Klima machen
Architekten können in Gebäuden und Quartierskonzepten heute das Klima steuern und beeinflussen - die Unschuld ist weg.
Text: Geipel, Kaye, Berlin
Klima machen
Architekten können in Gebäuden und Quartierskonzepten heute das Klima steuern und beeinflussen - die Unschuld ist weg.
Text: Geipel, Kaye, Berlin
Wenn am 30. November in den Ausstellungshallen von Paris-Le Bourget der Eröffnungsgong für die 21. Weltklimakonferenz dröhnt, wird alles noch riesiger und unübersichtlicher werden als 1997 in Kyoto – dem letzten Gipfel, der eine global verbindliche Übereinkunft zustande brachte. Damals hatten die 158 Vertragsstaaten 230 Delegierte entsandt, hinzu kamen 3900 Beobachter anderer Organisationen und 3700 Journalisten. Die Klima-Konferenzen der Folgejahre waren dann gerade noch das gewaltige Schmiermittel, das den Betrieb der internationalen Klimaforschung am Laufen hielt, zu substanziellen Ergebnissen kam es nicht. Diesmal soll es anders werden. Nach der ergebnislosen Blamage der Konferenz von Kopenhagen 2009 sollen in Paris neue verbindliche Klimaziele für alle 194 Mitgliedsstaaten vereinbart werden, damit das 2-Grad-Ziel eingehalten werden kann. Wir drücken die Daumen. Wichtiger allerdings scheint uns der Blick auf das, was wir selber tun, wie Architektur und Stadtplanung der dramatischen Entwicklung auf ihren eigenen Füßen begegnen, ohne abzuwarten.
Dem Klimawandel, den man im Englischen präziser auch als „climate disruption“, als menschlich herbeigeführte „Zerrüttung“ des Klimas bezeichnet, widmen wir in diesem Herbst gleich zwei Schwerpunkte. Als erstes die vorliegende Stadtbauwelt mit fünf Interviews mit wichtigen Klima-Machern unserer Branche, die auch in der internationalen Debatte eine Stimme haben: Der Architekt Matthias Sauerbruch und der Klimaingenieur Thomas Auer verhandeln die Entwicklung im Tandem von Architektur und Ingenieurtechnik der letzten zwanzig Jahre; der Architekt Manfred Hegger stellt den neusten Stand der „German Energiewende“ im Geschosswohnungsbau am Beispiel des Frankfurter Energiestadthauses dar; die Kopenhagener Stadtbaudirektorin Tina Saaby Madsen vertritt die europaweit charmanteste Gesamtperspektive städtischer Energiepolitik – mit lauter radelnden Mitbürgern; der italienische Architekt Carlo Ratti bringt Big Data und städtische Energiepolitik zwischen Bottom-up- und Top-down-Strategien auf den Punkt, anhand der Projekte des von ihm geleiteten Forschungslabors am MIT; und der ehemalige IBA-Geschäftsführer Uli Hellweg und der Architekt Günter Pfeifer streiten sich mit handfesten Argumenten über die Frage, ob die Architektur beim vorbildlichen Energiekonzept der IBA Hamburg-Wilhelmsburg unter die Räder gekommen ist.
Tritt die Architektur, wenn es um die Zukunft einer klimagerechten Architektur geht, immer weiter in den Hintergrund? Das ist eine der Fragen, die wir im November stellen, auf unserem eigenen Kongress „Zukunft Energiewende – wie radikal müssen Architektur und Städtebau sich ändern“, gut zwei Wochen vor der Pariser Konferenz. An dieser Stelle möchten wir Sie herzlich einladen, nach Berlin, ins Kino International, am 12. und 13. November. Melden Sie sich einfach auf bauwelt.de an. Ausführliche Informationen zum Programm gibt es ab Seite 9 in dieser Ausgabe.
Architekten können in Gebäuden und Quartierskonzepten heute das Klima beeinflussen, die Unschuld ist weg. Die Ingenieure von Transsolar haben diese Zauberlehrlingsfrage bei der Ausstellung „Globale“ am Karlsruher ZKM schon mal sichtbar gemacht: eine künstliche Wolke, großge-zogen im Innenhof des Museums. Natürlich ist das Hokuspokus. Das „zerrüttete“ Klima positiv beeinflussen, das ist eben nur als globale Vision zu haben, die wir an dieser Stelle aus einer vergleichsweise komfortablen europäischen Situation beobachten.
0 Kommentare