von David Chipperfield für einen weitgehenden Rückbau des Nazi-Tempels auf den Zustand von 1937 höchst umstritten sind (Bauwelt 7.2017).
Der SZ-Artikel schlug in der Münchner Kulturszene wie eine kleine Bombe ein. Auch bei den zahlreichen Gästen aus nah und fern, die sich im HdK zu einem Symposium aus Anlass des 80. Jahrestages eingefunden hatten. Auf dieser Veranstaltung sollte der zeitgenössische Umgang „mit historischer Architektur im Allgemeinen und insbesondere mit dem Haus der Kunst aus verschiedenen Perspektiven“ diskutiert werden. Doch angesichts der Schlagzeilen vom Tage verpuffte dieses Angebot weitgehend. Zwar bemühte sich vor allem Sabine Brantl, die verdienstvolle Kuratorin des HdK-Archivs, um eine produktive Erörterung der Themen, aber bei den Gästen standen die aktuellen Probleme und Skandale im Mittelpunkt der Gespräche. Selbst aus dem Kreis der „Freunde Haus der Kunst“ hörte man, dass der Direktor Enwezor „gefühlt“ wohl ständig unterwegs sei, selten aber an seinem Dienstort München.
Hätte nicht am Ende Iris Lauterbach vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte über den „Umgang mit Architektur als Zeitzeugnis“ gesprochen, wäre der Ertrag des Symposiums noch geringer ausgefallen. Zum einen betonte sie im Widerspruch zu der bequemen Rede, das HdK sei nach 1949 durch die Ausstellungen zur modernen Kunst von seiner NS-Belastung „gereinigt“ worden, dass man „sich immer der Geschichte des Gebäudes bewusst sein“ müsse. Zum Zweiten erläuterte sie, dass die in den frühen 70er Jahren vor der Südfassade gepflanzten Bäume eine Wiederherstellung der Prinzregentenstraße als Allee bedeutet hätten – und eben keine „Schambehaarung“, wie der frühere HdK-Direktor Chris Dercon vermeinte. Dies lässt sich auch dem neuen, beim Symposium vorgestellten Buch „Geschichten im Konflikt“ entnehmen, das mit vielen Abbildungen die Geschichte des Hauses von der Eröffnung 1937 bis zum Jahr 1955 dokumentiert, als es vollständig von der amerikanischen Militärregierung zurückgegeben wurde (Sieveking Verlag, 34,90 Euro). Ein positiver Beifang des Symposiums ist außerdem die von Sabine Brantl eingerichtete, bis 4. Februar 2018 laufende Ausstellung „München Sommer 1937“ in der Archiv-Galerie des HdK: Faksimilierte Dokumente und mehrere Filme konfrontieren die Einweihung des NS-Kunsttempels mit der am Tag darauf eröffneten Femeschau „Entartete Kunst“.
Wie soll es mit dem großen Haus (175 Meter lang, 75 Meter breit) weitergehen? Was die internen Konflikte angeht, ist weniger der bis 2021 bestallte Direktor Enwezor in Gefahr als der Finanzchef Marco Graf von Matuschka. So haben die Träger des Hauses beschlossen, dem künstlerischen Leiter einen neuen kaufmännischen Direktor als Kontrolle an die Seite zu stellen. Selbst eine Verstaatlichung der Kunsthalle, die sich derzeit auch durch Sponsoren finanziert, ist nicht mehr ausgeschlossen. Im kommenden Herbst will der Landtag zudem über die Sanierung des HdK entscheiden. Beim Symposium hatte der Hauptkurator Ulrich Wilmes überraschenderweise eingeräumt, dass die Pläne von Chipperfield „nur Ideenskizzen“ seien.
Nun will man es aber genauer wissen! Im zweistufigen, europaweit ausgelobten VOF-Verfahren zur Sanierung des HdK wurden fünf Architekturbüros ausgewählt, vier davon haben in der Endrunde teilgenommen. Was etwa Kühn Malvezzi & Braun und Partner (Berlin) oder gmp (Hamburg) vorgeschlagen haben, ist bislang öffentlich nicht gezeigt worden. Warum? Die große Krise des HdK kann nur bereinigt werden, wenn das Haus alle Karten auf den Tisch legt, sprich: die bürgerschaftliche Öffentlichkeit einbezieht.
0 Kommentare